Weihnachtsbäckerei
da mein kreatives Hirn anscheinend beschlossen hat eine Pause einzulegen, hole ich mal meine Weihnachtsgeschichte vom letzten Jahr aus der Schublade
Weihnachtsbäckerei
Gitti war schon ganz aufgeregt, sie hatte heimlich alle Vorbereitungen getroffen und freute sich schon auf diesen Tag. Ihr Liebster hatte ein Treffen mit seinen Kumpels und sie somit den ganzen Tag für sich. Als Marc sich zu seinem Treffen aufgemacht hatte, ging sie hinüber zur Nachbarin und holte die Taschen mit den Einkäufen ab, die sie dort deponiert hatte, damit Marc sie nicht zufällig entdeckte. Denn dann wäre die Überraschung dahin.
Nachdem Gitti sich die Rezepte noch einmal durchgelesen und sich einen Ablaufplan erstellt hatte, begab sie sich in die Küche. Sie bereitete den Teig für den Hefezopf nach Anleitung zu und stellte ihn an einen warmen Ort, damit er gehen konnte, wie es so schön heißt. In der Zwischenzeit wollte sie einen Mürbeteig zubereiten, der anschließend noch einige Zeit im Kühlschrank verbringen muss, bevor er weiter verarbeitet werden kann.
Sie hatte bereits Butter, Zucker und Vanille- Zucker gut miteinander verrührt und wollte nun die Eier hinzufügen. Das erste gelangte problemlos in die Schüssel, allerdings gefolgt von einem Stück Schale, das Gitti nur mühsam unter Zuhilfenahme eines Messers herausfischen konnte. Als sie das zweite Ei aus der Packung nahm, entwickelte dieses ein Eigenleben und sie jonglierte es zwischen ihren Händen hin und her, bevor es der Schwerkraft nachgab und zu Boden fiel. Das zerplatzende Ei spritze und besprenkelte nicht nur die Küchenausstattung, sondern auch Gitti's Kleid und ihre Beine.
Gitti fluchte leise und entfernte den gröbsten Schmutz, denn die Küche wollte sie ohnehin zum Schluss noch putzen. Sie gab die restlichen Eier sowie Zutaten in die Schüssel und knete den Teig ordentlich mit dem elektrischen Handrührgerät. Nun sollte sie den Teig zu einer Kugel formen, in Frischhaltefolie einwickeln und in den Kühlschrank legen. Sie ging hinüber zu der Wandhalterung und während sie dem Rollenanfang suchte, stach sie sich an den Zacken der Abreißvorrichtung. Beim Abreißen rollte sich teilweise noch mehr Folie ab und zerknautschte. Der zweite Versuch war ebenfalls nicht erfolgversprechend, da ihr dabei die Alufolie aus der Halterung hopste und wie ein Feuerwehrschlauch sich abwickelnd durch die Küche sprang. Sie brauchte noch einige Anläufe, bis sie ein brauchbares Stück Frischhaltefolie in der Hand hielt. Als sie die Teigkugel einwickelte, entglitt sie ihr und landete auf dem Boden. Sie hob die Kugel auf, schnitt eine dünne Schicht an der Stelle, wo sie auf dem Boden gelegen, ab und wickelte sie ein, um sie in den Kühlschrank zu legen.
Die Zeit des Gehenlassens hatte sie überbrückt und wandte sich nun dem Hefeteig zu. Als sie in die Schüssel blickte traf sie fast der Schlag: Der Teig war unverändert, von Aufgehen und die Größe verdoppeln hatte er anscheinend noch nie etwas gehört. Sie schnaubte hörbar die Luft durch die Nase, stellte die Schüssel in die hinterste Ecke und beschloss, einen neuen Hefeteig zuzubereiten.
