Iris
Zu 95 % der Menschen die fragen, wie es mir geht, würde ich keine richtige Antwort geben. Nur denen bei denen ich weiß, dass es sie auch wirklich interessiert und die auch etwas dafür tun würden, dass es mir beser geht, auch wen es ihre Zeit kostet.
Und auch nur von diesen Menschen würde ich Hilfe annehmen, außer ich komme wirklich alleine nicht mehr weiter. Ich nehme ungerne Hilfe an, wenn es nicht irgendwie anders gehen kann.
Zu den meisten Kollegen habe ich ein distanziertes Verhältnis, man unterhält sich über das Wochenende, aber tiefere private Dinge bleiben außen vor. Wir siezen uns auch (fast) alle. Zu einer Kollegin habe ich ein persönlicheres Verhältnis und zu einer Cheffin, da würde ich auch sagen, wie es mir wirklich geht.
Ansonstn ist es halt Small Talk, die Frage: Wie gehts.
In New York hatte ich mal in bruchstückhaftem Englisch darauf geantwortet (dort ist es ja noch mehr Floskel als hier), das Gesicht meines Gegenübers (kannte ich nicht) sah lustig aus.
Folgende heutige Situation:
Ich benötige nach einer Knie-OP Gehhlfen, die Kita ist zu und ich kann mich natürlich nicht um meine Tochter richtig kümmern. Meine Frau muss arbeiten. Verstärkung wurde in Form der beiden Großmütter und eines Großvaters meiner Kleinen angefordert.
Meine Schwiegeeltern kamen und ich wurde in 3 Minuten 3x gefragt, wie es mir geht. Die ersten beiden Male antwortete ich noch, dann wurde ich ziemlich kurz angebunden. Paßt aber zu meinem Schwiegereltern.
Ich will es mir ja nicht wünschen, wäre aber auf ihre Antwort gespannt wenn ich sage, es gab Komplikationen und ich muss wieder operiert werden. Ich würde ja wetten, als Antwort kommt ein ja ja.
Der für mich, seit ich in diesem Teil hier ein bißchen reinlese, intessanteste Teil kam aber 5 Minuten später, als die Großmamas auf meine Kleine einredeten, die weinte, und ich merkte, dass ich so etwas wie einen gaaaanz kleinen Panikanfall bekam. Nichts besorgniseregendes, aber mein Atem ging flacher und ich musste mich zurückhalten, nicht loszubrüllen, dass alle leise sein sollen, meine Kleine ist überfordert.
Ich war in diesem Augenblick der einzige Ruhepol im Raum und erst bei mir hörte meine Tochter mit dem Weinen auf. Es war nicht laut, aber ich spürte, das ich meine kleine Maus nicht wohlfühlte. Aber ist ja sowieso nicht gut, von oben herab mit einem kleinen Kind zu reden, und dann von zwei Seiten aus.
So eine Reaktion meinerseits kenne ich weder von der Arbeit her (außer viel stürmt auf mich ein und ich muss ersteinmal in Ruhe sondieren) noch in großen Menschenmassen oder hitzigen Diskussionen.
Ich habe manchmal das Gefühl, die Welt flacht emotional ab (jetzt nicht , dass es keine Liebe oder keinen Hass gibt, sondern dass die Feinfühligkeit aus zeitlichen Gründen auf der Strecke bleibt), wird zu hekisch und oberflächlich.
Aber meine größte Sorge ist, dass ich das auch werde.
Grüße, Thunderboy