Bist du schon einmal einem Menschen begegnet, der dich eine tiefe und aufrichtige Liebe hat spüren lassen - und dann aus dem Nichts Schluss gemacht hat? Ja? Dann hast du dich sehr wahrscheinlich in einen "Emotions-Vampir" verliebt: in einen Menschen, der die Gefühle seines Gegenübers förmlich aussaugt. Oft ohne ein schlechtes Gewissen. Doch was bringt diese Emotions-Vampire dazu, sich so zu verhalten?
Ein Gastbeitrag von Ramona Fenner
Ramona Fenner betreibt eine Spezialpraxis zur Eifersucht-Therapie. Immer wieder kommen Klienten in ihre Praxis, denen es wie zuvor beschrieben ergangen ist. Unter ihnen sind auch aktive JOYler, weshalb sie die Idee hatte, uns das Phänomen des Emotions-Vampir näher vorzustellen und somit den Betroffenen beim Überwinden einer solchen Erfahrung zu helfen. In ihrem Interview mit einem waschechten Emotions-Vampir erfahrt ihr, welche Ängste einen Menschen zu einem solchen Vampir werden lassen.
Bist du auch schon einmal an einen Emotions-Vampir geraten?
Du weißt es, wenn dir folgende Situation bekannt vorkommt: Du hast dich gerade bis über beide Ohren verliebt und alles läuft perfekt. Dein Gegenüber lässt keine Gelegenheit aus, um dich von seiner Liebe zu überzeugen. Immer wieder denkst du: Genau so soll es sein, so kann es bleiben. Genau so hab ich es mir immer gewünscht! Wie ein Traum. Bereits nach kurzer Zeit schmiedet ihr sogar Zukunftspläne darüber, wie toll es wäre, wenn ihr zusammenleben würdet.
Und dann, von heute auf morgen, hörst du plötzlich nichts mehr von diesem geliebten Menschen. Kein Anruf. Keine Nachrichten. Als deine Ungewissheit unerträglich wird, kommt eine kurze Nachricht auf deinem Handy an: "Ich kann nicht mit dir zusammen sein. Es ist vorbei." – Rums! Der Mensch, mit dem du dein ganzes Leben teilen wolltest, hat dich einfach beiseite geschoben, wie eine unliebsame Sache, der man überdrüssig geworden ist. Ohne einen erkennbaren Grund. Und er wird dir auch keinen nennen.
Ab jetzt beginnt er dich nämlich zu ignorieren. Er will sich nicht mehr mit dir oder deinen Gefühlen herumplagen. Für ihn ist die Sache erledigt und das hast du – aus seiner Sicht – auch gefälligst zu akzeptieren. Wie tickt ein Mensch, der sowas macht?
Interview: Wie tickt ein Emotions-Vampir?
Vorab: Die Aussagen des Interviewpartners werden hier weder be- oder verurteilt, sondern dienen als Information! Jeder Mensch hat Gründe für sein Verhalten. An dieser Stelle gilt dem Interviewpartner ein besonderer Dank für seine Offenheit.
Ramona Fenner: Befindest du dich aktuell in einer Beziehung?
Niklas: Nein, ich bin Single und das gefällt mir auch sehr gut. Ich bin ein glücklicher Single.
Ramona Fenner: Wie lange dauerte deine längste Beziehung?
Niklas: Meine Beziehungen gingen nie über einen längeren Zeitraum. Meistens beende ich sie nach ein paar Monaten wieder. Aber ich hatte mal eine Fernbeziehung über zweieinhalb Jahre. Das war gar nicht so schlecht, da ich unterhalb der Woche mein Single-Leben hatte. Auf die Wochenenden habe ich mich dann immer gefreut, weil ich ja verknallt gewesen bin. Doch je älter ich werde, umso kürzer sind meine Beziehungen. Ich gehe weniger Kompromisse ein.
Ramona Fenner: Warst du schon mal richtig verliebt?
Niklas: Ja natürlich war ich schon verliebt. Sehr oft sogar und sehr intensiv, zumindest am Anfang. Aber wer liebt, der leidet auch – bei mir war das früher sehr extrem.
Ramona Fenner: Wenn du dich verliebt hast, möchtest du dann auch mit der Person zusammen sein?
Niklas: Tja, das ist so eine Sache. Auf der einen Seite möchte ich, dass die Frau natürlich nur auf mich fokussiert ist und mir ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Auf der anderen Seite will ich mich aber nicht zu sehr festlegen. Also in Form von einer richtigen Beziehung.
Ramona Fenner: Das bedeutet, du willst von deinem Gegenüber ein verbindliches Verhältnis, aber von deiner Seite willst du unverbindlich bleiben?
Niklas: Ja, so könnte man es sagen…
Ramona Fenner: Wenn du dich in einem solchen Verhältnis befindest, bist du dann manchmal auch eifersüchtig?
