John Thompsons Gangbang-Pornos90 Männer und sieben Frauen – Wie man 5 Pornos gleichzeitig dreht

In Folge 6 seiner Reise durch Pornodeutschland trifft Philip Siegel, Autor des Buches "Porno in Deutschland", auf John Thompson, der zu Dreharbeiten der berühmt-berüchtigten Gangbang-Reihe seines Labels GGG geladen hatte. Hier wurde Philip Siegel Zeuge, wie fünf Pornos gleichzeitig gedreht wurden und welch Wüterich der Pornofilmer Thompson wirklich ist oder gar sein muss …

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John Thompson – Pornos am Fließband

Bis vor kurzem drehte John Thompson in München für sein Label GGG Pornos wie am Fließband. Auf über 750 Pornos hat es Thompson mittlerweile gebracht. In seinem Filmstudio drehte er Gangbang-Filme, die fast immer nach demselben Muster inszeniert werden. Mittlerweile ist Thompson nach Berlin gezogen. Hier zieht er weiter sein Ding durch. Die Stadt hat sich verändert, die Art und Weise ist die gleiche geblieben.

Nach vielen Telefonaten mit dem Produzenten hatte ich die Gelegenheit, Zeuge eines Pornodrehs zu sein, der seinesgleichen sucht: bizarr, aufwändig, abgedreht und gleichermaßen durchorganisiert. Über zwölf Stunden dauerten die Aufnahmen. Hier die konzentrierte Fassung einer irren Achterbahnfahrt!

Pornoproduzent John Thompson oder ist ein schlechter Ruf alles?

Es ist Samstag, Anfang September. Die Sonne scheint, geschäftiges Treiben auf den Straßen. Obsthändler bieten ihre Ware an, Menschen sitzen an kleinen Tischen, trinken Kaffee, lesen Zeitung. Ich habe erfahren, dass der Produzent Thompson alle zwei bis drei Monate Porno-Dreharbeiten veranstaltet, die in ihrem Umfang in Deutschland einzigartig sind. So sind in den letzten zwölf Jahren bei der Firma GGG an die 750 Pornos entstanden.

Das Setting: eine krude Pop-Welt, die das Düstere ebenso feiert wie die schrille Übertreibung.

Ehrlich gesagt, ist mir gerade ziemlich mulmig zumute. John Thompson eilt ein Ruf voraus, wie er schlechter kaum sein könnte. Es hatte einiger Anrufe bedurft, um ihn schließlich davon zu überzeugen, mich bei einem Dreh dabei sein zu lassen. Der Mann versteht es, um seine Person den Schleier der Unnahbarkeit zu weben. Ich bin zu früh. Noch eine halbe Stunde. Ich bin aufgeregt. Vielleicht sollte ich erst einmal von den Filmen erzählen, die Thompson seit Jahren herstellt.

Thompsons Filme: Erregung, Faszination, Ekel, Ablehnung …

Als ich mir den ersten Thompson-Film ansah, traf mich der Schlag. Es geht direkt zur Sache, ohne Einleitung, ohne Umwege. Ich weiß erst mal gar nicht, wie ich das finden soll. Alles liegt nah beieinander: Erregung, Faszination, Ekel, Ablehnung. Thompson hat einen ästhetischen wie inhaltlichen Raum kreiert, der kaum mehr Berührungspunkte zur Realität aufweist, einen Raum, den man aber sofort als Thompson-typisch erkennt.

In diesem Raum, den Thompson in seinem Studio erschafft, sind alle Verbindungslinien zur vertrauten Normalität gekappt, um so den Zuschauer an einen Ort zu führen, der gleichermaßen verheißungsvoll wie verflucht zu sein scheint – Paradies wie Hölle ist. Wohn-, Schlafzimmer, Küche, Büro, Garage, Garten, Bars, all diese Sphären des Alltags und in Pornos aus Gründen der Zuschauer-Identifikation gerne verwendete Schauplätze der Lust-Inszenierung, sind hier nicht mehr existent, ausgelöscht aus dem Gedächtnis. Hier befinden wir uns in einer kruden Pop-Welt, die das Düstere ebenso feiert wie die schrille Übertreibung. Eine Studio-Kulisse, eigen, künstlich, verwegen.

Alle menschlichen Beziehungen sind hier geradezu besessen verkürzt auf den pornographischen Akt. Geht es schon beim gewöhnlichen, aktuellen pornographischen Film meistens darum, die Anbahnungsrituale oder sparsamen Gesten und Floskeln, die zum sexuellen Akt hinführen – und diesem zugleich noch im Wege stehen – möglichst zu verkürzen, so eliminiert Thompson auch das kleinste Lebenszeichen einer spontanen Regung, einer emotionalen Geste. Stattdessen gibt es diesen zeitlosen, fast düsteren Raum, in dem, so scheint es manchmal, die Akteure bis an ihr Lebensende dazu verdammt sind, Sex miteinander zu haben.

