tipps & tricks - tatort disco
(...) -28-Und falls ja, dann müsste die Geschichte mit Helga und dem Ketchup, unbedingt dabeisein. Ketchup ... kennt doch im Prinzip jeder; auch was man damit macht bzw. so alles machen kann. Als gelernter Koch, weiß ich natürlich eine Menge darüber; zumindest glaubte ich das, bis ich eines Tages eines Besseren belehrt wurde, und dazulernen durfte.
Alles nahm seinen Anfang - wie so oft, an einem Freitagabend, im Blue - am Tresen. Während sie sich - allein, in der Südkurve zu langweilen schien, ging ich am anderen Ende der Theke in Stellung - ihr direkt gegenüber; lass es mal so gegen zehn oder halb elf gewesen sein - jedenfalls war noch nicht allzu viel los.
Außer einer einzigen Frau auf der Tanzfläche, die sich dem experimentellen, melodramatischen Tanztheater verschrieben hatte, herrschte um diese Zeit noch gähnende Leere, auf dem Parkett. Noch hatte die Veranstaltung den Charme einer typischen Schuldisco - nachmittags um vier, in irgendeiner Aula, wo alle Gelangweilten angestrengt lässig tun und sehnsüchtig darauf warten, dass was passieren möge; dieser Abend im Blue lief ähnlich an.
Im Prinzip lauerte man fickrig auf die ersten Kandidaten, die sich auf die Tanzfläche wagen, um dann über diese schön gepflegt lästern zu können. Da der Laden und das Treiben darin, noch gut überschaubar waren, war die allgemeine Lage schnell gecheckt. Für mich war aber nix dabei - bzw. noch nichts, was mich auch nur annähernd interessierte.
Ich hatte mal wieder Ausgang; soll heißen, ich war allein unterwegs - ohne Maria. Das, was ich ‚Tanzen gehen ...’ nannte, war eine Mischung aus Bier trinken bei lauter Musik, jagen und tanzen. Im Schnitt gönnte ich mir diese Art Dreikampf 1 x pro Monat. Die einen mögen es flirten nennen - andere vielleicht baggern; für mich war’s die Gelegenheit einen ONS zu organisieren.
Die Möglichkeit, es mit anderen Frauen treiben zu dürfen, ohne deswegen gleich mit Sanktionen rechnen zu müssen, wollte ich natürlich nicht ungenutzt lassen. Bei zwölf Monaten im Jahr, waren das - rein rechnerisch, zwölf Versuche einen ONS klarzumachen - die Betonung liegt hier eindeutig auf Versuche. Angemerkt sei, dass es bei derlei Unternehmungen beinah unmöglich ist, jedes Mal genau ins Schwarze zu treffen. An solchen Abenden - genau auf den Punkt, fit und optimal drauf zu sein, ist alles andere als leicht - eher ein Unding.
Wer kennt das nicht; mal fallen einem keine guten Texte ein, ein anderes Mal findet man beim Tanzen nicht den richtigen Rhythmus ... und überhaupt mangelt es allzu oft an geeignetem Material, um sich daran abarbeiten zu können Komma falls - irgendwas ist immer. Wenn’s nicht rund läuft, dann läuft es eben nicht rund. In so einem Fall, sollte man dann lieber gleich ganz aufs Tanzen verzichten; wäre allemal besser, als sich linkisch und steif über die Zeit zu quälen. Als Blechmann - wie aus dem ‚Zauberer von OZ’, lockt man sowieso keinen nassen Hund hinterm warmen Ofen hervor.
Ohne eine gute Performance, wird kein Funke überspringen, geschweige denn ein Feuer entfacht werden, so viel steht schon mal fest. Machen wir uns nichts vor, manchmal war das Angebot einfach nur lausig und alles andere als inspirierend; richtig schlimm wurde es dann, wenn ich mir mal wieder eingestehen musste, dass ich zu Hause - vor der Glotze, weitaus besser aufgehoben gewesen wäre, anstatt im Blue meine Lebenszeit zu verplempern.
