Nina (46) ist transgender. Vor sieben Jahren hatte sie ihr Coming Out bei ihrer Frau. Wie es ist, sich falsch im eigenen Körper zu fühlen und warum sie es heute genießen kann, ihre eigene Sexualität neu zu entdecken, hat sie mir im Interview erzählt.
Autorin: Flora_Linaria
Transgender – was ist das?
Menschen, deren Geschlecht von dem abweicht, das man ihnen bei der Geburt zugewiesen hat, bezeichnet man als transgender. Ihr Geschlecht passt nicht zur ihrer Geschlechtsidentität. In Ninas Fall: Sie ist eine Frau. Bei der Geburt wurde ihr das männliche Geschlecht zugewiesen.
Ich bin eine Frau – das Coming Out
Bis vor sieben Jahren lebte Nina als Mann. "Seitdem ich denken kann, habe ich mich falsch in meinem Körper gefühlt. Ich habe es immer nur verdrängt. Selbst meine Frau ahnte nichts. Wir waren drei Jahre zusammen, als ich ihr schließlich gestand, dass ich mit meiner männlichen Rolle nicht mehr zurecht komme. Da war sie gerade mit unserem zweiten Kind schwanger. Das Gefühl, ein falsches Leben zu führen, hat mich kaputt gemacht."
Wenn die Partnerin vom Mann zur Frau wird, dann ist das für sie ein großer Schritt – und auch für die Menschen um sie herum. Die Offenheit und die Art, wie Ninas Frau Engelskaetzchen damit umging, habe ihr sehr geholfen. "Wir haben viele, lange Gespräche geführt. Sie hat mich von Anfang an unterstützt. Unsere Beziehung wurde dadurch noch intensiver und inniger." Diese tiefe Verbundenheit helfe ihnen bis heute, Schwierigkeiten zusammen durchzustehen.
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Transidentität und Partnerschaft: Den Weg gemeinsam gehen
"Wir haben vereinbart, dass wir es langsam angehen. Aber eben gemeinsam als Paar. Es fing an mit lackierten Fingernägeln, rasierten Beinen und dem gelegentlichen Tragen von Strumpfhosen. Zunächst nur im Schlafzimmer, später auch in der Öffentlichkeit." Schritt für Schritt wurde aus Nina zu der, die sie ist.
Veränderungen gab es auch in ihrem gemeinsamen Sexleben. "Meine Frau und ich haben festgestellt, dass Penetration nicht mehr zu uns passte. Dieses 'rein, raus' war einfach nicht mehr unser Ding. Das tat mir sehr gut. Denn es setzte dort an, wo mein Problem war: Ich musste davor sexuell immer funktionieren. Zwar hatte ich Orgasmen, die ich Abspritzmomente nannte, mein Sperma wollte ich danach aber immer so schnell wie möglich loswerden. Es fühlte sich nicht richtig an. Sich mit ihr auf diese neue Art der Sexualität einzulassen, war großartig. In diesem Prozess haben wir gelernt, viel offener miteinander umzugehen – ganz egal, ob es unser Sex- oder Gefühlsleben betrifft."
Ihre Beziehung stößt bei Außenstehenden oft auf Missverständnis und Verwunderung. "Meine Frau wird immer gefragt, ob sie jetzt lesbisch sei. Sie ist jetzt genauso bisexuell, wie sie es vorher schon war. Wir finden es merkwürdig, dass Menschen immer nur in diesen zwei Kategorien denken. Meine Transition (der Wechsel des Geschlechts) hat das Bild, das Menschen von ihr haben, verändert. Dafür gibt es meiner Meinung nach keinen Grund. Sie ist immer noch mit dem gleichen Menschen zusammen."
