Fear Play ist eine Spielart des BDSM, die sich der Angst als menschlichen Urinstinkts bedient. Frei übersetzt bedeutet der englische Begriff so viel wie Angst- oder Furchtspiel. Was zum einvernehmlichen Spiel mit der Angst gehören kann und worin der besondere Reiz liegt, erfährst du hier.
Von KatKristall
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Es gibt viele Menschen, die Angst in ihrer Sexualität beflügelt. Die Furcht ist eines unserer intensivsten Gefühle, denn sie wirkt sich direkt psychisch und körperlich aus: Das Herz rast, die Lippen werden feucht, der Körper wird aufmerksamer, empfindsamer. Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet. Die Konzentration schärft sich. Zugleich werden Endorphine freigesetzt. Die Botenstoffe machen uns wach und hemmen die Schmerzwahrnehmung – auch während intensiver Sessions.
Bei authentischer Angst ist der gesamte Körper in Alarmbereitschaft. Ähnlich wie beim Fallschirmspringen wirbelt der Cocktail aus Endorphinen und Adrenalin alles durcheinander. Urangst macht die eigene Verwundbarkeit bewusst. Sie kann lähmen und machtlos werden lassen. Im BDSM ist die Angst ein beliebtes Element, weil sie das Machtverhältnis zwischen den Spielenden schärfen und für Top wie Bottom besonders reizvoll sein kann. Trotzdem gehört Fear Play nicht zu den alltäglichen Spielarten wie Bondage, Spanking oder Ähnliches.
Was genau ist Fear Play?
Fear Play ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Praktiken. Ihnen gemein ist, dass sie mit extremen Empfindungen spielen.
Beim Fear Play geht es darum, in der submissiv spielenden Person Angst und extreme Reaktionen auszulösen. Hier fällt auch gerne der Begriff mindfuck. Erneut frei übersetzt in Gehirnfick. Denn das Spiel mit der Angst ist zunächst ein Spiel mit Erwartungen und Befürchtungen.
Der dominante Part kann schon Wochen vor der Session andeuten, was der oder die Sub zu erwarten hat. Ob es eintrifft, ist den Spielenden überlassen, aber die Vorstellung reicht aus, um das Gedankenkarussell in Gang zu setzen. Fear Play kann dadurch auf verschiedenen Ebenen erlebt werden.
In einer Fear Play-Session soll Angst in einem abgesteckten Rahmen erlebt werden. Auf welchen Zeitraum sich diese Session erstreckt und ob das Spiel mit Erwartungen ein Teil davon ist, entscheiden die Spielenden individuell. Bei einer so intensiven Praxis ist ausgiebige Kommunikation davor, danach und währenddessen unabdingbar – Stichwort: Aftercare. Wie in allen Spielarten des BDSM, ist auch hier die Einvernehmlichkeit Grundlage für jede Session.
Mit individuellen Ängsten spielen
Unter Fear Play fallen eine Menge Spielarten: Rollenspiele oder auch Wachsspiele sind zwei Möglichkeiten zum Einstieg. Interessant wird es besonders dort, wo persönliche Ängste wie etwa Klaustrophobie oder auch Angst vor Messern oder Nadeln ins Spiel kommen. Hierbei können eigene Szenarien geschaffen werden, die schon im Vorfeld Geist und Körper in Alarmbereitschaft setzen.
Das Spiel mit individuellen Ängsten bringt große Verantwortung für den dominanten Part mit sich. Bereits das bloße Teilen persönlicher Furchtszenarien ist eine intensive und emotionale Erfahrung, mit der respektvoll umgegangen werden sollte. Je nach Spielart, bedeutet es auch, dass Fear Play eine Praxis ist, welche ganz reale Gefahren und Risiken mit sich bringt. Authentische Angst kann etwa einen Schock auslösen. Daher ist es besonders wichtig, sich der Ängste des Sub-Parts bewusst zu sein und sich im Vorfeld abzusichern.
Während bestimmte Ängste vielleicht verführerisch sind, so sollte die Situation in einem kontrollierbaren Rahmen stattfinden. Weder Spinnen noch andere Tiere machen sich gut in einer Session.
Warum ist Fear Play so reizvoll?
Die Gründe, weshalb uns das Spiel mit der Angst anderer anmacht, sind so verschieden wie die Menschen selbst. In vielen Fällen ist die einfache Antwort: Macht. Angst auszulösen ermächtigt. Zugleich haben die meisten von uns Angst vor gefährlichen, kraftvollen Dingen. Dieses Gefühl finden viele Doms sexy. Sie lösen damit etwas aus, was außerhalb des Alltäglichen liegt. Gleichzeitig erfahren sie hautnah das Vertrauen, welches ihr Sub in sie hat, wenn die Hoheit über die eigene körperliche Unversehrtheit auf sie übertragen wird.
