Die Gemeinschaft (1)
“All inclusive oder zahlst Du die Getränke separat?”, fragte mich die ziemlich junge und ziemlich anziehend gekleidete Dame am Tresen. Ich war definitiv nicht zum Trinken hier und sagte fast schüchtern: “Separat, die Getränke”, zahlte meinen wirklich geringen Eintritt, nahm den Schlüssel in die Hand und ging in den Gang zur Umkleide. Vorher hatte sie mir ausführlich erklärt, wie es in diesem Club zuging, mir eine Führung angeboten (die ich aus Scham abgelehnt hatte) und mir mehrfach gesagt, dass ich jederzeit und zu allem “Nein” sagen könnte. Wobei, das hatte sie betont, heute nur Paare und einzelne Damen eingeladen seien und es deswegen ohnehin ruhiger und stressfreier zugehen würde. “Die anderen Abend sind besser, wenn Du genau weisst, was Du willst”.
Ich öffnete den Spind, und begann mich auszuziehen, legte die Wäsche bereit. Ich mochte den Geruch meines Körpers, hatte zu Hause noch schnell geduscht und mich eingecremt, meine Haut war samtweich, die Reizwäsche fand ihren Platz wie von alleine. Meine Fingerspitzen strichen noch einmal über die erst vorgestern epilierte Scham und ich genoss sowohl das Gefühl der glatten Haut als auch das Gefühl meiner Fingerspitzen auf dieser glatten Haut..Win-Win sagt man dazu wohl.
Bevor ich das kleine Schwarze überzog, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich hatte meine Haare zum Zopf zusammengebunden, was mich irgendwie noch schlanker machte, obwohl ich keine Komplexe hatte.
Was würde mich hier erwarten? Dani wollte immer in einen Club, hatte das Thema in den zwei Jahren, in denen wir zusammen waren, regelmässig wieder aufgebracht. Ich wusste zuerst nicht, wie ich damit umgehen sollte. Aber mir wurde schnell klar, dass er tatsächlich neugierig war. Was waren da für Menschen, hatte ihn beschäftigt. Als ich ihn fragte, ob er sich vorstellen könnte, dass ich mit einem anderen Mann Sex haben würde, wurde er ruhiger. “Wir können ja erstmal gucken” - aber damals wollte ich nicht, ehrlich gesagt machte mir die Vorstellung eher Angst. Ich hatte ohnehin keine Lust, angebaggert zu werden, anzügliche Blicke auf meinem Körper zu spüren oder in Gesprächen zurückweichen zu wollen (und es zu tun), wenn mir ein Mann zu nahe kam.
Nach der Trennung hatte ich monatelang kaum Lust, überall in meinem Leben waren Spuren von Dani, die ich wie mit dem Seziermesser aus meinem Alltag heraustrennte. Erst der Umzug in die andere Wohnung bot mir die Gelegenheit, endgültig abzuschliessen. Im Rückblick beeindruckend, wie viele Spuren er, wir, in dieser doch kurzen Zeit hinterlassen hatten.
Aber irgendwann kam die Lust wieder. Ich fing wieder an, mit mir zu spielen und probierte aus, wie mein Körper reagierte, las, probierte, las, genoss. Ich entdeckte erotische Geschichten und sass jetzt regelmässig auf dem Sofa, in der einen Hand das Tablet, die andere an meinem Körper. Ich suchte meinen G-Punkt und schaffte es irgendwann.
Die Geschichten drehten sich immer mehr um das Spiel mit mehreren und der Gedanke faszinierte mich - wie würde es sein, mit zwei Menschen, sei es ein Paar oder seien es zwei Männer, zu spielen? Wie würden sich zwei, drei Schwänze an mir und in mir anfühlen? Würde ich die Umarmung und die Nähe einer Frau geniessen, wie schmecken andere Frauen eigentlich?
Ich begann, mich mit Clubs zu beschäftigen und lernte, was HÜ, Paareabend, Mottofeten sind. Ich sah, dass ich als einzelstehende Frau als Unicorn fast überall fast kostenlosen Zutritt hatte und dachte mir: Je teurer, desto besser.
Wenn ich am Wochenende mit dem Auto unterwegs war, erkundete ich die Gegenden, in denen die Clubs waren - wie zufällig führte mich der Weg von meinen Eltern oder von Freunden, vom Sport, in ein Gewerbegebiet, ich hielt kurz an und betrachtete das Gebäude.
Das, in dem ich jetzt war, hatte einen gepflegten Eindruck gemacht. Das Innere hielt das Versprechen, es roch angenehm, es war warm, sauber, ordentlich.
