Elisa Meyer gibt in Einzel- und Paar-Sessions Kuscheltherapie und veranstaltet Rauf- und Kuschelpartys. Wie ist das, mit Fremden eine so liebevolle körperliche Nähe zu teilen? Warum ist Kuscheln für Menschen so wichtig? Und was macht eine Kuschelsitzung für sie unangenehm?
Interview geführt von Fuchsseinfetzt
Was machst du als professionelle Kuschlerin?
Einfach gesagt: Ich kuschle beruflich mit Menschen. Unter Kuscheln kann man dabei alles verstehen, was irgendwie mit Berühren, Umarmen, mit Kuschelpositionen zu tun hat. Das kann Streicheln sein, Halten, Kitzeln, aber auch Reden während des Kuschelns.
Grundsätzlich alles, was angenehm ist, aber nicht die Grenze zu erotischen Berührungen überschreitet. Statt Massageterminen vereinbare ich mit meinen Kunden Kuscheltermine.
Wo verläuft denn die Grenze zwischen Kuscheln und Erotik?
Das ist ganz leicht an der Wirkung der Berührung zu erkennen. Wir berühren nur auf absichtslose Art und Weise, von zartem Streicheln bis hin zu festen Berührungen. Bei diesem absichtslosen Kontakt entspannt sich die berührte Person, sie lehnt sich zurück, der Atem geht tief und gleichmäßig.
Verantwortlich dafür ist das Kuschelhormon Oxytocin, das zugleich ein Neurotransmitter ist und uns mit einem guten Gefühl ausstattet. Daran erkennen wir den Zustand, den wir haben wollen.
Die Grenze zum Erotischen ist überschritten, wenn der Atem sich beschleunigt, die Person aktiver wird, selbst versucht, zu greifen. Das deutet darauf hin, dass auch andere Hormone ausgeschüttet werden, nämlich Dopamin und Adrenalin, also Aufgeregtheits- und womöglich sogar Verliebtheitshormone.
Es wird auch nicht geküsst, oder?
Küssen, egal in welcher Form, ist viel zu eng mit erotischer Interaktion verknüpft, deswegen ist es strikt untersagt.
Gibt es gelegentlich Grenzüberschreitungen? Hast du schon einmal jemanden ausschließen müssen?
Der eben beschriebene Effekt mit der Aufregung passiert immer mal wieder. Das ist normal. In einer Einzel-Session steuere ich dagegen an, indem ich ganz ruhig berühre, vielleicht die Kuschelposition wechsle, damit die Person wieder in die entspannte Stimmung zurückfindet. Das ist nichts Schlimmes. Kritisch wird es nur, wenn der Kunde weiter erotisch berühren oder berührt werden möchte. Da wir die Regeln und Grenzen von Vornherein klar kommunizieren, kommt das kaum vor.
Dürfen dich Klienten in Einzel-Session auch anfassen?
Das unterscheidet Kuscheln von anderen Arten der Therapie oder auch von Tantramassage. Dort geschieht alles immer einseitig. Bei der Kuscheltherapie wollen wir uns immer auf eine Ebene mit dem Kunden begeben und eine grundlegende Akzeptanz vermitteln. Dazu muss man auf Augenhöhe kuscheln, sich gegenseitig gleichberechtigt berühren. Deshalb gelten die Regeln, die wir für unsere Kunden haben, natürlich auch für uns selbst: Keine Berührungen der Bikinizone.
Wobei wir darauf achten, dass der Kunde nicht aus Gewohnheit anfängt, uns zu streicheln, weil das Gefühl herrscht, es machen zu müssen. Wir betonen eher den Wellness-Aspekt: Lass dich fallen, du darfst ruhig in deine kindlichen Zustände hineinsinken, regressiv sein, du darfst dich wie ein Baby einkuscheln. Das ist der Fokus. Wenn wir merken, da will jemand zu viel machen, steuern wir gegen.
Zurück zum Anfang: Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, professionelle Kuschlerin zu werden?
