In meiner Kindheit ...
... war ich ne Wildkatze, immer draußen, immer zerkratzt, es gibt keine Photos von mir, wo ich nicht verletzt, blutend, mit was gebrochenem etc. zu sehen bin. Meine Mutter hat, wenn ich geschrieen habe, bis 20 gezählt und ist dann raus gekommen, wenn ich immer noch geschrieen habe, sonst hätte sie alle 5 Minuten kommen müssen. Aber ich war immer Einzelgänger, meist alleine unterwegs.
Es ist mit der Einschulung gekippt. In meiner (Grund)schulzeit habe ich zwar alles in Rekordzeit gelernt, aber ich wurde auch zum Sensibelchen. Mimose fiel auch öfters als Begriff (heute würde man Weichei sagen) - aber von Mitschülern, nie von Lehrern. Ich habe kaum mit jemandem geredet, an manchen Tagen niemanden angeschaut, wie ein Maschinchen funktioniert. Nur im Unterricht im Gespräch mit den Lehrern habe ich mich geöffnet. Im Gym wurde ich dafür ausgenutzt von den Mitschülern: seelischer Mülleimer für alle und jeden, wenn ich selbst ein Problem hatte, war ich alleine. Ich war das Weichei, die Kümmertante, die Rührselige, diejenige, die auch mal heulend aus ner Klasse lief oder 2 Stunden vor der Schule stand und die Schwelle nicht überschritt. Mitschüler haben das nicht akzeptiert, die Lehrer schon, da hatte ich immer Glück. Mit 13 wurde Asperger diagnostiziert, mit Therapie in den Begriff bekommen.
Meine Mutter hat mein Problem verstanden und tut es auch immer noch, sie ist ähnlich gestrickt wie ich. Mein Vater redet nicht drüber, er hat aber nie ein Hehl draus gemacht, dass ich sein Liebling bin, nicht meine drei voll im Leben stehenden "normalen" Geschwister.
In meinem Studium wurde meine Sensibilität mir zum Fallbeil, denn ich wollte Lehrerin werden. Aber eine Lehrerin, die hochsensibel ist und heulend die Klasse verlässt oder die Schwelle nicht übertreten kann, die ist natürlich zu Recht nicht tragbar.... der Beruf hätte mich umgebracht. Im Praktikum und im Auslandsjahr gemerkt, im 9. Semester... Selber die Notbremse gezogen und auf Magister gewechselt. Die Hochschuldozenten hätten das nie gemerkt, ich hatte immer brilliante Noten.
@*******rman: Frauen/Mädchen haben es leichter als Männer/Jungen, denn Frauen dürfen sensibel sein. Frauen dürfen immer noch viel mehr Gefühl zeigen als das vermeintlich starke Geschlecht. Das ist einfach das gängige Rollenbild. Und nein: ich beneide Euch Männer nicht darum, dass es so ist, dass erwartet wird, dass Ihr keine Sensibelchen seid. Denn ich denke schon, dass das ein sehr großes Problem für einen sensiblen Jungen ist.