Nun bin ich schon ein paar Tage dabei, ohne mich vorzustellen (grumpf). Also, ich heiße Moritz, mein Künstername Maurice de Winter, je nach Jahreszeit auch schon mal Maurice de Sommer (kleiner Scherz). Ich lebe und liebe in München als freier Graphiker und Maler, meine Leidenschaft gehört dem Aquarell, wegen der Spannung, man weiss nie, was am Ende dabei heraus kommt.
Wenn es gestattet ist, stelle ich mich nicht mit einem Bild vor, sondern mit einer kleinen Geschichte aus dem Künstleralltag vor.
Zuvor möchte ich zu den beiden vorher gezeigten Bildern meine Huldigung abgeben.
An Michael: Die Schwangere haut mich mal wieder um. So klar, so lebendig. So warm.
An kiss_of_a_rose: Aus weiter Ferne lausche ich den imaginären Buschtrommeln. Schöne Arbeit.
Und nun zur kleinen Geschichte, die doch einiges über mich aussagt
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Die Fremde
Es war neulich an einem Dienstagabend, an einem so tristen, verregneten Dienstag. Wieso regnet es eigentlich immer Dienstags? Ich lag auf dem Sofa, zwischen dem letzten Wachsein und angenehmen Halbschlaf, als es an der Haustür klingelte. Langsam trottete ich dorthin und warf erst einmal einen Blick durch den Spion. Vielleicht mache ich die Tür gar nicht erst auf, dachte ich, erst mal sehen. Das einzige, was ich sah, waren zwei wirklich wohlgeformte Titten. Naja Brüste, aber Titten hört sich besser an, irgendwie vulgärer. Träumte ich?
Beim zweiten Blick sah ich nur ein Netz. An einem Hut. Ich öffnete, wollte nun alles sehen. Sehr mysteriös das alles. Also bat ich die Frau herein, schloß die Tür und sagte "Guten Abend", etwas brummig, etwas unwirscht. Sie sollte nicht denken, ihr Besuch kam mir gelegen. Außerdem, wer war sie überhaupt. "Wer sind Sie überhaupt, kenne ich Sie?" Sie verneinte. Ein gemeinsamer Bekannter gab ihr meine Adresse. Scheißtyp, dieser Bekannte, wer immer es war. Also gut: "Um was geht es, ich wollte eigentlich schon schlafen" sagte ich ihr noch etwas brummiger. Dabei war ich ziemlich von ihr angetan, obwohl nicht viel von ihr zu sehen war. Sie hatte die richtige Größe, mit den hochhackigen Schuhen, die sie trug, hatten wir gleiche Augenhöhe. Elegant gekleidet. Tolle Figur, stellte ich mir vor. Dazu eine geile Tangofrisur in schwarz. Darüber diesen Hut. Hut mit Netz. Ihr Gesicht konnte ich dadurch nicht erkennen. In diesem Moment wußte ich noch nicht, dass ich ihr Gesicht niemals sehen würde.
Sie sagte mir, man hatte ihr erzählt, meine gemalten Portraits seien klasse. Sie wollte auch eins. Und zwar sofort, sie würde gut bezahlen. Nun, ich klärte sie auf, dass meine Bilder nicht für jeden käuflich seien und ich nur für gute Freunde male. "Machen Sie eine Ausnahme" bat sie mich und öffnete dabei ihren Mantel. Mein Puls beschleunigte sich auf Formel-1-Geschwindigkeit, ich schaffte es gerade noch, ihr höflich aus dem Mantel zu helfen. Schmiss ihn lässig aufs Sofa. Sowas klappt bei mir immer. Sie kam näher, ich konnte ihren Atem spüren. Sie sah wirklich Klasse aus, wenn auch etwas ungewöhnlich für einen Besuch bei einem Fremden. Außer ihrem Gesichtsnetz, einem teuren Korsett, Seidenstrümpfe und ihren scharfen Schuhen hatte sie nichts an, noch nicht mal einen Schlüpfer. Himmel, dieser Vorzug veranlasste mich, sie doch zu malen. Also sagte ich zu. Sie lächelte, als wüßte sie es von Anfang an. Aber ob ich erst ihr Korsett noch etwas strammer schnüren könnte? Meine äusserliche Gelassenheit geriet ins Wanken, doch cool schnürte ich sie fachmännisch, bis ihr die Puste wegblieb. Stand ganz dicht hinter ihr, hörte ihren heftiger werdenen Atem, schaute auf ihren Po, ihre Beine. Und auf ihre Schultern, Klasse, ich wollte sofort hineinbeissen. "Stellen Sie sich dort drüben hin, zu dem Licht." Dieser Gang . . . Wahnsinn. Nach etwa zwei Stunden war ich fertig: Bild von Frau im Korsett ohne Kopf.
Ohne Kopf, sagte sie. Inzwischen hatte ich mich wieder unter Kontrolle, gab ihr das Bild und sagte, es ist alles erledigt, sie könne nun wieder gehen. Das Geld, was sie mir geben wollte, nahm ich nicht an. Schnürte sie auch nicht wieder los. Sie sollte nur schnell gehen, ich weiß nicht, was sonst passieren würde. Ihre Bemerkung im Weggehen, über die Art von Bezahlung könnten wir reden, ignorierte ich, schaute ihr auch nicht hinterher.
Gott, ich fühlte mich wie ein Trottel, eingefangen von einer Erscheinung, die mich bewusst provoziert hat. Meine Machogefühle waren aufs Tiefste beleidigt. Ohne weiter darüber nachzudenken, zog ich meine Jacke an und folgte ihr.
In die Nacht.
Vollmondnacht ... Ob wirklich alles genau so passiert ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ich erinnere mich noch genau an sie ...
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Liebe Grüße
Maurice de Weihnachten