Pornofilme, in denen Frauen Männer züchtigen, sind eine Spielart des SM-Pornos. Für Folge 7 seiner Reise durch Pornodeutschland besuchte Philip Siegel, Autor des Buches "Porno in Deutschland, einen Dreh, bei dem eine Domina diverse Männer unterwarf. Eine der seltsamsten Stationen seiner Recherchephase, wie der Autor zugibt.
Domina Syonera von Styx bittet zur Audienz
Ich betrete den kühlen Hausflur des kleinen, gedrungenen Backsteingebäudes, gehe, so wie es mir gesagt wurde, bis ans Ende und drücke dort einen einzelnen Klingelknopf. Es dauert eine ganze Weile, bis hinter der milchigen Glasscheibe eine Silhouette auftaucht: eine junge Frau, kurzgeschnittenes Haar, schmales Gesicht, eine knapp sitzende, kurze Hose und ein eng anliegendes Oberteil, beides aus schwarzem Leder. "Hallo", begrüßt mich die Frau. "Ich bin Nummer 8. Bitte folge mir."
Ich folge ihr in das Reich von Syonera von Styx. Die Domina lässt mich von ihrer Assistentin abholen. Über das Treppenhaus geht es ins zweite Stockwerk. Überall stehen Utensilien, Schmuckgegenstände, Kerzenständer, überdimensionierte Dildos aus Silber herum, hängen Vorhänge, Teppiche, Folien an den in unterschiedlichen Farben bemalten Wänden. Auf dem Treppenabsatz liegen zwei metallene Krokodile, dann eine Vase mit goldenen Blumen.
Bilder sind aufgehängt, die meisten zeigen Syonera: ein strenges, osteuropäisch breites Gesicht, mit hohen Wangenknochen, tiefliegenden Augen und blondem, künstlich anmutendem Haar. Streng und überzeugt schaut sie in die Welt. Kleine Springbrunnen sprudeln unablässig vor sich hin. Zudem: überall Zeug, Kram, alles irgendwie SM. Das ganze Haus wirkt wie eine Villa Kunterbunt für Extrem-Veranlagte. Von der Straße betrachtet aber wirkt es wie der Wohnsitz vereinsamter Rentner. Die perfekte Tarnung.
Domina-Pornos behandeln Thema, das in der Gesellschaft keins ist
Da einer der Vorwürfe, die dem Pornogenre immer wieder gemacht werden, darin besteht, bei Pornofilmen würden Frauen bedrängt, gedemütigt, gar missbraucht, war mir schon nach den ersten Wochen meiner Reise klar, dass es wichtig sein würde, bei den Dreharbeiten zu einem Domina-Film dabei zu sein. Wenn Frauen Männer quälen, was sagt das über das Genre? Werden sich diese Dreharbeiten von SM-Filmen, in denen Frauen den devoten Part einnehmen, unterscheiden? Dass Frauen Männer schlagen, ist in der Gesellschaft kaum ein Thema. Denn dieses Phänomen stellt das übliche Koordinaten-System der Mann-Frau Beziehung auf den Kopf.
Als mir Syonera von Styx jetzt entgegenkommt, groß, bestimmend und mir freundlich die Hand gibt, ahne ich nicht, dass dieser Dreh der merkwürdigste und extremste meiner Reise werden wird.
Nummer 8 taucht auf.
"Komm, wir gehen in den Keller", meint sie.
"Wieso hast du diese Nummer?" will ich wissen.
"Die Zahl 8 habe ich von Syonera bekommen, und ich bin stolz darauf. Die 8 steht für die Unendlichkeit."
Wir gehen die Steintreppe hinab. Sofort wird es kühl und es riecht nach feuchtem Keller. Die Wände bestehen aus unverputztem Mauerwerk. Nummer 8 zeigt mir die Räumlichkeiten. Zur linken befindet sich eine winzige, schmale Zelle, die einzigen Gegenstände darin sind ein alter Blecheimer und eine verschmutzte Matratze.
"Für 60 Euro kann der Kunde sich da für eine ganze Nacht drin einsperren lassen", erklärt mir Nummer 8. Ich folge ihr zu den zwei Räumen, die auf Schildern am Eingang als "Schwarzes Kabinett" ausgewiesen sind. Im Raum zur rechten stehen ein altertümlicher, ziemlich echt aussehender Pranger und am anderen Ende eine Art Thron. Im Zimmer zur linken befindet sich eine Streckbank mit Gewinde am einen und einer Verschlusshalterung für die Fußgelenke am anderen Ende.
