Meiner Vorrednerin möchte ich mich in einigen Punkten anschließen.
Die unterschiedliche Wahrnehmung der Körper beider Geschlechter und die Reduktion auf wenige prägnante Merkmale führen zu krass abweichenden Präferenzen bzw. einer gewissen Monotonie in den Galerien.
Frauen als das sog. schöne Geschlecht werden allgemein von beiden Geschlechtern bezüglich ihrer ästhetischen Körper geschätzt und hierbei spielen besonders die natürlichen Proportionen (jedenfalls in der westlichen Welt, in der wir leben und das auch schon seit der griechisch-römischen Antike - Vgl. Venus von Milo u.a.) eine wichtige Rolle. Diese können und konnten ohne größere Anstrengungen ausgeprägt sein, sofern man sich nicht falsch ernährt, einen desolaten Stoffwechsel besitzt oder Bewegung mit Qualen assoziiert. Wir reden hier nicht von Model-Hungerhaken oder Fitness-Babes, sondern einfach einem Körper, dessen instinktive Eyecatcher (Hüfte/Hintern, Brust, Augen) mindestens anteilig immer auffallen. Am ehesten wird der Verzicht auf Dinge propagiert, um einem gewissen Körperideal näherzukommen. Der Clou ist, dass, selbst wenn man etwas mehr an sich trägt, besagte Eyecatcher weiterhin offensichtlich sind oder sogar verstärkt werden. Figurbetonte Kleidung, anschmiegsame oder luftige Stoffe tun ihr Übriges.
Die meisten optischen Tricks für Frauen (Makeup, Frisur, Pushups, streckende Schuhe) sind zudem in der Regel reversibel und als "selbstverständliche" Aufwertung im Rahmen des Schönheitsideals akzeptiert oder als notwendiger Standard deklariert. (Persönlich finde ich Natürlichkeit und atmende Haut weit ansprechender als ausgelaugte Gesichter in pastöser Mineralölkruste)
Männern hingegen wird ein Körperideal vermittelt, dass sich fast ausschließlich auf erarbeitete optische Resultate stützt, die nur mit additiver Anstrengung erreichbar sind. Bereits in der Antike wurde der männliche Körper mit Kraft, Wehrfähigkeit, Tüchtigkeit und bewusster Definition gleichgesetzt. Im griech. Gymnasion wurden Körper und Geist gleichermaßen geformt und gebildet, es gehörte zum Selbstverständnis und wappnete sowohl für sportliche als auch kriegerische Auseinandersetzungen.
In der Gegenwart der meisten spartanischen Sitzmenschen bzw. den Medien und letztlich dem davon abgeleiteten Idealdenken soll ein Mann jedoch weiterhin bitte schlank & durchtrainiert sein, folglich diesen Mehraufwand investieren, um dem antiken Heron bezüglich Brust, Bauch, Hintern und V-Kreuz nahezukommen. Folgt Mann seinem normalen Alltag kann dies nicht erreicht werden und gewinnt man stattdessen etwas additives Gewicht, so hat dies gegenteiligen Effekt, da erwähnte Eyecatcher verborgen statt hervorgehoben werden. Zusätzlich sind viele Hilfsmittel zur optischen Aufwertung für Männer entweder nicht vorhanden oder werden in der Neuzeit ebenso schnell und taktisch in die "unmännlich" oder "gay"-Richtung hineininterpretiert um zu vermitteln, dass man sich als heterosexueller Mann damit selbst ins Aus und weg von seiner Zielgruppe schießen würde. Als gepflegter Langhaariger hatte ich mit solchen Kommentaren von geistig Minderbemittelten ebenfalls schon zu tun.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass seitens Fotografen, die Nachfrage nach männlichen Models für Akt/Teilakt im Vergleich zu weiblichen Models extrem gering ist. Zugleich ist das optische Geltungs- und Darstellungsbedürfnis bei Frauen viel stärker vertreten und erprobt.
Dieser Spagat zwischen "Investition von Zeit und Mühe" und "Fehlinterpretation der Resultate oder Hilfmittel" verunsichert viele Männer, ein richtiger Diskurs untereinander findet selten statt. Einerseits wollen oder können sie sich nicht um ihren Körper kümmern, möchten lieber so bleiben wie sie sind und sich nicht verbiegen, andererseits ist ihnen das vermittelte Ideal bewusst und sie haben schlicht kein Gespür dafür wie ihr Körper ästhetisch inszeniert werden kann, da dieses Bild nicht weitläufig vermittelt wird und viele Frauen ebenso verprägt mit ihren Scheuklappen durchs Leben laufen. Im schlimmsten Fall kommen auf männlicher Seite solche Klischee-Eskapaden wie "Rosenblüten auf dem Bett", "Sonntag ist Tanga-Tag", "ich schreib mir Namen mit Schoki auf die Brust" oder ähnliche undurchdachte Bemühungen heraus, bei denen man System-Parodie und wirkliche Absicht nicht mehr so klar unterscheiden kann. (JC-Galerien lassen grüßen)
Bilder des eigenen "normalen" Körpers werden in der eigenen Wahrnehmung vieler Männer offenbar nicht als reizvoll/sehenswert verstanden, daher resultiert hieraus eine regelrechte Zirkusnummer oder man reduziert sich auf den einen Part, denn man für begehrenswert hält, den Penis. Prinzipiell nicht ganz falsch, aber hier mangelt es dann ebenso häufig an Timing, Zielgruppenanalyse, Kontext und auch wieder einem guten Auge für Ästhetik, Inszenierung und den Umgang mit Licht, Winkel etc.
Body-Positivity bei Frauen wird seit Jahren finanziell und medienwirksam bis zur Belastungsgrenze aufgeblasen, vermarktet und gefördert. Dies sogar teilweises weit über den gesundheitlich vertretbaren Rahmen hinaus. Wie so häufig handelt es sich bei solchen prinzipiell guten Ansätzen aber um eine eher einseitige Sache, denn den Mann soll es laut Medien weiterhin bitte in zwei festgefahrenen Geschmacksrichtungen geben: "Familienvater mit leichtem Bauchansatz" für Sitcom, Komödie und Familiendoku oder "Sixpack und Föhnfrisur" für Drama, Action, Castingshows.
(PS. Bewusste Übertreibung und Zuspitzung = rhetorische Mittel)