Der Zauber des Anfangs
Sie war nervös. Und wie. Ein erstes Date, wie sie es doch schon so oft gehabt haben musste – als nichts Ungewöhnliches, eigentlich, als wir uns das erste Mal sahen. Eine neue Männerbekanntschaft, und davon hatte sie – das hatte sie mir gegenüber durchaus äusserst glaubhaft versichert und sogar illustriert – schon einige gehabt. Solche von der harten Sorte, mit Spuren, die noch lange nachwirkten. Sichtbar blieben. Sie stolz machten.«Komm, ich nehme die Tasse Kaffee und trage sie für Dich an unseren Tisch» schlug ich vor, als wir an der Bar unsere Bestellung entgegennahmen. Millisekunden, nachdem dieser Satz ausgesprochen war, fragte ich mich, ob diese Freundlichkeit eine gute Idee gewesen war. «Du darfst nicht zu lieb sein zu mir», hatte sie mich gewarnt. Doch für meine fiese Seite, dafür würde die Zeit noch kommen. Wenn wir es beide wollten. «Keine Angst!» schickte ich hinterher. «Wenn der Schalter um ist, wirst Du mich anders kennenlernen. Ganz anders.»
Warum war ich so ruhig? Ich war über mich selbst überrascht, denn normalerweise war auch ich fürchterlich aufgeregt, wenn ich jemanden das erste Mal traf. Jemanden, mit dem böse Spiele mit der Glut, aus welche wilde Höllenfeuer entfachen, anvisiert waren. Und wir beide dachten daran, dass es so enden – oder besser gesagt, der Anfang davon sein könnte.
Wir setzten uns an den Tisch. Wie beginnt man bloss eine Unterhaltung, wenn man doch schon so viel über seine erotischen Fantasien gesprochen hat, obwohl man sich noch gar nicht kennt? Kann man darüber, über die grossen und kleinen, süss-sauren Schweinereien überhaupt noch sprechen? In der Öffentlichkeit der Ohren, die auf Stichworte hin immer grösser und zahlreicher zu werden drohen? Auf einmal ist die virtuelle Vertrautheit, die so rasch entstanden war, verfolgen. Doch nur über belanglose Alltagssorgen zu sprechen, wäre dies nicht doch auch etwas merkwürdig gekünstelt, nach alledem, was man schon voneinander weiss? Vor dem Hintergrund der Absicht, die beide hegen?
Als hätte eine unsichtbare Hand dessen Steuerung übernommen, entwickelte sich der Dialog wie von alleine. Irgendwann, in der Mitte des Dates, hörte dessen Inhalt auch auf, eine Rolle zu spielen. Sie faszinierte mich in ihrer Art. Tatsächlich, ich könnte mit mir…. wenn sie wollte. Wollte sie?
Die Verabschiedung fiel nicht mehr so kühl aus wie der nervöse Beginn. Doch sie sollte die Zeit haben, die Sicherheit zu haben, den Entschluss zu fassen. Meine Küsse landeten auf dem Mund, nicht auf der Wange. Sie wich nicht aus. Tatsächlich?
Mit einem Lächeln auf meinem Gesicht fuhr ich meines Weges, und als auch sie Zuhause war, schickte sie mir wieder Nachrichten. Sie wolle wissen, wie es ist, wenn ich den Schalter umlege. Wenn ich zum bösen Menschen werde, von dem ich gesprochen hatte. Meine Worte, meine Beschreibungen – sie liessen sie nicht mehr los.
Da war er, dieser süsse Moment, wenn zur Gewissheit wird, dass es passieren wird. Es. Wie passend, denn es war auch Es, das Wesen, die Natur, das Unterbewusstsein, welches entscheiden hatte. Die Worte, die von ihr geschrieben wurden, drangen durch meine Pupillen in mich hinein, flossen meinem Oberkörper entlang hinunter und manifestierten sich im Lendenbereich, spürbar in Form einer leichten Aufregung und dem Wunsch, mit der Hand über die Jeans an dieser Stelle zu fahren. Ja, sie wird gehorchen. Leiden. Aushalten. Und kommen.
Der Zauber des Anfangs. Die Vorfreude. Sie war da.