Santa Maria Novella
«Zweiter Weltkrieg» war mein erster Gedanke, dann «Technik-Museum», dann «Irrtum», ... erst als das dunkelgrüne Etwas dann schleifend, knirschend, metallen-krank zum Stillstand kam, liess es sich anhand der Typenbezeichnungen an der Unterseite der Wagen zeitlich einordnen. Späte 1960er also, mille grazie. Aber eigentlich war es auch völlig egal, was Trenitalia in welchem gottverlassenen Arsenal an Rollmaterial gefunden hatte, so lange es mich als Ersatz für den kollabierten HighTech Zug FrecciaRossa (dem Werbefuzzi, der sich «Roter Pfeil» hatte einfallen lassen, wünschte ich einige Jahre fettes Fegefeuer in der Lust/Frust, mehr/Meer, Raum/T(r)aum-Hölle) nach Florenz Santa Maria Novella bringen würde. Erst mal drin, hatte ich mich schnell mit dem alten Ding angefreundet: Niemand weit und breit, charmante 6er-Abteile und die einzig zuverlässige Klimaanlage der Menschheitsgeschichte: ein grosses, grosses, grosses, und auch noch von den Reisenden zu öffnendes Fenster... Ich hatte keine Eile, Trenitalia sowieso nicht, vertiefte mich in «Nachtzug nach Lissabon», als ein riesiger Rucksack rückwärts durch die Tür gestiefelt kam, mit schönen, braunen Beinen unten dran, die in klobigen Wanderschuhen steckten, wie in Beton gegossen...Ein paar Sekunden später kam das Gesicht dazu: Fröhlich, Mitte 20, hübsch, mit vielen Sommersprossen, die ihr mit der leichten Bräune katalogmässig gut standen, dazu ein Batikkleid mit wildem Blumenmuster. Sie breitete sich und alles aus, ich war baff, was der Rucksack alles ausspuckte, Laptop, Kabel, Powerbank, Strassenkarte, Reiseführer - ganz old school, print, mit farbigen Zetteln an den wichtigen Stellen, also Dingen und Orten ohne Touristen, oder wenigstens ohne d e u t s c h e Touristen. Sie erzählte viel, ihre Pläne heute, morgen, in einem Jahr - weiter plant ihre Generation nicht, sagte sie ernst. Wir stellten fest, wir mögen beide «Game of Thrones» auf eine liebevoll-ironische Art... lachten viel in der Erinnerung an vergangene Staffeln, tauschten unsere Lieblingsfiguren aus. Sie: Arya Stark. Ich: Hodor ... waren kurz traurig über das Serienende und freuten uns, dass mit «The Witcher» immerhin ein GoT für Arme eine Fortsetzung bekommen hatte.
Irgendwann verebbte das Gespräch ein wenig, kam schliesslich ganz zum Stillstand, ohne dass die Stille unangenehm gewesen wäre, Schatten von Masten und Signalen warfen Muster auf ihr Gesicht, wir sahen uns hin und wieder an, sie über den Rand eines Tourist Guides hinweg, ich, ein wenig verlegen, ein wenig neidisch auf ihre Jugend und ihr Leben, das nach dieser Zugfahrt ohne mich weiter gehen würde. «Hey, das muss ich dir noch zeigen», rief sie plötzlich, sprang auf und der Reiseführer - weil ihre Handflächen feucht waren oder es einen kosmischen Plan gab - glitt ihr aus den Händen, wirbelte durch die Luft, die Erde drehte sich völlig wider Erwarten weiter und er blieb mit den aufgeschlagenen Seiten «Geheimtipps» genau zwischen uns auf dem Boden liegen...
Wir beugten uns gleichzeitig vor und nach unten, ihr Kleid gab den Blick auf zwei wunderschöne Brüste frei, braun die Haut, weiss, dort wo ein Bikini die Sonne abgehalten hatte, in der Mitte, die Warzen und Höfe in rosa Variationen. Es war hypnotisch, ich hätte ein anderer, besserer, tugendhafterer Mann sein müssen, um zu widerstehen, nicht hin zu starren, zu glotzen wie ein Mondfisch. Sie sah mich an, sah mir direkt in die Augen, und etwas, das ich nicht benennen konnte, veränderte sich in ihrem Blick, als sie fragte: «Gefällt dir, was du siehst?» «Ja, aber...», stammelte ich mehr, als dass es ein brauchbarer Satz war, und weil es mir Zeit verschaffte, für Intelligenteres, was nie kam, gleich nochmal, «Ja, aber...».
Sie legte mir den Zeigefinger auf die Lippen. «Weisst du nicht mehr, das wunderbare Zitat aus Game of Thrones?» «Mein Bruder sagte mir einmal, dass nichts was jemand vor dem Wort Aber sagt, wirklich zählt.» Sie nahm meine rechte Hand, führte sie ins Innere ihres Kleides, legte sie auf ihre linke Brust und küsste mich hart auf den Mund.
Ich war nicht wirklich darauf vorbereitet, richtete mich ruckartig auf und blieb wie eine leere Hülle stehen. Sie setzte sich unter das Abteilfenster, zog mich am Gürtel zu sich heran, fuhr nur ganz kurz die Konturen meines Schwanzes nach, holte ihn heraus, und begann mich zu blasen. Die Lippen eng geschlossen, die Hände hinter dem Rücken gekreuzt, ihr Kopf im langsamen Rhythmus vor und zurück. Ich stand jetzt vor dem Fenster, hielt mich im ruckelnden, zuckelnden Waggon an den Fenstergriffen fest. Sie war gut, es war gut. Draussen zog langsam die toskanische Landschaft vorbei, während ich diese bildhübsche Frau in den Mund fickte, ich schaute nach unten in ihre Augen - und ich wusste, einen besseren Moment würde es in meinem Leben nicht mehr geben. Während ich die Kontrolle abgab und langsam schneller stiess, verlor der Zug auf seltsame Art an Fahrt. Wir passierten einen ländlichen Bahnhof, fast im Schritttempo, ich hatte den point of no return längst überschritten, am Bahnsteig, eine alte Frau, vielleicht eine Bäuerin, ein Korb mit Kirschen und ein kleiner Hund, sie sah mich durch die Scheibe an, lächelte und nickte sanft mit dem Kopf, als ob sie mir Segen und Absolution erteilen wollte - und ich schoss ab, ab, ab, ab, ab.