Maelstrom

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Maelstrom oder Vortex klingen viel besser als Strudel. Auf Strudel folgt Vanillesauce, in der die schwarzen Körner der Vanille noch sichtbar sind. Strudel klingt nach “ich habe ein Stück zuviel davon gegessen” und auch das kann zur Verzweiflung führen, aber zu einer anderen. Einer, die mit einem guten Spaziergang an der frischen Luft heilbar ist.

“Die kreis- oder spiralförmige Bewegung des Wassers reißt den Schwimmer mit sich und zieht ihn auf den Grund. “

Wenigstens die Beschreibung im Lexikon erfasst die Sache im Ergebnis richtig. Nur dass bei dem Maelstrom, den ich meine, die Bewegung nicht kreisförmig ist. Sie ist nicht einmal linear und schon gar nicht kontinuierlich. Sie kann nachlassen und nicht mehr wahrnehmbar sein. Wir haben den Eindruck, dass die Kraft verschwunden ist.

Bis wir es nicht erwarten und die Energie uns überraschend die Beine unter dem Körper wegreisst und wir uns in den freien Fall bewegen. Und es geniessen.

2

“Kontingent ist etwas, was weder notwendig noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist” [1].

Die Begegnung mit einem anderen Menschen ist doppelt kontingent. Das Gegenüber kann aus einem unendlichen Arsenal an Handlungsoptionen wählen. Oder keine. Genau wie der andere Partner. Alles ist möglich und unmöglich zugleich.

Neugier und Angst sind die Konsequenz: Neugier, welche Option das Gegenüber wählt, Angst, dass es gar keine wählt. In dieser Unsicherheit liegt auch der Reiz der ersten Begegnung: Es ist nicht vorhersehbar, was wird, denn es könnte alles sein - oder nichts.

Die Auflösung der Kontingenz wäre einfach: Kommunikation. Ich kann darüber sprechen, was ich wünsche und mir vorstelle - und das Gegenüber genau so. Das Hinarbeiten auf diesen Moment der Klärung ist erregend, aufregend und spannend, bis man endlich gemeinsam auf dem Weg in das Zimmer ist. Manchmal deutlich - “ficken?”, manchmal subtiler: “Lust zu spielen?” oder “kommst Du mit?”.

3

Wir spüren genau, wir wissen genau, wie falsch die Bewegung ist. Der Maelstrom zieht uns nach unten, Wasser füllt unsere Lungen doch wir atmen so tief und erfrischend wie noch nie zuvor. Wir tauchen unter und wissen, wir sollten auftauchen.

Wir sollten aufhören, dieses Wasser zu atmen und zur Luft zurückkehren, die wir kennen, zu unseren Freunden, zu unserer Familie, unserm Leben im Alltag. Die Bewegung macht uns schwindlig und das Gefühl der Freiheit in diesem Wirbel, das Gefühl eine Kostbarkeit für uns gefunden zu haben, macht süchtig.




4

“Ein Hund, der einmal Wild gerissen hat, wird es immer wieder tun.”. Die Jagd hinterlässt ihren Eindruck tief in unserem Inneren. Das Spiel mit der Spannung, die Angst, der Schweiss der Anstrengung. Wir beobachten genau und ergreifen die Chance, wenn sie sich bietet. Bis sie daliegt und “bitte fick’ mich” sagt, ihre Pupillen sich weiten, als ich langsam in sie eindringe. Die Frau des anderen. Es ist der Kick des Verbotenen, des Unkonventionellen, des Wissens um die Unaussprechlickeit dessen, was wir gerade tun. Sie wird am nächsten Tag wieder in ihrem Alltag stehen und niemand wird ahnen, dass sie am Tag zuvor das willige Fickstück eines fremden Mannes war. Männer werden sie lustvoll und begehrend ansehen und nicht ahnen, dass sie noch vor vierundzwanzig Stunden aufgelöst, mit zitternden Beinen in der Dusche in einem hellen Hotelzimmer kniete und “piss mich an” flüsterte. Der Geschmack war bitter, salzig. Er versprach, das nächste Mal mehr zu trinken.

5

Das nächste Mal. Die nächste Nachricht. “Hat er geschrieben?”, fragt ihr Mann. Schweiss auf ihren Fingerkuppen. “In zwei Wochen ist er da”, antwortet sie. Es spürt ihre Erregung und erinnert sich an seine eigene, als sie im erzählte, was geschehen war. “Was hat er vor?”, fragte ihr Mann - “er will meinen Arsch”. Noch eine Premiere. Nie zuvor hatte sie ihre Zung im Po eines Mannes versenkt, nie zuvor in der Dusche gekniet und geschluckt. Und jetzt würde es das erste Mal ein fremder Schwanz in ihrem Po sein.

6

Maelstrom oder Vortex. Jede Nachricht zieht uns in diesen Strudel. Und während wir genau wissen, dass die Luft das ist, was wir atmen sollten, überschwemmt das Verlangen nach dieser Erfüllung, diesem Ausbruch unseren Körper.




[1] Niklas Luhmann, Soziale Systeme, 152.