Und jetzt stand ich hier, zugegeben mit weichen Knien, ein wenig aufgeregt, ich spürte die Nässe unter meinen Achseln und hoffte, dass das Deo sein Versprechen hielt.
Ich war viel zu früh, bemerkte ich schnell. Der Club war fast leer. Zwei, drei Paare sassen jeweils zu zweit zusammen und unterhielten sich. Ich nippte an meiner Cola und wurde von den anderen Gästen immer mal wieder beobachtet, aber niemand sprach mich an.
Der Barmann versuchte ein Gespräch, aber ich war nicht in der Stimmung und fühlte mich unsicher, unwohl, beobachtet. Es klingelte dann öfter, langsam kamen mehr Paare. Ich entschloss, auf Entdeckungstour zu gehen.
In jedem Raum, den ich betrat, zog ich kurz Aufmerksamkeit auf mich. Doch dann spielten sie weiter. Ich beobachtete Paare, die wunderschön miteinander schmusten, andere fickten. Ich sah eine Frau auf einem Gynstuhl, um sie herum drei Paare, die Männer nahmen sie abwechselnd, während die Frauen ihre Brüste streichelten oder nur zusahen. Ich hörte Orgasmen und stöhnen und sah, wie entspannt die Stimmung im grossen Duschbereich war - und ich wurde völlig in Ruhe gelassen. Betrachtet, bewundert, aber sonst: Nichts.
Später, zurück zu Hause, würde ich einen der intensivsten Orgasmen überhaupt haben, als ich an den Abend zurückdachte und mir vorstellte, in jeder einzelnen Szene die Frau gewesen zu sein.
Aber noch war ich da, hatte Lust und Angst zugleich und wollte, dass etwas passiert. Aber es passierte nichts.
“Wie wird man Teil von dieser Gemeinschaft?”, fragte ich schliesslich einen Herren, vielleicht um die fünfzig, der an der Bar auf die bestellten Getränke wartete. Ohne “hallo”, ohne “Ich bin..”, einfach so.
Er musterte mich. “Das ist einfach und zugleich eine grosse Hürde”, sagte er. “Du erkennst die Mitglieder an diesem Band”, er zeigte mir ein blaues Band an seinem Handgelenk, “die gehören alle dazu”. Ich blickte ihn ratlos an.
“Wenn Du Teil der Gemeinschaft bist, bekommst Du dieses Band”, beantwortete er meine unausgesprochene Frage. “Und..wie..”.
“Es gibt so etwas wie ein Ritual”, sagte er. “Nicht fest geplant, keine schwarze Messe oder so, Du musst nichtmal irgend jemandem Deinen Namen sagen, das läuft viel freier. Die Gemeinschaft möchte sehen, dass Du Teil sein möchtest, dass Du aus freien Stücken dabei bist.” Er liess den Satz im Raum stehen.
“Aber wie läuft das ab?”, fragte ich. “Ganz einfach gesagt: Du kannst hier jeden Abend den Prozess starten. Sag’ bei der Kasse, dass Du dabei sein möchtest. Und danach hängt es nur von Dir ab”.
“Wir nehmen diejenigen auf, bei denen wir spüren, dass sie bereit sind, sich auf die Gemeinschaft einzulassen. Das ist ein Swingerclub. Um Teil der Gemeinschaft zu werden, zeigst Du uns an einem Abend, dass Du bereit bist zu spielen. Du musst nicht mit jedem spielen, aber Du solltest deutlich zeigen, dass Du Lust hast, Dich auf die Gemeinschaft einzulassen.”
“Mit Spielen meinst Du..” .. “Sex haben, genau. Wenn Du magst, mit den Frauen, auf jeden Fall mit den Herren.” - “Wie funktioniert das bei den Paaren?” - “genau gleich”, erklärte er, “wir hatten am Abend des Rituals so viel Sex wie noch nie, mit ganz unterschiedlichen Menschen. Einige, die wir ausserhalb der Gemeinschaft nie angesprochen hätten, waren wahnsinnige Erlebnisse”.
“Zum Beispiel?” “Wir waren mit einem viel älteren Paar auf der Matte und waren nur überrascht. So viel Hingabe und Spielfreude von beiden - und er wusste, wie er meine Partnerin zum Squirten bringt, denn seine spritzte wie verrückt ab. Wir haben es hinterher die Schwimmstunde genannt und hatten einige Mühe, die Matte zu trocknen und zu reinigen. Ohne das Ritual hätten wir eine der lustvollsten und geilsten Szenen nie erlebt..”.
“Meine Frau wartet, vielleicht bist Du ja nächste Woche bereit”, warf er mir zu und verschwand in dem hinteren Teil des Clubs.
War ich dafür bereit?