Solche Veranstaltungen, wo sich weit und breit keine Muse ausmachen lässt, von der man sich küssen lassen möchte, haben für mich immer was extrem deprimierendes - die verkleben einem nur sämtliche Synapsen. Derlei Stimmungstiefs lassen sich allenfalls nur mit einem ausgewogenen Mix aus Kiff und Bier meistern - wenn überhaupt. Aber Vorsicht ... etwas mehr als Ficken Fragezeichen, sollte es an Text dann doch sein - wenn’s sich einrichten lässt.
Mann sollte ein Gespür dafür entwickeln, welche Frau im Raum in Frage käme - welche von den Kandidatinnen ganz allgemein den Eindruck vermittelt, nicht abgeneigt zu sein, einen ONS zu wagen - und falls ja, ob in dieser Nacht. Scheint der Frontverlauf geklärt, wäre es natürlich von Vorteil in Erfahrung zu bringen, ob sie es mit dir will - das braucht Zeit.
Selbstverständlich erfordert solch ein Unterfangen eine dazu passende und ausgereifte Dramaturgie, die auf jede potentielle Beute speziell zugeschnitten sein sollte - leider, und Gott sei Dank. Leider, weil der Abend, bzw. die Nacht eine begrenzte Anzahl von Stunden hat - und Gott sei Dank, weil einem sonst mit der Zeit der Jagdinstinkt verkümmern würde - unsere Sinne wollen trainiert werden.
Beobachten. Auflauern. Zuschlagen. Und Rückzug ... falls es mal wieder statt des erhofften Stückes Nackenfleisch, nur einen Korb geben sollte. In den meisten Fällen wäre ein Korb - falls frühzeitig abgeholt, aber alles andere als eine Tragödie, sondern eher Glück im Unglück. Dann hätte man immerhin noch genügend Zeit, sich ein anderes Objekt der Begierde zu suchen; wobei ein schnelles ‚Ja’ und ein schnelles ‚Nein’ etwa gleich wertvoll sind. Viele Männer begehen den Fehler, sich von einem ‚Nein‘ allzu schnell entmutigen zu lassen, um dann völlig frustriert Richtung Ausgang zu schleichen - einen Einkaufswagen voller ‚Neins! ‘ vor sich herschiebend. Einfach ignorieren, kann ich in einem solchen Fall nur raten. Mann hätte sowieso irgendwas sagen müssen - früher oder später.
Frauen wollen angesprochen werden; einerseits damit sie sich mit einem ‚Nein!’ rächen können - egal für was, und andererseits glauben die Damen tatsächlich, sich mit ihrem dahin genuschelten ‚Nein!‘ aufwerten zu können, weil sie im festen Glauben handeln, ihren Marktwert - mit jedem weiteren ‚Nein‘, beliebig in die Höhe treiben zu können.
Manchmal wollen sie sich mit ihrem ‚Nein‘, auch nur für eine beschissene Woche rächen. Oder einen beschissenen Tag - was weiß denn ich; auf alle Fälle (da-)gegen. Die stehen lieber den ganzen Abend wie eine Statue im Raum ... und spielen ‚Schöne interessante Frau sucht nicht, sondern lässt sich finden - und wählt dann aus’. In Wirklichkeit gibt es derlei Kombinationen in freier Natur eher selten. Entweder sind sie schön - im Sinn von hübsch, oder sie sind interessant. Die Konstellation ‚schön und interessant’ treffe ich in Discos eher weniger an; es sei denn ... ich helfe meiner Vorstellungskraft ein wenig auf die Sprünge.