Raymond Bacharach betritt die Szene

Ich stehe jetzt an einem Tresen. Dahinter drei junge, gut aussehende Frauen, die mit unverbindlicher Herzlichkeit ihren Aufgaben nachgehen. Neben mir steht ein Mann, der gerade seine Brieftasche abgibt, die die Frau in einem Plastiksäckchen verstaut und im hinteren Bereich in ein Regal legt, wo schon zahlreiche andere Plastiksäckchen gelagert sind. Die mit den langen schwarzen Haaren kommt auf mich zu.
"HIV-Test und Ausweis, bitte."
"Ich bin mit Thompson verabredet", entgegne ich.
Offenbar weiß die Frau Bescheid.
"Ach ja, dann warten Sie bitte im Foyer. Er wird gleich kommen."

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Es geht hier zu wie in einem Hotel. Wenn da nur nicht im Foyer diese riesigen Flachbildschirme wären, auf denen GGG-Pornos laufen. Um mich herum Männer. Einzelne Gestalten stehen unsicher herum, lassen den Blick schweifen, schauen zu Boden, wenn er sich mit dem eines anderen kreuzt.

Dann taucht John Thompson auf, der Chef, der Herrscher über dieses Porno-Imperium. Mit der Attitüde eines Karl Lagerfeld, dieser Mischung aus Autorität und graziler Bewegungsmotorik. Thompson ist Mitte sechzig. In Wirklichkeit heißt er Raymond Bacharach. Das Pseudonym hat sich der ehemalige Musikproduzent und Fotograf in London zugelegt, als man ihn dort mehrfach mit Mr. Thompson ansprach.

Ohne viele Worte führt er mich durch eine Tür hinein in sein Reich. Wir gehen durch einen schmalen, langen Flur, an dem sich unzählige kleine Regale befinden, die gefüllt sind mit Schuhen, Hosen, Hemden und Taschen. Dann gelangen wir in einen großen Raum, in ein richtiges Filmstudio, in dem ungefähr fünfzig Männer sitzen und stehen und darauf warten, dass es losgeht.

"Dein Platz ist auf der Brücke", meint Thompson und weist mich an, die paar Stufen zu nehmen, die auf die Regiebrücke führen. Dort sitzt Ingo, ein Regieassistent, vor drei Monitoren, inmitten von Reglern, Kabeln und einem Pult, von dem er die Musik einspielt oder das Licht der Scheinwerfer reguliert, die an der Decke zu Dutzenden an Metallstangen verschraubt hängen.
Thompson spricht einen Mann an:
"Mike, du bist der, der viel spritzen kann?"
Dabei tätschelt er ihm gönnerhaft auf das kleine Bäuchlein.
"Kannst du auch ficken?"
Mike verneint.
"Nur spritzen."
"Dann halt dich bereit!"

Spritzer, Pisser, Ficker, Profis und die Frauen …

Ingo auf der Regiebrücke gibt mir die Hand.
"Du bist der Typ mit dem Buch?" fragt er.
"Genau der", entgegne ich.
"Weißt du Bescheid, wie das hier läuft?"
"Nein, keine Ahnung", gestehe ich.
"Es gibt hier drei Arten von Menschen", beginnt Ingo. "Da sind erstmal die Spritzer und Pisser."
"Die was?" frage ich verblüfft.
"Spritzer und Pisser. Das ist das Fußvolk. Die Männer, die hier mit einem Aids-Test reinkommen und umsonst mitmachen können. All die, die da sitzen und warten, dass es losgeht. Wenn Thompson sie aufruft, müssen sie abspritzen oder pissen."

Auf einem Aufsteller ist zu lesen: 'Pissen ab 15 Uhr in Studio 2.'

Ich blicke auf die etwa acht Stuhlreihen, die rechts von der Regiebrücke stehen und wo etwa vierzig Männer darauf warten, dass es gleich losgeht. Auch die Gänge sind voll mit Männern.
"Aha."
"Dann gibt es die Ficker. Die sitzen in dieser Ecke."
Er zeigt auf ein paar Männer, die da gemütlich herumsitzen, etwas trinken, lachen und im Gegensatz zu den Spritzern und Pissern sehr entspannt wirken.
"Die Ficker sind Profis. Porno-Darsteller. Die werden dafür bezahlt, dass sie ficken. Und dann gibt es noch die Frauen. Heute sind es sieben. Einige von denen machen das schon zum zweiten oder dritten Mal mit. Da sind auch welche dabei, die sind Amateure, keine Profis."
"Und was bekommen die für einen Tag?"
"Da musst du Thompson fragen", entgegnet Ingo.
Jetzt weiß ich also Bescheid.

