Ich kann die Datingerfahrung auch absolut nicht bestätigen. Kommt wohl massiv drauf an, welchen "Typ" man trifft und meines Erachtens auch, in welcher Stadt man ist. L.A. fühlt sich völlig anders an als die Ostküste. In jeder Hinsicht, auch was die "Vorurteile" angeht ...
L.A. Amis (Angelinos und solche, die schon länger hier sind) und ihre häufiger beobachteten Macken: L.A.-Wissenschaftler sind echte Nerds, sozial irgendwie verkorkst und auffällig, meistens aber harmlos. Da ich selber Wissenschaftler bin und mit Kollegen aus allen Herren Ländern verleichen kann - ist wirklich unglaublich, was für nett aber doch verdrehte Leute mir hier begegnen.
Angelinos sind materiell extrem fixiert und oft emotional sehr unreif für deutsche Vorstellungen, was aber auch nicht verwunderlich ist, wie hier alles für Karriere und Status hintenangestellt wird. Die Sinnkrise kommt dann in der Midlife-Crisis (nicht umsonst ein amerikanischer Begriff), wenn sie auf ... spirituelle Suche gehen, um nachzuholen, was sie an emotionaler Reife vernachlässigt haben. Jetzt haben sie nämlich Geld, um Luft zu holen - oder 3-4 Jobs, um sich finanziell über Wasser zu halten und keine Zeit für Midlife-Crisis.
Was noch, hm ja, diese absurden Dating-Regeln, es gibt eigentlich Listen und Protokolle für alles, gerade in diesem Bereich. Das sind dann Sachen wie: wenn er dreimal bezahlt (und er wird drauf bestehen), darf er Sex erwarten. Küssen tut man sich eher beim zweiten Date, denn das erste ist ja "erstmal unverbindlich treffen", das zweite ist "Kennenlernen und vorfühlen", das dritte dann ... ähm naja ... Oder sie verweigert die Einladung, daß er bezahlt, dann ist klar, sie will nicht.
Wird aber meist als zwingend angesehen, daß er gefälligst bezahlt.
Ansonsten gibts so sonderbare Regeln, wie: nach einem Jahr Daten sollte man nach Verlobung fragen - und dann möglichst bald heiraten. Dann kommen oft Kinder, die Scheidung und führt dazu, daß auch Wissenschaftler mit 30 meist schon geschiedene Eltern mit mindestens einem 3-5 jährigen Kind sind. Die kommen also aus dem College als Eltern raus und sind nach der Doktorarbeit geschieden.
Daten kann man meistens im Pack, sprich es ist oft ok für einige Wochen bis Monate, mehrgleisig zu fahren. Wenn einer keine Lust mehr hat, wird es als gesellschaftlich akzeptiert angesehen, wenn man schlichtweg nicht mehr reagiert - ohne Vorankündigung - also Telefon, Briefe oder sonstwas anzunehmen. Das geht so weit in Sachen Konfliktscheue, daß es Dienste gibt, die bei Wahl einer bestimmten Nummer nicht durchgestellt werden, sondern Ausreden vermitteln, wo der/diejenige gerade ist, warum er/sie nicht kann etc. Dann gibts das Prinzip des "booty call", man ruft (gerne auch Verflossene oder solche, die man durch Ignorieren abgesägt hat) so gegen 1-2 Uhr nachts an und dann wissen beide: es geht jetzt grad nur um Sex, darf man kurz vorbeikommen? Ist der andere einverstanden, wird gevögelt, der andere verschwindet wieder, keinerlei Bedeutung.
Was noch, ahja ... Polarisierungsneigung. Amerikaner generell haben eine verblüffende Neigung, aus allem und jedem eine Bewegung zu machen. Privat wird da keine Überzeugung lange sein, wenn man keine Repressalien befürchten muß (und oft nicht mal dann). Stattdessen wird eine Gruppe gegründet, Flugblätter, Statuten, Medienpräsenz etc. Ob es um Abtreibung, das Recht, Waffen zu tragen oder die Entscheidung, keine Kinder haben zu wollen, geht (letzteres ist z.B. die "Child Free" Organisation) - aus allem wird eine Bewegung, die mit Verve vertreten wird. Und damit leider zu so erbittertem Konfliktpotential führt, daß Gespräche oder die Erwähnung von Religion und Politik dringenst auf jeder nicht sehr privaten Ebene vermieden wird und vermieden werden sollte. Eins davon anzusprechen ist ein gewaltiger Fauxpas und erzeugt sichtbares Unbehagen beim Gesprächspartner.
Ach und noch was, jedenfalls an der Westküste/L.A. sehr auffälliges Verhalten für den zuverlässigen Deutschen: wenn Dich jemand einlädt zu irgendeiner Sache und KEINEN konkreten (!) Terminvorschlag einschließt, vergiss es, das ist reine Höflichkeit und sollte bitte nie für voll genommen werden. In Blauäugigkeit später mal nachzufragen, wie es denn damit jetzt aussieht, läßt den Gegenüber schon mal vor Verwirrung und Scham im Boden versinken ...