Günter der Kameramann ist gerade dabei, das Licht einzurichten. Zuerst wird im Pranger-Raum gedreht. Mit einer fest installierten und einer mobilen Kamera, die Günter bedient. Syonera kommt hinzu. Sie hat sich in Schale geworfen. Ein knapp sitzendes rotes Lederkostüm, das ihren Hintern fast ganz sichtbar sein lässt, dazu Stiefel, die ihr bis über die Knie reichen. In Kombination mit dem blonden Haar macht das nicht nur einen erotischen, sondern auch einen strengen Eindruck. Man muss sagen: die Domina-Rolle ist Syonera wie auf den Leib geschneidert. Dass das auch eine ganze Menge mit dem Willen zur Stilisierung, zur Ästhetisierung der eigenen Person – auch bei den Bewegungen, der Sprache, der Betonung – zu tun hat, ist mir bereits aufgefallen, als ich mit ihr telefoniert habe. Der Domina-Duktus scheint bei Syonera eine Allgegenwarts-Performance zu sein, Rolle und Person verschmelzen ineinander. Bis jetzt zumindest.
Die Session für den Porno kann beginnen
Ein kleiner Mann kommt in den Raum. "Das ist Nummer 23", meint Syonera trocken. Er trägt einen Häftlingsanzug mit schmalen Streifen, dazu eine lederne Kopfmaske, die nur Augen, Nase und Mund freilässt. Dahinter folgt ein weiterer Mann, sein Häftlingsanzug hat breitere Streifen. Auch er trägt eine Kopfmaske. Syonera nennt ihn Nummer 7. 23 und 7 tragen an den Handgelenken und um den Hals Eisenringe, die mit Abus-Schlössern versehen sind. Warum trägt hier jeder außer Syonera und dem Kameramann eine Nummer? Syonera erklärt es mir.
"Hier sind Namen unwichtig. Wichtiger noch, du verlierst deinen Namen. Und schlüpfst in eine neue Identität. Du bist nur noch eine Nummer." Das liegt ganz im Wesen der hier praktizierten Dramaturgie. Die Anonymität der Nummerierung raubt dem Einzelnen die Persönlichkeit und entwertet ihn als Mensch.
"Nummer 7 ist mein Haussklave", meint Syonera zu mir.
"Was bedeutet das?"
"Er steht mir zu Diensten. Er putzt das Haus, räumt auf, kauft ein. Immer dann, wenn ich ihn brauche, kommt er vorbei."
"Bekommt er was dafür?"
"Nichts. Nummer 7 hat das zu tun, was ich ihm sage."
Der Kellerraum ist niedrig, man kann gerade noch aufrecht stehen, meint aber, trotzdem in gebückter Haltung gehen zu müssen. Das alte Gemäuer vermittelt den perfekten Eindruck der totalen Abgeschiedenheit. Die Spinnweben sind echt. Bei der Renovierung hat Syonera darauf geachtet, dass sie hängenbleiben.
"Mir gefallen eure schlaffen Schwänze nicht. Abbinden!"
Mit schwarzem Band binden sich 23 und 7 die Hoden ab.
"Los, hart machen", herrscht sie die beiden Männer an.
Die beginnen mit der Hand an sich rumzumachen.
"Schau mal 23, 7 ist schon weiter als du. Schneller."
Nach einer Weile:
"23, stell dich an den Pranger. Ich glaube, du musst mal durchgebumst werden. Und zwar damit."
Sie schnallt sich einen Dildo um, der an einem Ledergürtel befestigt ist.
"Cut! Wir bauen um", meint Syonera.
Ich arbeite mich aus der Ecke hinter dem Pranger hervor und verlagere meinen Standort in die Ecke gegenüber, neben den Thron.
"So, wie machen wir das jetzt?" überlegt Syonera laut. "7, stell dich mal zu 23 und befestige alles."
23 hat den Kopf bereits in die ausgeschnittene Holzöffnung des Prangers gelegt. Jetzt muss noch die Holzlatte mit der anderen halbkreisförmigen Öffnung herabgesenkt werden, damit der Hals komplett vom Holz umschlossen ist und 23 mit dem Kopf feststeckt. 7 ruckelt an der Holzlatte herum.