Auf den acht Stuhlreihen warten sie, unauffällige, aber auch einige gut aussehende Männer. Kleine, große, schlanke, dicke, junge, alte, athletische Männer. Alle nackt, manch einer mit schwarzer Strumpfmaske auf. Auf einem Schild steht: "Würstchen aus der Lounge nicht mit ins Studio nehmen." Auf einem anderen Aufsteller ist zu lesen: "Pissen ab 15 Uhr in Studio 2." Auf einem der Monitore vor mir ist der Empfangsbereich zu sehen. Immer wieder tauchen dort neue Männer auf.

Zirkusdirektor John Thompson präsentiert seine "Artisten"

Thompson schwenkt ein in die Studiokulisse.
"Musik", brüllt er hoch zu Ingo, der neben mir schon auf diesen Moment gewartet hat. Eine Fanfare ertönt. Thompson greift sich das Mikro. In seiner schwarzen Kleidung und dem braungebrannten Gesicht hat er was von einem Marktschreier, der durch eine fragwürdige Kirmesveranstaltung führt, eine, wie es sie heute nicht mehr gibt, etwas, das irgendwo zwischen Freakshow und Wunderheilung angesiedelt ist. Eine Maschine, versteckt in der Kulisse, düst zischend Nebel in Thompsons Rücken.

"Applaus für die Damen", brüllt es aus den Lautsprechern über den Männern, die sich jetzt zu einem dichten, großen Knäuel vor der Regiebrücke mit Blick auf Thompson eingefunden haben. Fünfzig nackte Männer, manche ungläubig, andere erwartungsvoll. Lauter Applaus!

Als wäre das hier die Travestie einer Samstagabend-Show, stolzieren aus einem Nebengang sieben Frauen zu einem Halbrund auf, hinter Thompson, der mit einer ausschweifenden Handbewegung anpreist, was sich da zeigt: Jasmin, Viktoria, Kiri, Nadine, Adina, Vivienne, Tessa. Auf den unvermeidlichen, hohen Pornoabsätzen staksend, in Kostümen aus dem hauseigenen Fundus, übertrieben, grell, also genau richtig, so abseitig schrill wie in einem Comic. Kiri und Jasmin sehen aus wie aus dem billigsten Pornotraum: Die eine wasserstoffblondes Haar, die andere dunkelstes Schwarz; beide riesige, wie aufgepumpte Brüste, ein professionelles Lächeln, auffordernd und zugleich einschüchternd. Andere wie Viktoria oder Nadine sind geradezu unscheinbar, wie Büroangestellte oder die Bedienung bei einer Coffee-Shop-Kette. Zarte Figur. Hübsch, aber nicht grell. Nett.

Thompson, das merkt hier jeder, das ist der Mann, der das alles geschaffen hat.

"Was magst du, Viktoria?" fragt Thompson.
Viktoria lächelt. "Sperma."
"Und Pisse? Wie ist es mit Pisse?"
"Ach, gerne. Viel Pisse."
Das wirkt wie aufgesagt, vermutlich hat Thompson sie in der Umkleide instruiert, wie das ein Regisseur eben macht, und er fügt hinzu, damit alle es hören können:
"Du machst nur, was du willst. Wenn du sagst, 'Aufhören!', dann hören wir auch auf."
Thompson liebt diesen Auftritt. Das Mikro in der Hand macht er Scherze, er lacht über sich selbst und die anderen, er hat hier alles im Griff, und er weiß das auch, das merkt hier jeder, das ist der Mann, der das alles geschaffen hat.

Thompson wendet sich an die nächste Frau, Vivienne.
"Du warst schon mal da, macht nichts. Woher bist du?"
"Aus Wien."
"Und was magst du?"
"Ich mache alles, schlucke Sperma, pissen, Anal, eigentlich alles."
Sie zuckt mit den Schultern.
"Wer von euch mag große Titten?"
Er schaut die Männer an. Keiner meldet sich.
"Na? Angst vor Mutti?" Thompson lacht. Und einige der Frauen lachen mit.

Thompson zu Tessa:
"Wenn es weh tut, dann sag es, dann brechen wir sofort ab."
So macht er die Runde.
"Die letzte Dame war schon mal vor acht Jahren da. Hallo Nadine."
"Hallo, ich mag keine Pisse."
Thompson lacht gefällig.
"So soll es sein. Ich glaube, wir lieben euch alle."
Die Frauen treten ab. Tosender Applaus!

