4. Dichtung oder Wahrheit?
Um 15.30 Uhr stellte Elly die Verbindung endlich wieder her. «Du weisst, was ich jetzt von Dir verlangen werde, Elly. Das Gerät hast Du hoffentlich dabei!» schrieb ich ihr. Sie tippte zurück: «Vergiss es, Du Perversling!»
«Wie undankbar!» antwortete ich mit einem zwinkernden Emoji. «Schliesslich sollst Du entspannt in Paris ankommen. Dein Herr hat ausschliesslich Dein Wohlbefinden im Sinn, das weisst Du doch! Und eine läufige Hündin in Empfang zu nehmen, welche am liebsten jeden Réverbère bespringen und sich daran reiben würde, passt so gar nicht zum dezenten Auftritt, welcher in Paris angebracht wäre.»
Mein Plan war wunderbar aufgegangen – das verunsichernde Spiel zwischen Fiktion und Realität, welches sie immer mehr in ein unübersichtliches Dickicht wickelte. Elly fragte sich bestimmt, ob die Männer nebenan vom Inhalt des Buches wussten. Was wussten sie überhaupt? Oder waren sie nur Strohmänner, die einen simplen Auftrag auszuführen hatten?
«Auf diese Weise, Dom G., habe ich keine Lust auf auch nur den Hauch von Erotik», trotzte sie. «Les enfants qui mentent ne vont pas au paradis.» schrieb ich zurück. Wieder einmal waren Vernunft und Körper meiner Sub in Dissonanz, ich wusste es haargenau und überdies war klar, wer gewinnen würde. Elly war sich dessen genauso bewusst, auch wenn sie sich das nie eingestehen würde. «Gegen Dein Unterbewusstsein hast Du keine Chance, Du launische Göre. LOS!!! Ich könnte mir keine bessere Verwendung der 220 Volt Steckdose in der Seitenwand des Zuges vorstellen. Oder hat Dir meine Geschichte etwa nicht gefallen?»
Ich sah, wie Elly sich vom Sitz erhob und aus ihrem Rollkoffer den Magic Wand holte. Dann aber lief sie weiter zum Wagenende und versuchte, die dortige Toilettentür zu öffnen. Doch diese war verschlossen. «Elly, Du wirst es auf Deinem Sitz tun!» Sie reagierte nicht und rüttelte heftig an der Türe, als ob das irgendetwas ändern würde. «Elly! Das ist ein Befehl!»
Unverrichteter Dinge schlich sie langsam zurück an ihren Platz und setzte sich. Ich versuchte, sie etwas zu beruhigen: «Das Rollgeräusch des Waggons wird den Magic Wand übertönen – mach Dir keine Sorgen!» Elly antwortete rasch: «Ich kann unmöglich den Sitz hier nässen – das wäre eine riesige Sauerei, selbst wenn es Leder ist!». Mit dieser Eventualität hatte ich gerechnet. «Nun Elly, so klug Du scheinst, Du hast die Ausweglosigkeit des Moments dennoch nicht begriffen. Du wirst nun halt die Herren neben Dir freundlich fragen, ob sie ein Taschentuch übrighaben. Ich bin fast sicher, dass dem so ist. Dass Du damit unnötig Aufmerksamkeit auf Dich und Dein Vorhaben lenkst, ist durchaus ein pikantes Detail. Aber damit wirst Du bestimmt umzugehen wissen.»
Für einen Moment regte sich Elly nicht, doch ich kannte sie zu gut – ihre Reaktion war ein zuverlässiges Zeichen dafür, dass innerlich kochte und gleichzeitig etwas ausheckte, nachdem der Plan mit der Toilette nicht aufgegangen war.
Erst einige Minuten später erhob sie sich vom Sitz und sprach die Herrenrunde tatsächlich an. Einer der Herren griff in seine Aktentasche und überreichte Elly ein ganzes Päckchen Papiertaschentücher. Mit diesem in der Hand lief sie erneut zu ihrem Rollkoffer und holte sich diesen an ihren Platz. Sie stellte ihn auf den Sitz zwischen ihrem Fensterplatz und dem Gang und öffnete ihn. Nicht, um dort irgendetwas herauszunehmen – den Magic Wand hatte sie ja schon vorher geholt. Ihre Absicht war offensichtlich, sich durch den Deckel vor den Blicken der Männergruppe zu schützen. «So eine hinterhältige Hexe!» schimpfte ich laut vor mich hin.
In der Folge legte sie ihre Sitzfläche mit den Taschentüchern aus, steckte den Magic Wand an die Stromquelle und, nachdem sie sich versichert hatte, dass sie wirklich nicht beobachtet wurde, setzte sie ihn in Gang. Dann zog sie ihren Rock hoch und installierte sich bequem. «Beug Dich nach vorne, damit ich alles sehen kann!» befahl ich ihr per Messenger. Elly folgte und vermittelte den Eindruck, als sei es ihr auf einmal ganz Wohl in ihrer Haut. Sie wiegte sich in Sicherheit, konnte ihre durch die Literatur aufgestaute Lust ungestört befriedigen und dem Wunsch ihres Herrn – nach ihrer Lesart – entsprechen. Der Massagestab verrichtete seinen Dienst offensichtlich hervorragend – ich konnte den nebelfeuchten Glanz zwischen Ellys Beinen erkennen und wie sich am Massagekopf das Licht der Sitzplatzbeleuchtung spiegelte. Die wunderschönen Beine, ihre makellose Haut. Wie sehr ich mich auf sie freute. Sie, dieses mich immer faszinierende, unberechenbare Wesen wieder in meinen Armen zu halten, und diesmal ohne die Gefahr unerwünschter Komplikationen. Entspannt, an einem anderen Ort und vor allem für mehr als nur für ein paar Stunden.