"Was ist denn mit 7 los, ist dir das Gehirn eingefroren hier im Keller. Du begreifst wohl das Prinzip nicht."
7 ruckelt eilig die Holzlatte herunter und lässt sie einrasten. 23 stöhnt auf. Durch das stählerne Halsband wird ihm durch die so zu eng gewordene Prangeröffnung die Luft abgeschnürt. Schnell schiebt 7 die Holzlatte wieder nach oben. Das Eisenband muss vom Hals entfernt werden, und als man endlich den Schlüssel für das Schloss gefunden hat, gelingt das auch. 23 wird nun ohne Probleme in den Pranger gesteckt.
"Das hat dir jetzt aber keine Punkte gebracht", ätzt Syonera. Diesen Spruch lässt sie des Öfteren fallen. Offenbar gilt: Wer Punkte sammelt, entgeht seiner Strafe. Aber da die Strafe von beiden Seiten gewollt ist, sammelt hier niemand Punkte. Komische Regeln. Die Dreherei kann weitergehen.
Syoneras Sklaven bewerben sich für die Pornodrehs
"7, mach dein Ding größer. Wir drehen hier auf Anschluss."
Man muss wissen: Die Männer bekommen für den Dreh kein Geld. Sie haben sich über Syoneras Internetseite gemeldet und für den Dreh beworben. Die Ledermaske sorgt für die nötige Anonymität. Über Interessenten kann sich Syonera nicht beklagen: Es gibt immer genügend "Nachschub" aus dem ganzen Bundesgebiet, auch aus Österreich und der Schweiz. Wer sind diese Männer? Welchem Beruf gehen sie nach? Vielleicht finde ich noch Gelegenheit, sie danach zu fragen.
Syonera nimmt eine rote Kerze und beträufelt damit Rücken und Hintern von 23. Dann zieht sie sich einen Latex-Handschuh an und schmiert den Hintern von 23 mit Vaseline ein. Sie bohrt mit dem Finger darin herum.
"Da geht sie ja richtig mit, unsere 23", und Syonera lacht, als flöge sie gerade auf einer Achterbahn durch die Luft.
Kurz wendet sie sich 7 zu und spuckt ihm ins Gesicht.
"Danke, Göttin." Das klingt immer gleichbleibend. Leise, gehorsam, auch ein bisschen traurig.
"Los 7, steck ihn in 23."
7 muss die 23 von hinten nehmen. Syonera stellt sich daneben und lacht. Dann entscheidet sie sich anders. Sie holt 23 aus dem Pranger und zwingt ihn in die Knie.
"Nimm seinen Schwanz in den Mund. Anlecken und saugen", fährt sie 23 an. "Absaugen, ich will den Gummi voll haben."
Die Domina-Pornos inszenieren Wunschszenarien
7 trägt ein Kondom. Die Männer machen keinen HIV-Test. Sie müssen, bevor sie anreisen, einen drei Seiten langen Fragebogen ausfüllen, der nach ihren Vorlieben und Grenzen fragt. Aus den Antworten stellt Syonera dann das Programm zusammen. Nichts, was hier geschieht, geschieht gegen den ausdrücklichen Willen einer Person. Im Gegenteil: Es sind Wunschszenarien, die hier durch Syonera Gestalt annehmen.
Dabei ist sie sich der heiklen Verschiebung der Kräfteverhältnisse bewusst. Später wird sie mir sagen, dass sie darauf achtet, immer noch Abwandlungen in das Programm einzubauen, mit Überraschungseffekten aufzuwarten, denn würde sie darauf verzichten, dann wäre ja nicht mehr sie die Meisterin, sondern bloß das ausführende Organ der Wunschliste ihrer vermeintlichen Opfer.
Dass das Verhältnis von Domina und devotem Mann durchaus widersprüchlich sein, zum Teil sogar paradoxe Züge aufweisen kann, wird sich später noch zeigen. Aber es ist und bleibt eine skurrile Aufführung. Es mutet zwischendurch an wie Theater. Nur dass die Rollen mit Haut und Haaren gespielt werden. Beide Seiten sind ineinander verstrickt, ein jeder braucht den anderen. Die Abhängigkeiten sind gegenseitig, auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als hielte Syonera allein die Zügel in der Hand.
