Sich das Wandern zurückerobern
Ich bin schon immer gern gewandert. Schon als Kind bin ich mit meinem Vater längere Strecken unterwegs gewesen, ich glaube, die längste war so dreißig Kilometer, und für eine Zwölfjährige war das schon ganz schön.
Später, als ich dann erwachsen war und Pferde hatte, hab ich immer von langen Wanderritten geträumt, und ich hatte auch die passenden Pferde und mir im Lauf der Zeit eine Ausrüstung angeschafft … Gaskocher, Campinggeschirr, Wanderreitsattel, Satteltaschen usw. … aber ich hatte nie genügend Zeit, mich intensiv vorzubereiten und es dann auch zu machen. Aber immerhin habe ich einige kurze Strecken geschafft, manchmal sogar mit Übernachtung.
Aber auch ohne Pferde, nur mit dem Hund, bin ich immer gern zu Fuß unterwegs gewesen, und hatte auch Wanderkarten, also die ganz großmaßstäblichen 1 : 25 000 mir angeschafft, wo ich dann, erst mit rotem Filzstift, dann in Natura, meine Kreise gezogen hab. Und die Strecken bin ich am liebsten in einem großen Kreis gegangen, so dass ich nicht die selbe Strecke zurückmusste … und rund um das Dorf sahen die Strecken dann aus wie die Blätter einer Sonnenblume, mit unserem Haus im Mittelpunkt. Schön.
Als ich dann 2014 den schweren Reitunfall hatte, wo ich den Hals und den Rücken gebrochen hab, konnte ich mich lange Zeit kaum bewegen, und das Gehen hat mir zuviel Mühe gemacht, um auch noch Spaß dran zu haben. Und dann im Lauf der Zeit aber, und auch weil der Hund mich immer gedrängt hat, hab ich wieder angefangen, ein bißchen länger zu laufen, auch mit Mühe, und obwohl mir jetzt mittlerweile mit fünfundsechzig die Füße wehtun beim Laufen, manchmal auch die Hüfte Probleme macht oder der Rücken, hab ich schon allein aus, lach, Gewichtsgründen mich immer angehalten, mehrmals am Tag zu laufen, mindestens eine halbe Stunde, also zweimal eine halbe Stunde, wenn möglich noch länger.
In den Reha-Aufenthalten hab ich das Nordic Walking kennengelernt, und das Wandern mit Stöcken hat mir viel Spaß gemacht. Obwohl ich da, und seitdem immer, am liebsten alleine laufe, weil ich es schwierig finde, mich anderen anzupassen, und mit Männern zu laufen, ist ohnehin ein Graus, weil die immer so schnell wie möglich laufen müssen und sich gegenseitig übertrumpfen. Das hass ich, und deshalb laufe ich am liebsten alleine und mein gemütliches Tempo. Ich denke immer, so für mich: Das ist wie das Schnüren vom Fuchs, ich schnüre den Weg entlang. Lach.
Aber ob mit oder ohne Stöcke - mein Problem war immer die Begegnung mit anderen. Zuma, und vorher auch schon Jamie, aber Zuma besonders, fand es immer schwierig, mit lockerer Leine zu laufen, sie will immer einen gewissen Zug auf der Leine haben, der geborene Schlittenhund, und weil mir das Rückenschmerzen macht, hab ich versucht, möglichst einsame Strecken zu finden, so dass ich den Hund frei laufen lassen konnte. Ein Fahrradfahrer mit Hund konnte mir den ganzen Tag verderben, und ein einziger Fußgänger hat mich so manches Mal zum Umkehren gebracht.
Dann hab ich mit mir geschimpft und hab gedacht, Jutta, du musst dich daran gewöhnen, dass du nicht allein auf der Welt bist. Und dass andere Leute auch gern unterwegs sind, darf dich nicht daran hindern, etwas zu tun, was dir soviel Freude macht! Wenn du dich nicht damit abfindest und das Beste daraus machst, wirst du nie die schönen Fernwanderwege kennenlernen und bringst dich selbst um ein Stück Lebensfreude.
Vor ein paar Tagen bin ich durch einen Freund bei Joyclub auf das Dog Trekking aufmerksam geworden, hab mir auf Youtube ein paar Videos angeschaut, und ich denke, das ist was Feines. Wenn ich auch nicht glaube, dass ich jemals an Wettbewerben teilnehme und hinter meinem Hund herjogge im Affenzahn, so ist doch grade die Idee, einen Hüftgürtel zu haben, an dem der Hund mit einem Zugdämpfer oder Ruckdämpfer angespannt wird, einfach faszinierend und genau das, was ich eigentlich brauche, um meinen Rücken zu schonen und trotzdem den Hund an der Leine zu haben. Und deshalb hab ich mir gleich die Ausrüstung bestellt gestern und schenke sie Zuma und mir zu Weihnachten. Ich denke, das ist das Richtige, und ich freu mich schon.
Was mir soviel Freude macht, das will ich gern beschreiben. Also einerseits ist es natürlich die Natur, die Farben, die Gerüche, unglaublich wie z.B. jetzt im Spätherbst die Farben intensiv sind, vor allem, wenn dicker Nebel liegt so wie heute, plötzlich dieses leuchtende Gelb der Lärchen, das Schilf mit seinen dicken blonden Wuscheln, das Moos mit einem fantastisch intensiven Grün …
… aber natürlich auch das Wandern selbst, also die rhythmische Bewegung, das Gefühl, unterwegs zu sein, ungestört zu sein und ganz selbstbestimmt. Eigentlich ist ja der Weg und das Gehen ein Sinnbild für das Leben selbst … und so will ich mir das Wandern zurückerobern.
Und in unserer eigenen Bewegung folgen wir der Ausdehnung des Weltalls, wir spannen den Raum auf und erzeugen die Zeit.
luccioladagosto 2017