Zeit für neue Rollenbilder
Mit ihrer Familie ist Nina bisweilen in den Medien präsent. Warum wählt sie diesen Weg? "Ich sehe mich natürlich nicht als Repräsentantin aller trans Personen, aber ich versuche ein Rollenbild zu zeigen, das aussagt: Trans und Familie – das geht. Wir leben gemeinsam mit unseren Kindern in einer Kleinstadt in Ostwestfalen. In meiner Heimatstadt habe ich mittlerweile ein sehr großes Unterstützungspotential. Wenn ich zum Bäcker gehe, kennt man mich. Die Leute sind nicht mehr überrascht, wenn sie mich sehen."
Nichtsdestotrotz muss sie auch viel Spott ertragen. Nina erzählt: "Diskriminierung und Unverständnis kommen immer vor, wenn man anders ist. Es klingt schlimm, wenn ich sage, dass ich mich daran gewöhnt habe, aber wenn heutzutage jemand gafft, lächele ich und sage: 'Sie können ruhig gucken. Davon geht es nicht weg.' Oder: 'Konnten Sie sich das Geschlecht aussuchen? Ich nicht.' Ich versuche einen kleinen Denkanstoß zu geben und gehe weiter."
Wenn die Haut zarter wird, der Bartwuchs aber nicht nachlässt
Wie ihr Verhältnis zu ihrem Körper heute ist, frage ich sie. "Ich bin kein Mann und konnte es auch nicht ertragen, als einer zu leben. Deswegen habe ich über die medizinische Seite sorgfältig nachgedacht. Hormone nehmen und sich operieren lassen", sagt Nina. Das Hormon Testosteron ist verantwortlich für die Körperbehaarung, den Bartwuchs und den männlichen Körperbau. Durch die Einnahme von Östrogen beginnt das Brustwachstum wie in der Pubertät. Zudem kann es zu einer weiblichen Fettverteilung, zarter Haut und weniger Körperbehaarung kommen. Die Veränderung fällt aber bei jedem Menschen anders aus. Sie ist abhängig von der Veranlagung und begrenzt durch den gegebenen Körperbau.
Transsexualität wird auch im JOYclub Forum gerne diskutiert, lies mit!
Als sie vor zwei Jahren mit der Hormonbehandlung anfing, wurde Ninas Haut sensibler und viel weicher. Der Bartwuchs wurde langsamer. Ihre Stimme veränderte sich jedoch nicht und die Körperbehaarung blieb. "Aus dem Grund hasse ich meinen Körper nach wie vor. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, sehe ich einen Kerl. Behaart und ungeschminkt. Bartstoppeln sind so verdammt unsexy", sagt Nina und verzieht dabei das Gesicht. "Mittlerweile habe ich mich aber etwas mit diesem Kerl arrangiert. Eine lange Zeit kam ich mit ihm überhaupt nicht klar."
Gleichzeitig haben die Hormone aber auch körperliche und psychische Auswirkungen auf das Sexualverhalten. Etwas Entscheidendes änderte sich: Die Erektion blieb aus. "Ich hatte endlich keine Morgenlatte mehr. Das tat so gut", erzählt sie grinsend.
Auswirkungen auf die Sexualität und Lust
Mit der Erektion war allerdings auch die Erregung weg. "Ich habe vor zwei Jahren festgestellt, dass ich durch die Hormonbehandlung Schwierigkeiten hatte, zu kommen. Das Testosteron war ausgeschaltet, das war aber notwendig für einen Orgasmus. Ich konnte mich zwar ein bisschen erregen, aber ich kam nicht zum Höhepunkt. Das war ein beschissener Zustand."
Die Klitoris verfügt über mehr Nervenenden als Penis und Eichel. Daher benötigt Nina eine sehr intensive Stimulation, um in diesem Bereich überhaupt etwas zu spüren. Ihre Wunderwaffe hieß: Auflagevibrator. "Zwei Jahre nach meiner Hormonbehandlung hatte ich endlich wieder einen Orgasmus – mit einem Auflagevibrator. Ich habe mich unglaublich gefreut, dass es noch funktioniert."
Im Herbst letzten Jahres folgte ein weiterer großer Schritt: Nina unterzog sich einer geschlechtsangleichenden Operation. Was bei der Operation wurden der Penis und die Hoden operiert und zu einer Vulva umgeformt.