"Ich zähle bis acht, dann muss 7 kommen."
Syonera beginnt zu zählen.
"1...2...3...4...5...6...7...7 ½....7 ¾....8."
Nichts ist passiert. 7 hat den Befehl verweigert.
"Geh die Peitsche holen", schnarrt sie ihn an. "Dafür gibt es 70 Hiebe."
7 kommt mit der Peitsche zurück, händigt sie aus und stellt sich mit erhobenen Armen an den Pranger. Syonera holt aus und lässt die Peitsche mit voller Wucht auf den nackten Hintern niederfahren. 7 stöhnt auf vor Schmerzen. Sofort zeichnen sich rote Striemen auf der Haut ab.
"Du darfst mitzählen", raunzt Syonera und holt wieder aus. Dabei tänzelt sie auf und ab und schlägt mal von der rechten, mal von der linken Seite.
So geht das tatsächlich 70 mal. Der Hintern von 7 glüht.
"Leidest du gerne für mich?" fragt sie ihn.
"Ja, meine Göttin."
"Wenn ich jetzt über deinen Arsch pisse, dann wird es sicher schön zischen. Los, leg dich auf den Boden."
Sie stellt sich über ihn und pinkelt ihn an.
"Dreh dich um."
Jetzt pinkelt sie ihm in den Mund. 7 verschluckt sich.
"Bedanke dich!"
"Danke, Göttin für die Aufmerksamkeit, die Sie mir entgegengebracht haben."
"Wollen doch mal sehen, ob du jetzt gehorchst."
Sie zählt erneut. 7 macht es sich selbst. Diesmal gelingt es ihm. Er kommt.
"Natürlich muss du die Wichse essen", schnauzt sie ihn an. 7 gehorcht. Dann darf er abtreten.
"Er mag das nicht, aber das muss er aushalten", meint sie zu mir, und ich ahne, dass das etwas mit dem heiklen Punkt der drohenden Machtverschiebung zu tun hat. Zwischendurch muss die Göttin eben deutlich machen, wer hier das Sagen hat. "Die Männer kommen zu mir, um sich von ihrem hohen Ross, auf dem sie sitzen, runterholen zu lassen. Irgendjemand muss die ja mal von da oben stürzen. Oft sind es Männer aus Positionen, in denen jeden Tag viele Entscheidungen getroffen werden müssen, Positionen mit einer Verantwortung. Die Nacht hier im fensterlosen Bunker, in dem dreckigsten Verließ auf der harten Matratze neben einem Eimer, das ist für die dann wie 14 Tage Urlaub."
Ein interessanter Gedanke: Das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung, das Ringen um Einfluss, hierarchischen Aufstieg, Geld, Kompetenz und was da noch so alles mitschwingt in dem großen Einmaleins der so genannten Selbstverwirklichung findet sein adäquates Gegenüber in dem düsteren Keller einer Domina. Um es "dort oben" in der Normalität auszuhalten, bedarf es offenbar hin und wieder eines Ausgleichs in den Niederungen eines verrotteten Verlieses.
Was die Männer bei Syonera von Styx suchen, scheint mir der Reflex auf einen Alltag zu sein, der tief im Inneren, vielleicht gar nicht mal bewusst, als Zumutung, als widersinnig empfunden wird. Möglicherweise ist der Alltag, in dem Konkurrenz und Verantwortung die Richtung vorgeben, vielen Menschen fremder, als sie es zugeben können. Hier, in dieser dunklen Fantasiewelt, öffnen sich Türen zu Räumen, in denen Männer meinen können, wieder zu sich zu gelangen.
Die Dreharbeiten werden mit Frischfleisch fortgesetzt
Syonera hat diesen Dreh beendet. Wir verlassen den Keller. Oben wartet schon ein weiterer Mann, ein korpulenter Kerl Ende dreißig. Syonera nennt ihn 33. Er ist eben erst eingetroffen, angereist vom Schwarzwald. Und noch ein anderer Mann kommt dazu. Er nennt sich Ralf. Er bekommt von Syonera keine Nummer.
"Wieso nicht?" will ich wissen.
"Mir ist nicht danach", meint sie.
Ralf ist etwas kleiner als 33, auch nicht so massig, eher drahtig. Er wieselt um das Buffet, trinkt ein Glas Cola.