Niklas: Oh ja, ich kann dann sogar sehr eifersüchtig sein, z B. wenn sie mit anderen flirtet, da bin ich schnell enttäuscht und meine Laune verschlechtert sich deutlich. Oder wenn sich die Frau noch in einer Beziehung befindet, dann möchte ich auf jeden Fall, dass sie sich trennt! Da bin ich egoistisch.
Ramona Fenner: Wenn du dich in eine Frau verliebst, hast du da von Anfang an den Gedanken, dass du trotz aller Gefühle keine feste Beziehung mit ihr willst?
Niklas: Nein. Ganz so ist es nicht. Am Anfang fühlt es sich gut an. In so einer Phase möchte ich eigentlich schon eine Beziehung und ich wünsche mir auch immer, dass es doch endlich mal funktioniert. Aber im Grunde weiß ich zu 99 Prozent, dass ich nicht in der Lage bin, eine feste Beziehung zu führen. Der Wunsch besteht zwar irgendwo, aber bei einer Chance von 1 Prozent, dass es tatsächlich mal klappt, gehe ich eher davon aus, dass ich es nicht schaffe.
Ramona Fenner: Also du gehst im Prinzip von einem Scheitern des ganzen Unterfangens aus. Sprichst du mit der Frau auch darüber oder sorgst du eher noch dafür, dass sie dir glaubt, dass du es ernst mit ihr meinst?
Niklas: Na, ich sorge schon dafür, dass sie weiterhin von mir begeistert ist und überzeuge sie davon, dass ich nur mit IHR zusammen sein will. Ich sage ihr dann auch solche Sachen wie: "Du, das mit uns, das passt mal so richtig gut. Mit dir fühle ich mich so ganz anders, als mit den anderen." Und das unterstreiche ich dann mit solchen Gesten, wie etwa kleine Liebesbeweise oder stelle sie meinen Freunden und meiner Familie vor. Also das mache ich schon.
Ramona Fenner: Spielst du der Frau dann nur die Gefühle vor, um dein Ziel zu erreichen?
Niklas: Nein. Wenn ich einer Frau Komplimente mache oder ihr sage, dass ich mich unglaublich gut mit ihr fühle, dann empfinde ich das in dieser Situation auch genau so. Das ist ja genau der Reiz für mich. Ich genieße dieses Gefühl vom Verliebtsein. Nur hinterher ist das alles dann schnell wieder verschwunden.
Ramona Fenner: Aber wenn du dir doch bereits von Anfang an sicher bist, dass es nicht funktionieren wird, warum machst du der Frau überhaupt solche Hoffnungen?
Niklas: Na, weil es ja immer noch dieses eine Prozent gibt. Zumindest für einen sehr kurzen Augenblick denke ich eben an diese – zugegeben sehr kleine - Möglichkeit. Doch dann überwiegt am Ende wieder der Gedanke, dass es ja sowieso nicht klappen wird.
Ramona Fenner: Ab wann kommt der Moment, wo du den Kontakt zu dieser Frau beendest?
Niklas: Wenn ich merke, dass es mir zu nah wird. Dann fühle ich mich von der Frau unter Druck gesetzt und in meiner Freiheit eingeschränkt. Also in dem Moment, wo sie mir ganz klar sagt, dass sie eine Beziehung mit mir will oder wenn sie sich von ihrem Partner getrennt hat.
Ramona Fenner: Das heißt, in dem Augenblick, in dem du dein Ziel erreicht hast, also wenn du die Frau vollkommen von dir überzeugt hast, dass sie sogar ihren Partner für dich verlässt, beendest du euer Verhältnis?
Niklas: Wenn sie ihren Partner verlässt, ist das nicht unbedingt der Auslöser. Nur, wenn es mir zu nah wird, beende ich es. Ich will keine verpflichtende Beziehung.
Ramona Fenner: Hast du Angst vor einer Beziehung? Und falls ja, warum?
Niklas: Eine gewisse Angst habe ich schon. Will meine Freiheit weiter leben. Die ganzen Planungen, wie z.B. die Wochenenden gestaltet werden etc., mag ich nicht. Weiterhin könnte es passieren, dass mich die Frau irgendwann verlässt. Diesen Schmerz will ich mir ersparen und deshalb lasse ich es erst gar nicht so weit kommen.
Ramona Fenner: Wie beendest du es?
Niklas: Ich schreibe ihr eine kurze Nachricht. Wenn dann noch weitere Antworten oder Fragen kommen, reagiere ich nicht mehr darauf. Ich sehe mich nicht in der Pflicht für weitere Erklärungen. Natürlich weiß ich, dass es über Whatsapp blöd ist, aber es bringt ja auch nix.
Ramona Fenner: Wie fühlst du dich dabei, wenn du diese Nachricht schreibst?
Niklas: In dem Moment geht es mir echt schlecht. Ich fühle mich wirklich mies. Eventuell bin ich noch am nächsten Tag traurig, weil ich festgestellt habe, dass "Es" das doch nicht gewesen ist. Aber kurz danach ist das vorbei und ich habe die ganze Sache vergessen.