Die Dreharbeiten zu fünf Pornos beginnen

Viktoria bleibt bei Thompson, Vivienne stellt sich an die Seite. Auf einem der Monitore kann ich sehen, wie in Studio 2 drei der Frauen auftauchen und dort von einem anderen Team in Empfang genommen werden, so weit entfernt wie in einem anderen Universum und doch nur ein paar Meter von hier. Es wird parallel gedreht, und auch dort ist der Raum zur Hälfte mit nackten Männern gefüllt.

Thompson muss noch was zur Geschäftsordnung loswerden: "Bitte nur gewaschen vortreten. Und wer pissen will, bitte nur Wasser trinken. Keinen Kaffee, kein Bier, nur Wasser. Und noch ein Hinweis an alle, die heute zum ersten Mal mit dabei sind: Jeder, der abspritzt oder pisst, bekommt so einen roten Jeton, dafür gibt es im Foyer ein Sandwich oder ein Würstchen. Und wer neun Jetons gesammelt hat, bekommt 100 EUR ausgezahlt. Und das hier sind die Kameramänner. Die sagen euch, wo und wann ihr abspritzt. Hört auf die Jungs!"

Diese Sex-Kirmes wirkt wie ein Art Schattenreich der Normalität.

Drei Kameramänner haben sich bereits in Stellung gebracht. Viktoria wartet auf Anweisungen. Thompson greift sich einen Mann aus der ersten Reihe.
"Du spritzt zuerst."
Und zu den Kameramännern:
"Los, die Kameras an."
An Viktoria gewandt:
"Nervös?"
"Ja."
"Man sieht's. Alles okay?"
"Ja."
Er kontrolliert das Bild auf dem kleinen Monitor der Kamera.
"Wo bleibt der Spritzer?"
Mike tritt heran. Er wichst sich den Schwanz, schnell, hektisch, bemüht, angestrengt, aufgeregt. Er kann nicht. Thompson ist sauer.
"Weg aus dem Bild. Der nächste. Los!" Einer löst sich aus der Menge.

"Viktoria, mach den Mund auf, schluck, und wieder auf. Noch einer. Schnell. Jetzt."
Einer wagt es, tritt zu Viktoria, die auf dem Boden kniet und den Mund aufsperrt. Der Mann braucht Zeit.
"Kannst du spritzen oder nicht. Was bist du denn für ein Trottel", zischt Thompson den Mann an. "Los, Geräusche, wir sind hier doch nicht im Aquarium."
Und zu Viktoria:
"Jetzt nicht schlucken, Sperma sammeln."
Er wendet sich wieder an Mike, der die ganze Zeit zwei Meter entfernt an sich herumarbeitet, verbissen, immer schneller.
"Was ist jetzt mit dir? Kannst du? Was soll das?"

Ein kleiner Typ, der aussieht wie ein Italiener, schleppt eine Bank an. Vivienne löst sich von der Seite, legt sich auf die Bank.
"Los, ficken", gibt Thompson das Kommando.
Er schaut an dem Mann hinab.
"Er muss dir aber auch richtig stehen. So nicht. Zurück in die Reihe."
Dort warten zwei Frauen, Jennifer und Rita. Sie sind damit beschäftigt, den Männern die Schwänze zu wichsen. In den USA nennt man diese Frauen "fluffer", die, die hinter der Kulisse dafür sorgen, dass er den Männern steht, und es gibt einige, die behaupten, so was gäbe es in Deutschland nicht. Hier gibt es sie, und Rita macht nicht nur das, sie ist hier das Mädchen für alles, sie teilt die roten Jetons aus, reicht Papiertücher.

Thompson wird ungeduldig, fast hysterisch.
"Haben wir hier jemanden, der Vivienne vollspritzen kann?"
Ein hagerer Typ mit zu dicken Zöpfen geflochtenen Haaren tritt an das Set. Er ist schon fast so weit, stellt sich nur an die falsche Stelle, aber die richtige hat ihm auch keiner gesagt.
Thompson schreit: "Nicht auf den Rücken. IN DEN MUND, MENSCH!!"

Der Zopf-Typ spritzt ab und zieht sich sofort in die Menge wartender, gaffender Männer zurück. Er hat seine Schuldigkeit getan. Der nächste ist dran. Er ist hektisch, was soll er tun? Wohin, jetzt schon oder erst in fünf Sekunden? Es kommt ihm einfach.

