Der Begriff „Verführung“ lädt natürlich ein, sich nur auf den zweiten Wortteil (oder auf die Gesamtbedeutung) zu kaprizieren. Die erste Silbe „Ver“ geht mir da zu stark unter. Denn beide Teile machen den speziellen Reiz aus. Von der gefühlten Sprachbedeutung taucht die Vorsilbe „ver“ oft dann auf, wenn es um Unklarheit, Unerklärliches, Veränderung, Negatives oder Schwieriges geht –also meist um Unsicherheiten oder Ambivalenzen, die entstehen (vergessen, verloren, verlaufen, vertan).
Die Klassiker positiver Konnotationen mit „ver“ sind verliebt, Verschmelzung, Vertrauen und eben Verführung.
Die Kombination von „Ver“ mit „Führung“ und dem Umgang mit Unsicherheit wird zu etwas sehr intensivem. Führung ist (hier) dafür die Unklarheit und Unsicherheit zu beseitigen. Nur wer führt wen? Ist eine Verführungssituation nicht häufig davon geprägt, dass es eine gegenseitige Unsicherheit gibt (und sei es ‚nur‘ die, ob die Situationsführung angenommen wird). Ist die Verführungssituation also nicht eine beidseitige VERunsicherung in der Führung und das Zulassen von Führung gerade deshalb einen besonderen erotischen Reiz ausübt. Der Tanz auf der Rasierklinge mit pochendem Herzen und Lust und Leidenschaft als Treiber, die jede Verunsicherung ausbremsen? Die Führung ist also kein Selbstzweck und nicht nur leidenschaftsgesteuert. Zusätzlich noch VEReinigung als Ziel.
Verführung ist für mich also auch (!) etwas, das seinen besonderen Reiz dadurch bekommt, dass Unsicherheit verringert wird. Deshalb kann (gegenseitige) Führung im erotischen auch so essentiell sein. Das kann an sich schon lustvoll sein – und wenn einem dann vielleicht ein besonderer Mensch gegenübersitzt, mit dem man sich VERbunden fühlt, dann ist Verführung ein das Festival der Lust.