aus dem Nähkästchen ...
Mich verletzt es immer wieder, wenn ich feststelle, daß ich aufgrund meiner Stärke, nicht als verletzliche Person wahrgenommen werde: da heißt es oder zumindestens wird es gedacht: du gehst schon deinen Weg..du bist doch stark...
Ja, davon kann ich auch ein Liedchen singen ... Aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass es auch an mir und an der Form liegt, wie ich mich meiner Umwelt zeige und präsentiere.
Immer wieder bekomme ich das Feedback, dass ich selbstsicher und tough wirke, mir keine Unsicherheit anzumerken ist und das auch in Situationen, in denen mir innerlich der Angstschweiß auf der Stirn steht und ich mich unsicher fühle ... Für andere bin ich da einfach die personifizierte Coolness.
Ich kenne meine Stärke, meine Kraft, meine Energie, mein erstes Wort war „selber!“. Und ich habe mir selbst früh beigebracht, meine Schwächen und Unzulänglichkeiten für mich zu behalten, meine Probleme mit mir auszumachen und mir möglichst nichts anmerken zu lassen.
Letztendlich macht es mich verletzlicher, wenn ich zeige, dass ich verletzlich bin. Die Löwen stürzen sich auf alte, kranke, schwache Tiere ... Das lernt man schon als Kind bei Heinz Sielmann. Und das eben führt dazu, dass mich die Leute häufig falsch einschätzen bzw. nur einen Teil von mir sehen (können). Wenn ich mit aller Macht meine zarten Anteile verberge, wie sollte sie auch jemand erkennen können?
Und ich sehe meinen Hang zur Larmoyanz, wenn mich Dinge aus der Bahn werfen. Ich hasse Larmoyanz. Und dennoch will ich manchmal nicht stark sein müssen, will, dass man mir die Arbeit abnimmt, und manchmal möchte ich am liebsten von der ganzen Welt bedauert und gehalten werden, möchte, dass man meinen Schmerz, meine Verzweiflung, meine Bedürftigkeit erkennt ...
Das ziehe ich halbherzig ein paar Tage durch (ganzherzig trau‘ ich mich das nicht, weil ich mir da höllisch albern dabei vorkäme), überlege, ob ich in der U-Bahn vielleicht eine Ohnmacht simulieren soll, damit sich wenigstens ein Teil der Welt um mich kümmert, bis mir dann auch emotional wieder klar wird, dass ICH mich selber kümmern muss, auch wenn es mich noch so sehr ankotzt.
Heute weiß ich, dass ich mit meinem starken Auftreten oft genug auch eigene Grenzen überschritten habe. Heute lasse ich alle Teile, meine Stärke, meine Coolheit, meinen Kampfesgeist, meine Bedürftigkeit, meine Schwäche, mein Beschütztseinwollen und meine zeitweilige Unlust, Verantwortung für mich zu übernehmen, zu, so gut es geht.
Ich habe heute weniger Probleme damit zu zeigen, dass ich auch weich und verletzlich bin, weil ich gerne als das erkannt werden möchte, was ich bin - nicht mehr und nicht weniger. Dennoch fällt es mir immer noch sehr schwer, mich anderen Menschen, auch Freunden, zuzumuten - mit allem was dazugehört ....
Herzlichst,
Michaela