Thompsons Zorn trifft das Spritzvieh gleichermaßen wie die Kameramänner.

"Ins Gesicht, du Anfänger", brüllt Thompson. Er duldet keinen Widerspruch, nicht mal eine Frage. Wer nicht sofort kapiert, am besten, bevor er es verlangt, zieht sich Thompsons Zorn zu. Es trifft das Spritzvieh gleichermaßen wie die Kameramänner. Gnädiger ist er mit den Frauen und bei den professionellen Fickern. Thompson weiß: Die sind nicht so ohne weiteres austauschbar.

Zu Viktoria: "Nimm jetzt beide in den Mund. Ich will da keinen Schwanz mehr sehen. Du bläst zu anonym. In die Kamera sollst du schauen. Du machst jetzt schon zum zehnten Mal den gleichen Fehler." Dabei schiebt er dem professionellen Ficker ein Kissen in den Nacken, fast fürsorglich, so eine kleine Begebenheit am Rande, die kaum auffällt. Dann ein leichter Aufschrei von Viktoria. "Oh, das tut mir leid."

Beim Analverkehr ist etwas Scheiße ausgetreten. "Dabei habe ich dreimal gespült. Entschuldigung." Georg, der Ficker, ist aufgesprungen, leicht angewidert. Rita tritt mit ihren Papiertüchern heran, wischt den Boden sauber, gibt auch Georg und Viktoria ein Tuch, desinfiziert mit einem Spray die in Mitleidenschaft gezogenen Körperteile, auch den Fußboden.

John Thompsons Drehs als Horte der Anarchie?

Plötzlich ist Thompson weg. Es fällt erst dadurch auf, weil jetzt alles viel ruhiger zur Sache geht. Die Stimmung entspannt sich, gerät jetzt – im besten Sinne – außer Kontrolle. Alles wirkt nun echter, ohne den Kommandoton, die Unbeherrschtheit, es entwickelt sich eine gewisse Spontaneität.

Ein Kameramann:
"Wer kann spritzen?"
Vier lösen sich aus der nachgerückten Reihe.
"Einer reicht!"
Drei treten lachend zurück. Viktoria verspürt nun offenbar echte Lust, zumindest scheint mir das jetzt erkennbar. Sie stöhnt unbeherrscht, greift ungeduldig nach den Schwänzen, die in ihrer Nähe sind. Der Höhepunkt der Sequenz scheint erreicht. Und in dem Moment, wo der Kameramann meint, jetzt sei eine Pause angesagt, ist Thompson wieder da.

"Pause könnt ihr später machen. Jetzt geht es weiter. Wo sind meine Spritzer? Hab ich da hinten noch Spritzer sitzen? Nach vorne, wer viel spritzen kann! Nur wer viel spritzen kann!! Habt ihr das VERSTANDEN? Keiner traut sich zu antworten. Auf der Stirn der schwarzen Strumpfmasken steht in roter Schrift: John Thompson Sex. Thompson tritt an einen der Männer heran: "Was machst du hier mit deinen Socken und dem fetten Bauch. Los, verschwinde."

Dem Kameramann neben sich streichelt Thompson über den Kopf. Die letzte Szene hat ihm gut gefallen. Bei all dem Tadel, den Beschimpfungen, muss solche Zuwendung umso mehr Wirkung entfalten. Georg, einer der Profi-Ficker, trägt nur ein schwarzes T-Shirt. Auf dem Rücken das Wort: Spermarei. Ich denke mittlerweile, dass das hier nicht nur mit Porno zu tun hat, sondern auch eine Menge mit Anarchie im Alltag.

Gerade weil hier so viele Männer von der Straße hereinkommen, wird diese Sex-Kirmes für mich immer mehr zu einer Art Schattenreich der Normalität. Was draußen im durchfunktionalisierten Alltag dem Individuum abgefordert wird, nämlich Disziplin, Beherrschung, Leistung, findet hier Raum, um mal die Sau rauszulassen.

Die Dreharbeiten werden noch bis tief in die Nacht dauern. Auch ich selbst werde von Thompson aufgefordert, mich am Dreh zu beteiligen. Für "Porno in Deutschland – Reise durch ein unbekanntes Land" ist es eins der längsten Kapitel geworden. Und es gibt noch eine Menge zu erzählen: Männer sagen mir, warum sie mitmachen. Eine ehemalige Darstellerin ist auch mit dabei: Sie sagt mir, warum sie manchmal die Dreharbeiten vermisst. Übrigens: John Thompson dreht jetzt regelmäßig in Berlin.

Philip Siegel im Interview bei Markus Lanz

© Philip Siegel

 
 

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