Als sie das Mehl abgewogen hatte und die Tüte wegstellen wollte, glitt sie ihr aus den Händen. Gitti griff reflexartig danach und schlug dabei mit ihrem Kopf auf der Arbeitsfläche auf, das würde eine ordentliche Beule geben. Das hinabstürzende Mehl hüllte die Küche in eine weiße Wolke und drang bis sich bis in die kleinste Ritze. Selbst auf das Geschirr in den geschlossenen Schränken legte sich eine hauchdünne Mehlschicht.
Gitti wog das Mehl erneut ab und setzte den Hefeteig ein weiteres mal an, wobei sie diesmal die Heizung voll aufgedreht sowie Fenster und Türen geschlossen hatte, damit auch ja nicht ein Lüftchen wehte und es diesmal auch warm genug sein würde. Da sie den Backofen schon angestellt hatte, wurde ihr ziemlich warm und sie entledigte sich ihres beschmutzten Kleides, machte sich einen Kaffee und trank diesen genüsslich, bevor sie in BH, Slip und einer aus dem Keller geholten alte Schürze weiter werkelte.
Der zweite Hefeteig hatte nun seine Ruhezeit hinter sich und Gitti nahm enthusiastisch die Schüssel, lupfte das Handtuch und als sie den Teig sah, hallte ein lauter Schrei durch das Haus. Irgendwie hatte sie kein Händchen für Hefeteig, denn in der Schüssel befand sich eine zusammengesunkene zähflüssige klebrige Masse. Sie nahm beide Schüsseln sowie ein Teigschaber und entsorgte den misslungenen Teig im Mülleimer. Dabei löste sich ihre Haarspange, die ihre lange schwarze Mähne in Zaum gehalten hatte, und reflexartig streifte sie sich die Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei sich der klebrige Hefeteig in ihrem Haar festklammerte und ein unschöner Fluch über ihre Lippen kam.
„Jetzt nur nicht verzagen“ sagte sie zu sich selbst und widmete ihre ganze Aufmerksamkeit nun dem verbleibenden gekühlten Teig. Gitti streute eine dünne Schicht Mehl auf die Arbeitsfläche, nahm etwa ein Drittel des gekühlten Teigs, legte ihn ab, nahm sich das Nudelholz und begann, ihn auszurollen. Da sie mit den altmodischen hölzernen Dingern schlechte Erfahrung gemacht hatte - trotz des Bemehlens klebte der Teig immer daran fest - hatte sie sich so ein modernes Teil aus Plastik mit beschichteter Rollfläche besorgt. Als sie beim Ausrollen etwas kräftiger aufdrückte, knackte es heftig, der Griff brach auf einer Seite ab und noch in der Rollbewegung schnitt sie sich am scharfkantigen Plastik ins Handgelenk.
Gitti ging ins Badezimmer, um die Wunde zu versorgen und hinterließ eine Spur blutroter Tröpfchen. Nachdem sie die Wunde mit Kompressen und einem Verband versorgt hatte ging sie zurück in die Küche und rollte den Teig weiter aus, das ging auch ohne Griff, denn sie legte die Hände auf die Rolle des Nudelholz.
Der Teig war nun in der gewünschten Stärke ausgerollt und sie begann, die Ausstecher hineinzudrücken. Vorsichtig entfernte sie den Teigüberschuß mit dem Messer und setzte die ausgestochenen Teigfiguren auf ein mit Backpapier belegtes Backblech. Beim zweiten Teigdrittel rutsche sie mit dem Messer ab und zerschnitt einige der ausgestochenen Figuren. Die dritte Teigportion ließ sich problemlos verarbeiten und sie atmete erleichtert auf.
Sie schob das erste Blech in den Backofen, nahm die Reste des Teigüberschusses, knetete sie mit den Händen durch, rollte ihn aus und begann die Ausstecher hineinzudrücken. Plötzlich schrie sie laut auf und schimpfte wie ein Rohrspatz, denn ihr kleiner Finger war sehr neugierig und wollte schon immer mal wissen wie das ist, wenn so ein Ausstecher ein Stück aussticht beziehungsweise in seinem Fall ein Stück abstanzt.
