Wenn ich ein Ausserirdischer wäre...
...und wäre in den USA gelandet, um die Kultur zu erforschen, dann wäre die Frage natürlich genau die: Gibt es überhaupt eine?
Wenn wir aus unseren eigenen pluralistischen Gefilden kommen, dann fallen uns meistens sofort die Unterschiede auf: Dialekte, Klimazonen, Vegetation, Industrie oder Landwirtschaft, ethnische Bestandteile - und wir kommen schnell zum Schluß: es ist wie bei uns; jede Region hat ihre Eigenheiten und alle sind bestenfalls lose miteinander verbunden.
Ging mir auch so. Deswegen kam irgendwann die Ausserirdischenidee - und das ist weniger geeky als es sich anhört: Ein Anthropologe schaut anders hin, und achtet aufs Verbindende.
Und da gibt es meiner Meinung nach eine Menge, trotz Yankees und Southerners, arm und reich, Bible Belt, Corn Belt, Steel Belt und Money Pit.
Es fängt bei der Sprache an, die ist trotz Einfärbungen und Durchmischungen ein allgemeiner Konsens ohne den es nicht geht.
Das Zweite ist schon gleich, das sich alle in ihrer Identität als Amerikaner sehen und sich darauf auch etwas einbilden - fast genau so viel wie auf den eigenen Staat, aber es reicht um zusammenzuschweißen. Amerika ist für viele Flagge, Hymne, Pledge of Allegiance, die auswendig gelernte Unabhängigkeitserklärung, Dollar, Washington, der Präsident. Da gibt es dann Reibungspunkte, aber man ist entweder Republikaner oder Demokrat, und auch das vereint.
Was noch? Die geographisch bedingten Unterschiede von früher verschwinden dank Verkehrsnetz und Technologie auch immer mehr - die Infrastruktur gleicht sich aneinander an, Waren und Dienstleistungen sind fast überall auf gleichem Niveau vertreten. Lokale Kulturtrends entstehen - aber Kommunikationstechnik bringt sie überall hin; East Coast, Country oder R&B sind nur noch Genres, die nicht mehr von Orten, Subkulturen oder Gesellschaftskriterien abhängig sind.
Und so kann man weitermachen. Aber als ausserirdischer Kulturforscher hätte ich irgendwann das Wappen und den füheren Wahlspruch der USA gefunden und genickt: E Pluribus Unum - "Aus Vielem, Eines". Mit dem Auftrag sind die Amerikaner ja auch mal angetreten, und haben aus ihrer eigenen kurzen und gewalttätigen Geschichte, ihren kulturell unterschiedlichen Einwanderern und ihrem riesigen, vielseitigen Land etwas gemacht, das man wiedererkennt - spätestens im Lieblingsrestaurant um die Ecke, wenn man es hinter sich quaken hört und sich sagt: "Aha, Amis".