Das ist ganz banal: Ich habe auf Buzzfeed einen Artikel über die zehn verrücktesten Berufe weltweit gelesen. Da war das Profikuscheln dabei. In den USA boomt diese Profession schon länger, ich mache das mittlerweile seit drei Jahren.
Was kosten die Kuschelpartys und was kostet eine Einzelstunde?
Eine Stunde einzeln kostet 70 Euro, für ein Paar 100 Euro und eine Kuschelparty kostet zwischen 15 und 25 Euro, je nachdem, wie lange sie geht und welche Besonderheiten es gibt.
Warum kommen Paare zu dir?
Grundsätzlich um zu lernen, neu miteinander zu kuscheln. In der Regel kommt aber nur ein Partner zu mir. Einige unserer Kunden befinden sich in Partnerschaften, in denen gar nicht mehr gekuschelt wird. Diese sind oftmals gehemmt und schüchtern, würden ihrem Partner oder ihrer Partnerin nie erzählen, dass sie zum Kuscheln gehen, weil sie Angst haben, den anderen zu verlieren.
Weil es quasi Fremdkuscheln ist?
Ja, auch. Aber vor allem, weil sie zugeben müssten, dass sie etwas brauchen, was der andere ihnen nicht geben kann. Das kann verschiedene Gründe haben. Beispielsweise, weil das Kuscheln oftmals mit dem Sex verschwindet. Ist das eine weg, ist das andere auch weg. Weil jede Berührung dann als sexuelle Avance gewertet und sogleich abgewehrt wird. Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Wie gehst du vor?
Ich gebe ab und zu konkrete Hausaufgaben, sofern gewünscht ist, daran zu arbeiten. Beispielsweise einfach ein Mal am Tag die Hand halten und schauen, was passiert. Oftmals wird dann ein tieferliegendes Problem sichtbar. Das hat gelegentlich zur Folge, dass zwei Menschen beim Paartherapeuten landen und schauen, wie es wirklich um die Beziehung steht.
Manchmal ist es auch eine Monotonie und Abneigung, die sich eingeschlichen hat. Dann erträgt man es nicht mehr, angefasst zu werden. Aufgrund von gemeinsamen Kindern, einem Haus oder aus schierer Gewohnheit bleibt man zusammen, wünscht sich zwar Berührungen, aber vielleicht von jemand anderem.
Sind es bestimmte Menschen, die sich von einer Kuscheltherapie angesprochen fühlen?
Prinzipiell spricht eine Einzel-Kuscheltherapie andere Menschen an als eine Kuschelparty. Zum Einzelkuscheln begrüßen wir vornehmlich Menschen, die noch kaum Erfahrung mit Kuscheln haben. Menschen, die soziales Verhalten nicht gelernt haben und überfordert sind, teils auch unter sozialen Phobien leiden, dadurch in immer wiederkehrende Depressionen verfallen, weil die Einsamkeit und zugleich die Ohnmacht schwer wiegt.
Es kommen aber auch Leute zu uns, die überfordert sind von ihrem Leben, sehr viel Stress haben, kurz vorm Burn-out stehen und einfach entspannen wollen.
Und die Kuschelparty-Teilnehmer?
Die sind schon ein paar Schritte weiter. Für sie ist es nicht mehr so furchterregend, eine Berührung auszutauschen. Einsamkeit spielt aber auch bei ihnen eine Rolle. Viele sehnen sich nach Kuscheln, haben vielleicht eine Trennungsphase hinter sich. Sie sind Berührungen gewöhnt, kennen das, haben aber aktuell keine. Ihr Leidensdruck ist aber definitiv geringer als der jener Menschen, die in die Einzel-Kuscheltherapie kommen.
Dann gibt es aber auch Menschen wie mich, die ein Mal auf eine Kuschelparty gehen und von da an immer wieder, weil es eine Erfahrung ist, die man im Alltag nicht erlebt. Selbst wenn du einen Partner hast, wirst du nie dieses Gefühl bekommen wie auf einer Kuschelparty. Diese Gruppe sucht schon eher die Ekstase, die Kuschelekstase, weil das Gefühl, von allen Seiten gekuschelt zu werden, noch ein paar Stufen krasser ist, als nur von einer Person.