Nachdem sie im Badezimmer ihren Finger mit einem Pflaster versorgt hatte, ging sie wieder in die Küche, in der bereits Rauchschwaden die Sicht behinderten. Nun war es mit der Ruhe und Gelassenheit von Gitti vorbei und sie verfiel in Hektik, sie riss die Ofentür auf und eine Hitze- und Rauchwolke hüllten sie ein. Sie hatte offenbar vergessen, den Startknopf der elektronische Eieruhr zu betätigen, so dass das erste Blech nur noch aus schwarzen und verbrannten Häufchen bestand.
Gitti schob das zweite Backblech mit den ausgestochenen Formen in den Backofen und blieb in der Küche - wenigstens ein Blech wollte sie im normalen Zustand am Ende des Tages haben, so viel Arbeit und Mühe wollte sie sich nicht umsonst gemacht haben.
Die Eieruhr piepste und als sie die Ofentür geöffnet hatte, atmete sie auf, diesmal hatten die Kekse den gewünschten Bräunungsgrad. Sie griff nach dem Blech und zog es ein kleines Stück raus, bevor sie es plötzlich schmerzdurchflutet losließ. Es war wohl nicht ihr Tag, sie hatte vergessen die Topflappen zu benutzen und hielt nun beide Hände unter kaltes fließendes Wasser, um die Entstehung von Brandblasen zu verhindern.
Als sie die Hände lange genug gekühlt hatte, dachte sie sich besonders schlau zu sein und die Kuvertüre in der Mikrowelle zu schmelzen, statt im Wasserbad, um ein wenig Zeit wieder aufzuholen. Die ersten zwei Minuten verliefen ganz gut und die Kuvertüre wurde schon leicht flüssig, die zweiten zwei Minuten hatte sie nicht so gut verkraftet - es qualmte mächtig aus der Mikrowelle und stank ziemlich angebrannt. „Nun ja, was soll's“ murmelte sie in ihren nicht vorhandenen Bart und nun stellte sie den aufgeschnittenen neuen Beutel mit Kuvertüre ins Wasserbad. Zum Glück hatte sie zwei Beutel gekauft, dachte sie und drehte die Herdplatte an. Sie nahm das Blech aus dem Ofen und stellte es auf der Arbeitsplatte neben dem Herd ab. Das sprudelnd kochende Wasser spritze in die Kuvertüre und ließ diese leicht gerinnen. Gitti seufzte, zuckte mit den Achseln und strich resigniert die Kuvertüre auf die Kekse. Ihr entglitt der nasse Beutel aus den Händen, landete schwungvoll auf der Arbeitsfläche, spritze und hinterließ auf ihr und dem Kücheninventar viele dunkle Pünktchen.
Langsam hatte sie die Nase gestrichen voll von diesem Pleiten- Pech- und- Pannen- Tag und war froh, jetzt zumindest die Back- Action hinter sich gebracht zu haben.
Als Marc nach Hause kam, duftete es im ganzen Haus nach Gebackenem und der Duft versetzte ihn in seine Kindheit zurück. Er ging in die Küche und sah Gitti, wie sie nur in BH, Slip und einer alten Schürze auf dem Boden kniete und die Küche wischte. Er konnte nicht anders, als er sie so sah, und flachste: „Das du dir das Rezept meiner Lieblingskekse von meiner Großmutter besorgt hast, finde ich richtig süß von dir, aber deswegen musst du dir doch nicht gleich auch noch ein Großmutter- Outfit zulegen.“
Nun verlor Gitti endgültig die Fassung, schaute zu ihm auf, Tränen schossen ihr in die Augen und sie begann, verzweifelt zu schluchzen. Marc nahm sie liebevoll in die Arme, küsste sie zärtlich, leckte dabei Kuvertüre von ihrer Stirn und sagte: „Du schmeckst aber köstlich. Jetzt lässt du dir erst einmal Badewasser ein, entspannst dich ein wenig, während ich das Chaos hier beseitige und hinterher werde ich dich dann noch verwöhnen.“
Dezember 2014