Graffiti: Wenn aus Unfug ein Kulturgut wird
Perfektes Arbeitswetter an diesem Tag in Bad Segeberg. Nach dem Regen der vergangenen Tage scheint endlich wieder die Sonne. Jonathan Sachau hievt eine große, alte Reisetasche aus seinem Auto. Darin: unzählige Sprayflaschen in allen erdenklichen Farben. Das sind die Hauptarbeitsgeräte des 30-Jährigen. Dazu noch eine Leiter und los geht's. Überhaupt erinnert bei Jonathan Sachau alles eher an einen Studenten, als an einen mittlerweile richtig gefragten Künstler. So ganz falsch ist dieser Gedanke nicht.
Studium geschmissen, aber mit der Spraydose zum Erfolg
Im März hat er seinen Master in Erziehungswissenschaften gemacht. Zuvor hatte er sein Lehramtsstudium während des Referendariats geschmissen. Seitdem läuft es aber mit der Kunst. Wenn man vom ZOB in Bad Segeberg in die Innenstadt läuft, kommt man durch eine schmale Gasse. Vor einigen Wochen war dort eine unansehnliche Häuserwand, mit Schmierereien, Kritzeleien und Beschimpfungen. Jonathan Sachau hat daraus eine Seenlandschaft erschaffen, mit Enten, Seerosen und viel Grün. Ein fiktives Bild, das an Bad Segeberg erinnern soll. Es ist eine Auftragsarbeit. Vom 19. bis 26. Juli findet in der Stadt das European Peoples' Festival statt. Sachau wurde angefragt, ob er nicht einige unansehnliche Wände verwandeln möchte. Und er will. "Ich hab noch gute Kontakte in Bad Segeberg. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen. Vor rund vier Jahren durfte ich hier schon die Trafohäuschen des Energieversorgers besprayen."
Bunt statt Grau
Richtig austoben konnte sich der Hamburger jetzt im Durchgang zwischen Kirchstraße und Parkplatz. 30 Meter Wand standen hier zur Verfügung - in nur zwei Tagen entstand die Stadtgeschichte als Graffiti. Anregungen hat er sich im Heimatmuseum und in einem Bildband gesucht. So kann man jetzt unter anderem Bilder der Siegesburg und der alten Lohmühle sehen - aber auch Winnetou darf nicht fehlen. Immer mit dem erfahrenen Griff zur Spraydose mit dem richtigen Farbton. Aus Sicherheitsgründen arbeitet er mit Handschuhen und Mundschutz.
Grafitti, die gefallen
Passanten bleiben spontan stehen und bewundern die Arbeit. Gaby Thielheim aus Rickling zum Beispiel: "Die Wand war vorher einfach schrecklich und schmutzig. Jetzt ist sie ein richtiges Schmuckstück. Das ist wirklich cool". Und auch Wolfgang Stahnke aus Bad Segeberg ist begeistert. "Das ist eine gute Sache. Das sieht viel schöner aus als vorher. Ich hab an grauen Betonwänden noch nie etwas schönes gefunden". Angst, dass seine Graffiti wieder beschmiert werden, hat Jonathan Sachau nicht. "Es gibt diesen Ehrenkodex in der Szene. Niemand übermalt das Werk eines anderen". Mehr als 95 Prozent aller Bilder, die er jemals fertiggestellt hat, seien noch im ursprünglichen Zustand. Seit dem Frühjahr, also kurz nach nach dem Studium, ist Sachau mit seiner Firma "Dosenfutter" selbstständig. Die Auftragslage ist gut. Neben dem Projekt in Bad Segeberg gibt es Aufträge quer durch Norddeutschland. "Eigentlich habe ich nicht damit gerechnet, dass das mal meine Arbeit wird", sagt Sachau.
Früher grober Unfug, heute anerkannte Kunst
Gesprayt hat er aber schon immer. Ende der 90 Jahre, da war er so 15 Jahre alt und richtig cool. Angesagt waren Basketball, Hip Hop und Rap - und eben Sprayen. "Ja, auch ich habe mal Unsinn gemacht und wurde beim illegalen Sprayen erwischt". Aber das ist lange her. Mittlerweile wird für seine Graffiti bezahlt. Und zwar richtig gut. Im Moment sieht es so aus, als ob er davon leben könnte, sagt Sachau. Allerdings wird sich zeigen, wie die Auftragslage in den Wintermonaten ist. Davor gibt es aber noch viel zu tun. Zum Beispiel im September. Denn der nächste Auftrag in Bad Segeberg steht schon fest: Sachau soll die Synagoge der Stadt an ihrem alten Standort in der Kirchstraße auf der Hauswand neben der Gedenkstätte aufleben lassen - natürlich als Graffito.
http://www.ndr.de/nachrichte … turgut-wird,graffiti450.html
Davon werden die meisten Sprayer träumen .... aber nur wenige schaffen es
und ich persönlich bin eh ein Freund dieser Fassaden-Gestaltungs-Möglichkeit - solange es legal ist -