Eine kleine Weihnachtsgeschichte
Was hat Weihnachten mit Socken zu tun?
Es war einmal ein Apfelbaum, der war zwar noch jung und recht unerfahren, aber in jenem Jahr, in dem sich die Geschichte zutrug, hatte er zum ersten Mal Früchte an seinen Zweigen wachsen lassen. Rotbackige, knackige, glänzende Äpfel hatte er getragen und er war sehr stolz auf das Ergebnis seiner sommerlangen Arbeit. Er nahm sich vor, seine Äpfel dem Christkind zu schenken, wenn es auf die Erde kommen würde.
Zur Erntezeit kamen die Menschen und pflückten die Äpfel, was den Apfelbaum sehr traurig machte. Viele Apfelbaumtränen rannen, von den Menschen unbemerkt, an seiner Rinde herab.
Als der Herbst kam und die Bäume begannen, ihre Säfte aus den Blättern zurückzuziehen, sagte der Apfelbaum: „Ich werde dieses Jahr mein Laub nicht abwerfen. Wenn ich schon meine Äpfel hergeben muss, so will ich doch wenigstens mein grünes Kleid behalten! Wenn das Christkind kommt, soll es nicht nur tote, kahle Bäume sehen. Es soll uns so sehen, wie wir im Sommer sind!“ Die älteren Bäume schüttelten ihre Laubkronen und warnten ihn, er würde erfrieren, wenn er nicht seine Blätter opfern würde. Aber der Apfelbaum, ein bisschen stur, wie Apfelbäume nun mal sind, hörte nicht auf die anderen. Er wollte dem Christkind doch so gerne eine Freude machen.
Der Herbst ging vorüber und schon standen die Bäume, die Zweige schwarz und kahl in den Himmel gereckt, auf der Wiese. Nur der Apfelbaum hatte noch all seine Blätter.
„Wirf deine Blätter ab, bevor der Frost kommt und es zu spät ist! Die Kälte wird sonst deine Adern sprengen und du wirst erfrieren!“ So warnten ihn die anderen. Aber der Apfelbaum hörte nicht auf sie.
Voller froher Erwartung aufs Chriskind harrte er aus, auch als in der heiligen Nacht der erste große Frost kam. Bitterkalt wurde es und seine Zweige zitterten. Zuerst hatte er große Schmerzen, doch bald schon verlor er das Gefühl in den Blättern. Aber noch immer hielt er stand und wartete. Als die Kälte unerträglich wurde und begann, in seinen Stamm zu strömen, dachte er: „Wenn ich schon sterben muss, so hat das Christkind wenigstens einmal einen grünen Baum gesehen!“
Mit einem Mal öffnete sich das Himmelstor und die Wiese und die Bäume waren wie in goldenes Licht getaucht. Ein Rauschen erfüllte die Luft, wie von Engelsflügeln. Von dem Licht geblendet hatte der Apfelbaum seine Augen geschlossen und als er sie wieder öffnete, stand, mit einem sanften Lächeln im Gesicht, das Christkind vor ihm und sprach: „Du hast dein Leben riskiert, um mir eine Freude zu machen. Und so bin ich zu dir gekommen, um auch dir ein Geschenk zu bringen.“ Das Christkind machte eine ausladende Bewegung mit der Hand und ein Glitzern, wie Sternenstaub erfüllte die Luft. Und als der Apfelbaum an sich herabsah, waren alle seine Blätter in bunte, kleine Söckchen gehüllt, damit sie vor dem Frost geschützt waren.
Seit dieser Zeit hängen die Menschen an Weihnachten Socken auf, um Geschenke darin zu finden.
© Rhabia 21.11.2009