Nummer 33 ist gerade dabei, sich umzuziehen. Er arbeitet als Maschinenbauer in der Materialprüfung und hat die weite Strecke vom Schwarzwald zurückgelegt, weil er gerne mal als Darsteller mitmachen will.
"Das ist eine besondere Herausforderung, außerdem ist es umsonst", wobei er die Kosten für das Benzin außer Acht lässt. Auch er hat sich die Kopfmaske übergezogen, dazu Lederweste und kurze Hose.
Neuer Drehort ist der Raum mit der Streckbank. Syonera hat sich umgezogen. Schwarzes Top, dazu eine Leggins mit Leoparden-Muster. 33 muss sich ausziehen. Seine Füße werden in die Halterung eingespannt, seine Arme gefesselt und mit der Rolle am Kopfende angezogen. So ausgestreckt liegt 33 völlig wehrlos da. Sein wuchtiger Bauch ragt auf. Syonera steckt ihm zwei Kontakte an die Brust und spielt an dem Regler eines schwarzen Stromkästchen. 33 windet sich vor Schmerzen. Er versucht, nicht zu schreien. Aber er jault vor sich hin.
"Ich liebe es zu foltern", jauchzt sie auf und spuckt 33 in den weit aufgerissenen Mund.
Der ganze Körper zuckt, 33 gurgelt, stöhnt.
"Das ist Musik in meinen Ohren."
Syonera hat sich aus der Kiste eine Nadel gegriffen.
"Ich finde, diese kleinen Warzen müssen doch durchblutet werden."
Sagt es und desinifiziert mit einem Spray die Brustwarzen von 33. Sie hat sich Latex-Handschuhe übergezogen, nimmt die rechte Brustwarze zwischen ihre Finger und durchsticht sie. Der Maschinenbauer aus dem Schwarzwald prustet auf vor Schmerzen. Er atmet stockend durch die Nase. Mit einem Wattebausch tupft Syonera sorgfältig die linke Brustwarze ab und bearbeitet sie mit einer weiteren Nadel.
"Hast du einen Spiegel für mich, damit ich sehen kann, wie sie aussehen?" fragt 33 außer Atem und meint wohl seine Brustwarzen. Ralf taucht neben mir auf, jener Labor-Programmierer, der in Dresden bei einer Firma arbeitet und alle paar Monate zu einem Dreh hier auftaucht. Inzwischen hat er mir auch erzählt, dass ihn seine Freundin hierher schickt.
"Wie?" frage ich. "Deine Freundin will das so?"
"Ja", meint Ralf, als ginge es um eine Selbstverständlichkeit. "Einmal hat sie bei mir eine SM-Zeitschrift gefunden, darin geblättert und Gefallen an der Sache gefunden. Dann habe ich ihr einen Film gezeigt, und als ich ihr sagte, dass ich derjenige sei, der sich hinter der Maske befand, war sie begeistert. Seitdem drängt sie mich, zu Syonera zu gehen, um sich dann später den Film, in dem ich mitspiele, anzusehen."
Ich bin erstaunt.
Wie nehmen wir "Gewalt" in SM-Pornos wahr?
Syonera hat sich mittlerweile weitere Nadeln genommen. 33 jault auf wie ein Hund. Er hat es nicht anders gewollt, denke ich, kann aber nicht mehr hinsehen. Und ich denke an das, was mir Syonera kurz vor diesem Dreh sagte, als sie darauf hinwies, dass es Voraussetzung für eine jede Domina sei, äußerst diszipliniert und selbstbeherrscht zu Werke zu gehen. Eine Domina, die impulsiv agiert, ist eine Gefährdung für den Sklaven.
Nun ist 33 gespickt mit Nadeln. Ich schreibe mit, was ich sehe, fast wie ein Automat, und mir fällt dabei auf, dass dieses Szenario wieder ein Licht auf die unterschiedliche Art wirft, wie wir gewohnt sind, Gewalt gegen Männer und Gewalt gegen Frauen wahrzunehmen. Würde hier nämlich eine Frau liegen, deren Brustwarzen mit Nadeln durchstochen wurden, ich denke, die Reaktion wäre eindeutig. Weil es aber ein Mann ist, denkt man, der Kerl sei doch selbst schuld, der weiß schon, was er da tut. Staatsanwaltschaften denken offenbar ähnlich geschlechtsbezogen. Sie bewerten die Gewalt in SM-Filmen gegen Männer eher mit Nachsicht, während bei der Gewalt gegen Frauen die Sensibilität eine wesentlich größere und die Hemmschwelle der juristischen Reaktion dementsprechend niedriger ist.