Dass Subs in diesem Fall die Entscheidung über ihre Angsterfahrung bewusst abgeben, bestätigt die jeweiligen Doms in ihren Machtpositionen. Für die Person, die Angst erfährt, kann Fear Play genauso berauschend sein. Wenn der Hormoncocktail wirkt, tritt der Alltag in den Hintergrund. Nur der Moment und das Spiel zählen. Die Angst löst entweder einen Flight-, Fight- oder Freezereflex aus. Die jeweilige Reaktion kann von einer aufmerksamen dominanten Person weiter in das Spiel eingebunden werden.
Dabei bringt der oder die Sub den eigenen Körper an Grenzen, steigert als Reaktion Wahrnehmung, Empfindungen und Kraft. Angst führt oft zu erhöhter Körpertemperatur, schnellerer Atmung, höherem Puls sowie schwitzigen Händen. Diese Erweiterung der eigenen Gefühls- und Sinneswelt beflügelt und führt gleichzeitig die eigene Verwundbarkeit vor Augen.
Hierbei muss es im Bereich Fear Play nicht gefährlich werden, sondern nur maßgeblich intensiv. Die intime Verbindung basiert auf Vertrauen und auch auf dem Machtgefälle, das durch dieses Spiel verdeutlicht wird.
Wie sieht Fear Play in der BDSM-Praxis aus?
Fear Play bietet eine ganze Optionspalette an Spielarten und Praktiken. Das könnte ein Rollenspiel mit einer Maske sein oder der inszenierte Überfall in den eigenen vier Wänden. Manchmal reicht auch auch etwas Subtileres, etwa ein Streichholz, das über die Haut tanzt.
Eine beliebte Praktik im Fear Play sind die bereits genannten Rollenspiele. Dabei können die klassischen Positionen mit festgelegtem Machtgefälle ausgebaut und statt einer sexy Bestrafung mit der Ungewissheit gespielt werden. Es gibt aber auch Rollenspiele mit konkretem Angstfaktor: Entführungen, Verhörspiele oder bestimmte Doktorspiele.
Fear Play kann mit oder ohne Hilfsmittel und Tools ablaufen. Ganz nach dem Motto: „Messer, Schere, Feuer, Licht sind für kleine Kinder nicht“ – dafür aber für BDSMler. Nadelspiele, Messerspiele, Feuer, selbst Kerzen können je nach individueller Neigung beängstigend sein. Dabei kann man mit dem Gefühl auf der Haut, dem Visuellen, dem Geräusch und dem Zusammenspiel von all diesen Wahrnehmungen spielen.
Extreme Praktiken gehören bei vielen Spielenden im BDSM dazu. Bei solchen Formen spielt neben der physisch spürbaren Angst auch die psychische Angst vor der Ohnmacht eine Rolle. Die eigene Unversehrtheit zu gefährden, gibt vielen Subs einen besonderen Kick.
Sicher spielen, auch beim Fear Play
Der BDSM-Grundsatz SSC, also "Safe, Sane and Consensual", gilt beim Fear Play ganz besonders. Doch Angst ist kein kontrollierbares Gefühl. In einer Situation starker Angst kann die oder der Sub die Grenzen oft nicht klar kommunizieren. Deshalb ist es so wichtig, vorher transparent über Risiken und Konsequenzen gesprochen zu haben. Der dominante Part muss sich regelmäßig fragen, ob die Situation sich noch im vereinbarten Rahmen bewegt oder Grenzen überschritten werden und auf die Einhaltung von SSC achten.
Ein Safeword oder ein nonverbales Zeichen sollte immer bestehen, das den sofortigen Abbruch ermöglicht. Wenn der Ausgang einer Situation im Spiel bekannt ist und beide dies auch bewusst in Kauf nehmen, spricht man von RACK – "Risk Aware Consensual Kink". Für die eigene physische Sicherheit gilt es, alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen und sich auch auf eine intensive Aftercare vorzubereiten.
Nehmt euch die Zeit nach dem Spiel, um euch gegenseitig aufzufangen und nutzt dafür auch eine räumliche Trennung vom Spielort. Da die Erfahrung so intensiv ist, kommt es danach häufig zu einer starken emotionalen Situation oder gar einem Sub-Drop. Auch von dem dominanten Part fällt eine enorme Verantwortung nach dem Spiel ab.
Egal auf welche Praktik ihr für Fear Play setzt – es ist wichtig, sich über diese umfassend zu informieren und zu bilden. Ein großes Angebot an Workshops und Lernmaterialien erleichtert den Zugang auch zu den ungewöhnlichsten Vorlieben.
Um einem schlimmen Ende vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Situation durchzusprechen und auch den Worst-Case vorzubereiten, also auch die 112 im Telefon vorzuwählen.
Ist Fear Play etwas für dich?
Fear Play ist nichts für den Anfang einer Spielbeziehung und sollte daher nur von Erfahrenen gehandhabt werden. Fehlt das Vertrauen oder die Kenntnis der anderen Person, wird aus dem Angstspiel schnell ein Horrortrip. Doch sind die Grundvoraussetzungen von Vertrauen, Erfahrung und offener Kommunikation gesetzt, bietet Fear Play die Möglichkeit für Grenzerfahrungen, die das Leben intensivieren.
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