Auch wenn’s verpönt ist, als Mann zuzugeben, sich die eine oder andere Frau schon mal schön gesoffen zu haben - wenn’s hilft ...; wüsste jetzt nicht, was dagegensprechen könnte. Damit stehen Männer aber bei weitem nicht allein auf weiter Flur. Frauen trinken Alkohol ebenfalls nicht ausschließlich, weil sie Bock drauf haben bzw. weil sie gerade in bester Stimmung, und somit in Feierlaune sind - und natürlich unglaublich gut drauf;
die schütten sich auch ganz gern mal zu, um überhaupt irgendwie in Stimmung zu kommen. Keiner verdrängt mal eben so - ohne Alkohol, die Realität. Wünsche. Träume. Idealisierte Vorstellungen vom Traumprinzen ... all das Zeug. Als nüchterner Single, ist ein Abend in der Disco eh nur schwer zu ertragen, mit all den händchenhaltenden und sich küssenden Paaren, um einen herum.
Wie auch immer - auf alle Fälle keine Zeit verlieren. Nichts anbrennen lassen. Kann man einigermaßen tanzen, und ist nicht gezwungen, nur so tun - jugendlich, dynamisch und lebensfroh zu sein, dann sollte man verdammt noch mal tanzen, tanzen, tanzen. Frauen stehen auf Männer, die gut tanzen können. Was auch geht, ist, so zu tun, als ob man tanzen könne, aber im Moment keine rechte Lust darauf verspürt - geht relativ easy. Stell dich einfach an den Rand der Tanzfläche, bewege deine Knie ein wenig zur Musik - möglichst rhythmisch, dazu noch etwas Hüftarbeit - wäre von Vorteil, und versuch dabei dein Bier möglichst lässig aus der Flasche zu trinken.
Du wirst dich wundern, wie schnell aus dir ein angesagter Typ wird - der kultivierte Macho mit Herz. Dein gutes Herz werden sie spätestens dann erkennen, wenn du an der gefühlt richtigen Stelle im Lied, bedeutungsvoll die Augen schließt und verhalten mitsingst - dabei aber unbedingt den Kopf weit in den Nacken kippen. An eben dieser Geste, werden sie für sich erkennen - müssen, dass du zweifelsfrei zu starken Gefühlen fähig bist.
Vergiss dabei aber bloß nicht die Lippen zu bewegen! Zeig ihnen ruhig die ganze Palette deiner abrufbaren Emotionen - vom süßen Säuseln, bis zum eruptiven Gefühlsausbruch - von der zarten Emotion, bis zum archaischen Urschrei. Liebe und Leid. Gib ihnen ALLES. Ich kann nur dazu raten, bloß ja nicht mit großen Gesten zu geizen; die hinteren Reihen im Theaterrund werden es dir zu danken wissen - kann sowieso niemand hören, ob du den Text kennst.
Mit dieser kleinen Palette an individuellen Ausdrucksmitteln, dürfte es dir beinah mühelos gelingen, die Damen im Handumdrehen mit deinen Signalen zu füttern, die dann punktgenau - ohne verschnörkelte Umwege, auf sämtliche Knöpfe ihrer Urinstinkte drücken werden. Das wäre schon mal die halbe Miete - im Groben, alles andere findet sich; sorge dich nicht - lebe!
Das Modell ‚Einsamer Wolf beobachtet seine Beute ungerührt ...’, ist längst out. Die Schafe sind es leid, auf den Wolf zu warten, der sich in sicherer Entfernung langweilt, wie sie selbst. Der aktive, listige, attraktive und lustige Wolf ist angesagt - nicht der deprimierte. An Depressionen besteht absolut kein Bedarf - auch Schafe brauchen den Kick. Die wollen den Wolf bei der Jagd beobachten können, um seinen Stil zu erforschen; aber vor allem wollen sie Spaß haben. Den bekommen die Schafe garantiert, sobald sie einen Wolf um sich herumschleichen sehen; die gesamte Zeit über wollen sie sich auf das ‚Nein!’ freuen können, das sie für den Wolf bereithalten.
Wie sich später noch herausstellen sollte, hieß die Frau, die mir - aufrecht und artig, auf einem Barhocker gegenübersaß, Helga. Ab und an lächelte sie in meine Richtung, und ich ...
hoffe das lesen war unterhaltsam. gruß vom max