Hermann Hesse
Glück
Das Wort Glück. Es ist eins von den Wörtern, die ich immer geliebt
und gern gehört habe. Möchte man über seine Bedeutung noch so
viel streiten und räsonnieren können, auf jeden Fall bedeutete es
etwas Schönes, etwas Gutes und Wünschenswertes. Und dem ent-
sprechend fand ich den Klang des Wortes.
Ich fand, dieses Wort habe trotz seiner Kürze etwas erstaunlich
Schweres und Volles, etwas, was an Gold erinnerte, und richtig war
ihm außer der Fülle und Vollwichtigkeit auch der Glanz eigen, wie
der Blitz in der Wolke wohnte er in der kurzen Silbe, die so schmel-
zend und lächelnd mit dem GL begann, im Ü so lachend ruhte und
so kurz, und im CK so entschlossen und knapp endete. Es war ein
Wort zum Lachen und Weinen, ein Wort voll Urzauber und Sinnlich-
keit; wenn man es recht empfinden wollte, brauchte man nur ein
spätes, flaches, müdes Nickel- oder Kupferwort neben das goldene
zu stellen, etwa Gegebenheit oder Nutzbarmachung, dann war alles
klar. Kein Zweifel, es kam nicht aus Wörterbüchern und Schulstu-
ben, es war nicht erdacht, abgeleitet oder zusammengesetzt, es war
Eins und rund, war vollkommen, es kam aus dem Himmel oder aus
der Erde wie Sonnenlicht oder Blumenblick.