Die Fängerin im Maisfeld
Naguut, ich versuch das mal zum Vorlesen für Nicht-Joyler zu hacken....
Es begab sich also zu der Zeit, dass es ein Wacken gab. Und der kleine Demo - ok, er war da schon so ein bisschen Ü30
- dackelte eines späten nachmittags allein vom Camp Richtung Infield.
Vorbei kam er an einem nahe am Weg stehenden, einsamen Dixie. Drin war etwas viel einsameres, wie sich noch zeigen wird. Jedenfalls, und das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit, stolperte genau im Moment des Passierens aus jenem Plastikbunker ein rundliches, rothaariges Mädchen und konnte sich gerade noch an des Demos beledertem Arm festhalten.
Olfaktorisch fiel dabei nicht die vorherige Verrichtung, sondern ein Alkoholfähnchen auf. Äh, nein - das war ein ausgewachsenes Stadionbanner! Madame flirtete mich sofort an, und erklärte auch, dass sie gar nicht das Dixie wie vorgesehen nutzen wollte, sondern sich da nur ne halbe Stunde vor ihrem Freund versteckt hatte. Und mit dem wolle sie eh Schluss machen, weil er so ein Arsch und dauernd blau wäre, etc. pp. - das hat man ja schon mal irgendwo gehört. The Truth, Motherfucker (Clawfinger) - Festivals bringen die oft zum Vorschein.
Miss Red wollte eine Mittelalterband auf der Party-Stage sehen, und bis zu meinem Fave - den ich vergessen habe - war noch Zeit. Also auf der alten Plaza rechts abgebogen, uuund: Stau. Damals gab es noch den Knick (Hochdeutsch: Böschung) zwischen True- und Party-Stage. Und das war echt bedrohlich, ich habe so ein Gedränge erst wieder 2008 beim ersten Auftritt von Maiden erlebt. Bestimmt 20 Minuten schoben die Menschen sich so hin und her, und Red ließ sich natürlich nur von mir schubsen.
"Wenn wir hier rauskommen, scheißen wir auf die Band und suchen uns ein Maisfeld" schlug sie dann irgendwann vor. Die gab es damals noch, und sie wurden fleißig genutzt. Nur leider wusste die Dame sicherlich nicht mehr, was sie tat, und die Aktion schien mir nahe am Missbrauch gelegen. Entwarnung: Später stellte sich immerhin heraus, sie war 19.
Das erste bisschen Luft im Menschenbrei nutzte Red dann nicht zur Flucht, sondern um sich umzudrehen und ein heftiges Geknutsche
anzufangen. Zum Glück war ich vorher bis auf die Mittagshalbe nüchtern, danach nicht mehr. Und der Flash... ach, was soll ich lügen: Ich habe mal manuell überprüft, wie effektiv ihre vorherige Hydrierung war. Stellte sich raus: Sehr effektiv! Überall. Und zunehmend mehr. Zum Glück hatten die Fans wieder so weit aufgeschlossen, dass das keiner mitbekam. Und um Handys zu zücken war´s auch zu eng.
Endlich drin - also im Infield vor der Party-Sage, iss klar - war zu meiner Erleichterung die Band nicht so motiviert. Red natürlich schon. Aber Platz war endlich, also zwei 1-Liter-Masskrüge mit frischem Quellwasser besorgt. Und versucht, einen halben in mich und den Rest in Red einzufüllen. Das klappte auch halbwegs, und das Wort "Maisfeld" wurde immer klarer artikuliert.
Auftritt Karl Valentin: "Mögen hätten wir ja schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut". Weil: Meine Freundin lag mit Migräne im Zelt, und ihr Depp war irgendwo vor sich hin wüten. Und sie noch immer noch nicht ganz zurechnungsfähig. Zum Glück gibt es auf Festivals da immer ein Ablenkungsmanöver: Die Musik! Und ich wollte eh die mir immer noch entfallene Band auf der anderen Bühne sehen. Also alles Know-How über die Kapelle ausgepackt, von Song X und Gitarrist Y geschwärmt. Das war überzeugend, und der Weg auch frei. Also los, zur Band.
Dorthin unterwegs noch zwei Tüten Pommes geschnappt, die im Schatten des FOH verzehrt, und dann das Konzert genossen. Red erzählte von ihrer Beziehung zur Musik. Sie war nämlich Violinistin auf irgendeinem Elite-Konservatorium, aber eben auch Metallerin. Also wurde sie dort von den Klassik-Kollegen gemobbt, und von ihrem "Freund", weil sie das "falsche" Instrument spielt. Weil der Zuhörer auch etwas Ahnung von Musik hat, und Frauen sogar auf die Finger guckt, war das durchaus glaubwürdig.
Die Band war ziemlich gut, hat aber alle meine Lieblingssongs schon in der ersten Hälfte abgefeuert. Also Zeit, Madame mal die Gesamtsituation zu erklären, und sie zumindest zum Essen einzuladen. Hey - das war also so eine Art "Reverse Date"
Wir futterten also im Biergarten noch ein wenig, quatschten noch mehr, und nach all dem vorher gewesenen und nicht gewesenen schien´s, als wären mit dem Abend doch beide zufrieden. Weil mein Handy immer sicher verstaut ist, malte sie mir ihre Mailadresse auf einen Zettel.
Man hakte sich unter, schlenderte Richtung der jeweiligen Campgrounds, verabschiedete sich nett - und, ihr habt´s erraten, hörte nie wieder was voneinander. Die Mailadresse stimmte zwar, nur Antwort gab´s keine. Nicht so schlimm, vermutlich hatte ich recht, und das alles war nur eine alkoholisch und beziehungstechnisch bedingte Übersprungshandlung. All good.
Und natürlich steht das hier alles nicht, um zu zeigen, was für ein unglaublich moralischer und treuer Ritter der kleine Demo ist. Dem war in dem Moment aus vielen Gründen nur einfach nicht so. Es steht hier, weil ich´s für eine lustige Festival-Geschichte halte, die vielleicht etwas aus dem Rahmen fällt.