Immer wieder bewegte ich ihre Grenzen weiter hinaus, hinweg über das, was sie sich je hätte vorstellen können. Frühere NoGo hatten sich zum Standard entwickelt, sie forderte sie sogar regelrecht ein. Diese Venus mit perfekten Proportionen, die sie durch ihre gekonnte Wahl der Kleidung stets betonte, überraschte mich mit ihrer Gier jedes Mal – wenn erst Mal der anfängliche Widerstand gebrochen war und nicht mehr die Logik, sondern ihre Gefühle das Ruder übernommen hatten. Bald schon würde ich sie in meinen Händen halten, welche ihren Brustkorb fest umfassen und ihr die Sicherheit meines starken Willens, meines Begehrens vermitteln. Mit dieser Tagträumerei reicherte sich das im persönlichen Livestream zutragende Schauspiel zu einem Erlebnis an, welches meinen Körper ebenfalls nicht nur einfach erfasste, sondern in Aufruhr versetzte. Meine Hand glitt langsam in meinen Schritt.
Ellys Körper bebte, die Kamera bewegte sich immer heftiger, folgte der Auf- und Abbewegung ihres Oberkörpers, deren Frequenz sich laufend steigerte. Sie begann, das Becken zu heben. Es musste aus ihr raus, der Wunsch nach Erfüllung war übermächtig. Und tatsächlich kam Elly, mit ein wenig Flüssigkeitsaustritt, der von der unter ihr liegenden Vorsichtsmassnahme zuverlässig aufgefangen wurde. Sie betätigte den «On / Off»-Schalter des Gerätes, legte es zur Seite und liess sich in die Rückenlehne des Sitzes zurücksinken. Den Rock rückte sie dabei wieder zurecht.
Wissen konnte ich es nicht, aber ich mutmasste, dass sie ihre Augen geschlossen hielt, um die Sekunden auch der letzten Orgasmuswellen durch ihren Körper bewusst wahrzunehmen – den Moment des Genusses des Triumphs, des «Entkommens» vor einer Situation, vor welcher ihr gegraust hatte, auszukosten.
Doch sie hatte etwas übersehen.
Als sie sich aufrichten und zwecks Kontrolle zur Männergruppe blicken wollte, zuckte sie zusammen. Der Mann, welcher ihr die Taschentücher gegeben hatte, stand im Gang direkt neben ihr und fixierte sie mit verschmitztem Lächeln. Hatte er etwa alles mitbekommen? Alles beobachtet, ohne, dass sie es in ihrer Hitze, mit geschlossenen Augen und im Mix der Geräusche des Zuges und des Magic Wand bemerken konnte? Mit hektischen Bewegungen prüfte sie den Sitz ihres Rockes, ergriff dann den Magic Wand, legte ihn in den geöffneten Rollkoffer, schloss ihn, bat den Mann auf die Seite und eilte zur Kofferablage, wo sie ihn wieder verstaute. Dann steuerte sie, ohne nur einen Blick zurück zu riskieren, die Toilette an. Jetzt war sie frei. Elly trat ein und verriegelte die Türe hinter sich und sank auf den Klodeckel.
Ich liess sie schmoren und sah davon ab, in diesem Augenblick des Schocks weitere Nachrichten oder Instruktionen zu senden.
Wenig später, genau nach Fahrplan um 15:59 Uhr, fuhr der Zug in Dijon ein. Elly blieb auf der Toilette. Hoffte sie etwa, dass die Herren nicht mehr da sein würden, wenn sie zurückkehrte? Oder musste sie sich einfach beruhigen? Als der TGV seine letzte Etappe nach Paris in Angriff nahm und die Weichen des Bahnhofs hinter sich gelassen hatte, verliess Elly die Toilette und lief unsicheren Schrittes in Richtung ihres Platzes. Und tatsächlich: Von weitem war keiner der Männer erkennbar. Waren sie in Dijon ausgestiegen? Je mehr diese Vermutung zur Gewissheit wurde, desto federnder wurde ihr Schritt. Als sie dann bei ihrem Sitz angekommen war, sah sie, dass die Männer wirklich weg waren, mitsamt deren Gepäck. Zu ihrem Estaunen war der Tisch vor ihrem Sitz aber ausgeklappt, obwohl sie ihn sicher nicht so zurückgelassen hatte. Darauf befand sich eine Münze.
Es war die Münze!
Auf der einen Seite eine Triskele aus Stacheldraht, den Rosen in den drei Innenflächen. Auf der anderen die sich kreuzenden Ketten, mit der Inschrift «Dom G.» und «fidelis aeternam» – ewige Treue. Es konnte nur einer der Männer gewesen sein, der sie dort hingelegt hatte. Oder war da noch jemand anders? Elly blieb stehen, unsicher schwankend. Zufrieden dachte für mich: Eine Sub sollte nie die Rechnung ohne ihren Dom machen. Never ever.
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Fortsetzung am Samstag hier und auf meinem Blog
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