Gibt es eine bestimmte Altersgruppe? Sind es eher Singles oder Frauen?
Es ist wirklich querbeet, auch vom Alter her. Im Moment habe ich sogar ein bisschen mehr Frauen als Männer, was außergewöhnlich ist.
Kann eine Kuschelparty Berührungsdefizite ausgleichen?
Berührungshunger kann immer mit Berührungen gestillt werden. Die Frage ist eher: Wie lang- oder kurzfristig ist das dann? Kurzfristig hilft es immer. Wenn man es aber nicht regelmäßig wiederholt, bringt es langfristig nichts. Stell dir vor, du hast eine verkuschelte Beziehung, die plötzlich beendet ist. Da tröstet einmal Kuscheln nur bedingt.
Wie wirkt Kuscheln auf Menschen?
Es hilft dabei, selbstbewusster zu werden. Man sieht nicht mehr alles so schwarz. Kuscheln beugt dem Gefühl der Einsamkeit vor, dadurch verändert sich deine Ausstrahlung, dadurch verändern sich deine sozialen Kontakte. Du gehst eher auf Leute zu und holst dir im Idealfall die Berührungs- und Kuscheleinheiten, die du brauchst, aus deinem sozialen Umfeld. Du übst bei uns quasi fürs Leben.
Man macht positive Erfahrungen, merkt: Ich kann das!
Ja, man sammelt ganz viel Selbstbestätigung, erlangt eine positive Grundeinstellung und stärkt das Selbstbewusstsein.
Du magst wahrscheinlich nicht jeden Kuschler gleich gern. Empfindest du Kuschel-Sessions persönlich als angenehm?
Ob ich persönlich einen Kunden mag, ist vollkommen irrelevant. Ich arbeite professionell, das heißt, dass ich mich auf jeden Kunden, jede Kundin freue, ohne privat eine Meinung zu der Person haben zu müssen. Das schalte ich komplett aus.
Ob eine Kuschel-Session für mich unangenehm oder angenehm ist, hängt von anderen Faktoren ab: Wie verschlossen ist die Person? Wie anstrengend ist es, den emotionalen Panzer zu durchdringen? Wenn das gelingt, ist es eine Kuschel-Session, nach der ich mich sehr entspannt fühle. Wenn es schwieriger ist, der Mensch ein starkes Berührungsdefizit aufweist, fühle ich mich eher ausgelaugt.
Ist das auch etwas, das du weitergibst, wenn du neue professionelle Kuschler schulst?
In der Ausbildung zukünftiger Kuschler sage ich immer: Schaut, dass ihr diese Ebenen klar auseinanderhaltet. Eure Meinung zu der Person ist völlig irrelevant. Sonst bleibt das hängen, wirkt das nach, wenn ihr das zu persönlich nehmt. Das darf es nicht.
Wenn man beispielsweise jemanden hat, dem es sehr schlecht geht, der einsam ist, ein körperliches Handicap hat, dann kann einen das sehr mitnehmen. Aber man schützt sich selbst am besten, indem man in dieser Session immer im Moment bleibt, die Person nicht bewertet à la "Dem geht’s aber so schlecht." Mitleid hilft nicht. Es geht darum, eine Stunde als Kuschler sein Bestes zu geben und dann in das eigene Leben zurückzukehren.
Eine rechtliche Frage: Wie sicherst du dich ab? Wie stellst du sicher, dass keine Grenzen überschritten werden?
Bei Einzel-Kuscheltherapien gibt es einen Vertrag, zwei Seiten mit Regeln, der muss durchgelesen und unterschrieben werden. Darauf greife ich zurück, wenn es eine Grenzüberschreitung gibt. Dann sage ich: "Im Vertrag stand ja, wenn du das zweimal machst, dann brechen wir die Session ab." Das vermittelt auch das Bewusstsein, dass ich bestimme, wo es lang geht. Wenn nicht, wird abgebrochen. Das ist die Absicherung.
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