Die meisten trans Frauen wollen eine Operation, bei der ein Vaginalgang geschaffen werden soll. Nina entschied sich für eine rein äußere Angleichung. Warum? "Es ist eine sehr aufwendiger Eingriff, den ich für meine Sexualität nicht brauche. Es ist eine Körperöffnung, die für das, was ich an Sexualität in meinem Leben praktizieren will, nicht notwendig ist. Ich bin eine dominante Lesbe. Ich brauche kein Loch bzw. brauche ich niemanden, der mir irgendwas reinsteckt. Sollte ich doch mal wieder etwas mit einem Mann haben, haben meine zwei Körperöffnungen bisher auch gereicht."
Und ergänzt lächelnd: "Es ist unfassbar, was mein Arzt hinbekommen hat: Ich kann feucht werden! Es sieht nicht nur echt aus, es fasst sich auch sehr schön an. Ich muss meine Sexualität immer wieder neu lernen. Denn: Es gibt Stellen, von denen ich vorher nicht mal wusste, das sie mir gut tun. Mein Leben lang war ich darauf trainiert, dass ich erregt werde, wenn ich zwischen die Beine einer Frau fasse und sie feucht ist. Die Erregung meiner Partnerin hat mich erregt. Und jetzt passiert es bei mir selbst. Ich werde feucht vom feucht sein. Das genieße ich so."
Transidentität und BDSM
Zum Entdecken und Genießen ihrer Sexualität als Frau gehört auch das Ausleben von BDSM. "Als dominante trans Frau muss ich mich in der Szene oft erklären. Denn: Im BDSM-Bereich existieren verschiedene Rollen, in denen Männer Frauenkleider tragen – feminisierte Rollen als Fetisch oder als Bestrafung. Trans Frauen werden dabei wie folgt wahrgenommen: Sie wechseln von der starken, männlichen Rolle in die schwache, weibliche Rolle. Daher muss ich öfters klarstellen, dass ich keinen Fetisch habe, sondern wirklich eine 'Domse' (weibliche Form von "Dom") bin.
Dominanz heißt für mich, den eigenen Willen zu äußern. Und zwar so, dass die andere Person Lust verspürt, den Wunsch zu erfüllen. Dominanz kann etwas sehr Harmonisches sein, wenn der Partner dazu passt." Mit wem lebt sie BDSM aus? "Ich spiele mit meiner Frau und habe eine feste Spielpartnerin. Am Anfang unserer Ehe hat BDSM eine große Rolle für mich und meine Frau gespielt. Nach der Geburt unseres ersten Kindes hatte sich etwas verändert, es wurde seltener. Das war mir zu wenig. Wir sprachen miteinander und entschieden, die Ehe in gewissen Bereichen zu öffnen. Mit der Grundregel, dass ich neben ihr nur eine Spielpartnerin habe, mit der ich mich treffe. Das funktioniert sehr gut."
Nina fährt fort: "Ich habe sogar für beide Frauen ein individuelles Halsband entworfen. Das Halsband besitzt für mich etwas Symbolisches: Mit dem Anlegen tauchen wir in eine andere Welt ein – die Leine verbindet uns. Und das übrigens ohne Sex. Ich finde die Befriedigung beim BDSM sehr gut, so ist es nicht. Ich bleibe dabei trotzdem gerne komplett bekleidet."
Ninas bewegende Geschichte zeigt, dass Liebe und Offenheit Hürden überwinden können. Die Veränderungen, die sie erlebt hat, nachdem sie ihr Geschlecht hormonell und operativ veränderte, hatten großen Einfluss darauf, wie sie sich selbst und das Leben wahrnimmt.
Wie für die meisten Menschen sind Sex und Lust auch für sie wichtige Bestandteile im Leben. Mittlerweile kann sie es genießen, ihre eigene Sexualität immer wieder neu zu entdecken und ihre sexuellen Neigungen auszuleben.
Ich bedanke mich bei Nina für das Interview!
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