Ramona Fenner: Mit "ganzer Sache", meinst du damit euer Verhältnis, die Gefühle, die auch von deiner Seite im Spiel waren, all eure gemeinsamen Erlebnisse und schönen Momente?
Niklas: Ja. Es ist mir dann ab diesem Zeitpunkt egal. Es ist unwichtig geworden. Ich habe bekommen, was ich wollte: Liebe, Aufmerksamkeit, Bestätigung, jede Menge schöner Gefühle – doch das habe ich mit anderen Frauen ja auch. Bevor es also kompliziert wird, habe ich es lieber beendet. Man weiß ja, dass die Nächste kommt. Also suche ich wieder nach der nächsten Dame, mit der ich all diese schönen Dinge ganz unverbindlich erleben kann. Mit einer anderen Frau ist das Neue sehr reizvoll. Zumindest bis zu dem Punkt, wo sie mich wirklich für sich haben will.
Wie wird man zum Emotions-Vampir?
Dieses Gespräch gibt einen kleinen Einblick in die Gefühlswelt von sogenannten "Emotions-Vampiren". Nachdem sie von ihrem Gegenüber maximale Zuneigung und Bestätigung bekommen haben, um sich selber gut zu fühlen, verschwinden sie einfach, bevor sie sich irgendwelche Gegenleistungen stellen müssen – etwa in Form einer verbindlichen Beziehung.
Es gibt viele Gründe für ein solches Verhalten. Manche trösten sich so über eine verflossene Beziehung hinweg. Andere haben Bindungsängste und für wieder andere ist es ein reines Machtspiel. Bei meinem Interviewpartner liegt der Grund in der Angst, sein altes Leben neu strukturieren zu müssen und auch im Risiko, vielleicht selbst den Schmerz des Verlassen-Werdens wieder zu fühlen.
Es handelt sich um eine Beziehungsangst - und diese ist größer als das Gefühl des Verliebtseins. Außerdem geht er ganz selbstverständlich davon aus, dass er immer wieder "eine Andere" finden wird. Bis zum echten Gefühl einer tiefer gehenden Liebe lässt er es deshalb gar nicht erst kommen.
Knoblauch und Weihwasser - oder was hilft gegen einen Emotions-Vampir?
Doch was kann man tun, um sich vor solchen Menschen zu schützen? Oder wenn man erst einmal in so eine Situation geraten ist, wie kommt man da wieder raus? Diese Fragen sind pauschal nicht zu beantworten, denn erstens sind diese Menschen oftmals sehr geschickt im manipulieren anderer Menschen und zweitens kann man sich emotional nicht von heute auf morgen von einer vermeintlich "großen Liebe" lösen.
Letzteres braucht Zeit, egal wie sehr unser Verstand bereits die Sache nüchtern bewertet hat – unser Herz braucht da deutlich länger. Um dem Ganzen vorzubeugen, solltest du eine gesunde Skepsis walten lassen, wenn von Anfang an deine neue Bekanntschaft ständig übermäßig von dir schwärmt. Weiterhin solltest du genau hinhören, wie diese Person von ihren Ex-Beziehungen spricht – das kann nämlich sehr aufschlussreich sein! Achte darauf, ob dein Gegenüber authentisch oder eher theatralisch wirkt.
Ein Emotions-Vampir hat mich gebissen - und nun?
Wenn du trotz aller Vorsicht einem Emotions-Vampir "in die Falle" gegangen sein solltest, dann helfen im Grunde nur dieselben Strategien wie zur Bewältigung von Liebeskummer: Nimm dir die Zeit, um zu trauern, mache dir immer wieder bewusst, dass es nicht an dir lag, sondern dein Gegenüber schlussendlich nur Luftschlösser gebaut hat.
Ja, diese Erkenntnis tut weh, deshalb solltest du dir auch die Zeit zugestehen, alles zu verarbeiten. Sprich mit Freunden darüber oder nimm in schweren Fällen professionelle Hilfe in Anspruch. Gehe bald wieder raus und unternimm etwas, das dir Freude macht. Die erste Zeit wird es dir vielleicht schwer fallen, aber wenn der erste Schock verdaut ist, solltest du wieder aktiv werden.
Es heißt nicht ohne Grund: "Das beste Mittel gegen Liebeskummer ist eine neue Liebe." Unternimm also sämtliche Sachen, die dir gut tun. Nur: Mach nicht den Fehler und werde aus Kummer oder der Enttäuschung heraus selbst zu einem "Emotions-Vampir"…
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Mehr zum Thema "Emotions-Vampire" und Eifersucht erfährst du auf der Webseite von Ramona Fenner. Bist du auch schon einmal an einen Emotions-Vampir geraten? Erzähl uns deine Geschichte im Beziehungs-Forum!