Ralf hat sich jetzt in ein seltsames Travestie-Korsett gewandet, schleicht auf Strümpfen herbei. Die klobigen Schuhe hält er in den Händen. Syonera zieht die Nadeln aus den Brustwarzen. Zum Kameramann: "Mach mal 'nen Cut. Das blutet hier zu stark." Sie gibt 33 einen Tupfer, den er auf seine Brustwarze drückt.
"Blut geht nicht", meint Syonera. "Tiere, Kinder und Blut sind verboten. Die ersten beiden Punkte sind voll in Ordnung, aber dass Blut so gefährlich sein soll, verstehe ich nicht." Also kurze Unterbrechung, bis die Blutung gestoppt ist. 33 hat sich aufgerichtet und hält den Tupfer. Er atmet wieder gleichmäßig. Die schwarze Ledermaske umschließt den Kopf. Ein gesichtsloser Koloss, schwer, fast dampfend.
"Wo bleibt die Schlampe", ruft Syonera und meint damit Ralf, der wie aufs Stichwort reagiert und sich überstürzt seine schweren Treter anzieht. Die Blutung ist gestoppt. Es geht weiter. "Ich wollte euch beide ja auf den Strich schicken, aber da blamiert man sich ja", krakeelt Syonera. Sie stopft Ralf einen Knebel in den Mund, 33 soll ihn von hinten nehmen. Und Syonera lacht wie aus der Fabrik. 33 stöhnt auf, er ist in Ralf gekommen. Er hat seine Schuldigkeit getan, 33 darf gehen.
Nun gerät Ralf ins Visier der Domina. Seit neun Stunden geht das jetzt schon. Ich bin bedient. Nicht nur wegen der Dauer, sondern auch aufgrund der Heftigkeit der Eindrücke. Ralf wird jetzt in Cellophan-Folie gepackt, zusätzlich mit mehreren Lagen Paketklebeband umwickelt und an ein Kreuz gestellt. Syonera fesselt ihn zusätzlich mit einem Seil. Sie kneift ihn durch die Folie in die Brustwarzen, klemmt ihm die Stromkontakte an, jagt die Spannung durch seinen Körper, malträtiert die Hoden mit Klemmen und spuckt ihn an. "Hauptsache, ich habe meinen Spaß", donnert es aus Syonera heraus. Was folgt, ist die letzte Aktion des Drehs.
Ein heftiger Dreh geht zu Ende …
Syonera nimmt Ralf vom Kreuz und schubst ihn auf den Gang. Dort hat Günter, der Kameramann, schon das im Boden eingelassene Gitter geöffnet. Darunter befindet sich ein schmaler Hohlraum, der gerade genug Platz für eine Person bietet. Syonera bugsiert das Ralf-Paket in das Loch und verschließt das Gitter, das genau an der Stelle, wo sich jetzt Ralfs Kopf befindet, ein Loch hat, so dass sein Körper unter dem Gitter fast verschwindet, sein ledermaskierter Kopf aber genau in Bodennähe herausragt. Ein groteskes Bild. Zumal Syonera sich jetzt auf das Gitter stellt und auf Ralf pinkelt.
"Bei 10 kommst du! Hast du verstanden?"
Sie zählt wieder. Ralf kommt nicht.
"Dann lass ich dich in diesem Drecksloch sitzen", brüllt sie ihn an und macht den Abgang.
Drehschluss. Endlich.
Oben im Buffet-Raum sitzt 33, geduscht, umgezogen, frisch, entspannt und gut gelaunt. Als hätte er gerade eine Woche Wellness-Urlaub hinter sich, so steht er vor mir. Er strahlt von einem Ohr zum anderen, schwatzt drauf los, lobt Syonera in den höchsten Tönen, ihre Härte, ihre Sensibilität, ihre Kunstfertigkeit, ihr gutes Gefühl, den Rahmen auszufüllen, aber den Bogen nicht zu überspannen. Der Maschinenbauer mit Spezialgebiet Materialprüfung ist – so scheint es – gerade ein glücklicher und zufriedener Mann.
Philip Siegel im Interview bei Markus Lanz
© Philip Siegel
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