Zu Gast am Set eines Schwulenpornos - was kann da schon schiefgehen? Autor Philip Siegel blickt für uns hinter die Kulissen, wird vollends eingespannt - und ist am Ende um einige überraschende Erkenntnisse reicher.
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Jörg Polzers Schwulen-Pornos
Lange hat es gebraucht, dann hat es doch geklappt: Über viele Monate stand ich in Kontakt mit Jörg Polzer, der in seiner Firma "Cazzo" in Berlin Schwulen-Pornos herstellt. Nun ist es soweit. Für mein Buch reise ich nach Berlin, um bei Dreharbeiten für einen Schwulen-Porno dabei sein zu können.
Das Kottbusser Tor in Kreuzberg gehört zu den Orten der Hauptstadt, an denen man sich nicht länger aufhält als unbedingt nötig. Um 10 Uhr bin ich mit Jörg verabredet. Seine Firma liegt drei, vier Gebäude weg von diesem Platz in einer etwas ruhigeren Straße, ein schlichter Zweckbau für Büros, im dritten Stock. Gedreht wird ein Schwulenporno im eigenen Studio. Für mich neues Terrain. Und ich bin etwas unsicher, wie ich mich dort bewegen werde.
In Deutschland gibt es kaum Produzenten, die Filme für Schwule herstellen. Fünf oder sechs Firmen gibt es, vier davon haben sich in Berlin etabliert. Sex-Szenen zwischen Männern im normalen Porno sind so etwas wie ein Tabu. Da würde wohl einiges ins Wanken geraten.
Hetero- und Schwulenporno haben wenig gemeinsam
Jörg gibt mir die Hand. Er steckt mitten in den Vorbereitungen zum Dreh. Zwei Darsteller sitzen in der Küche und blättern in Zeitschriften. Victor und Jordan, Engländer, gestern aus London eingeflogen. Darsteller in deutschen Schwulenpornos sind fast immer Ausländer, "oder in Deutschland lebende Migranten", wie Jörg es in bürokratisch exaktem Deutsch ausdrückt, "weil die weniger um ihr Ansehen fürchten, wenn man sie wiedererkennen sollte". Der Dritte, William, macht das Team komplett. Jetzt wird eine Sex-Szene gedreht.
Ralf, der Kameramann, zeigt mir die Kiste, in der alle Utensilien bereitliegen. Verschiedene Gleitcremes, wasserlöslich oder auf Silikonbasis, Papiertücher und zwei große Tüten mit Kondomen. "Einen Aids-Test verlangen wir nicht. Das wäre eh zu unsicher. Deshalb drehen wir mit Kondom."
Als mir Ralf sagt, dass ja wohl auch in den normalen Pornos mit Kondom gedreht werde, bin ich überrascht, und als ich ihm dann sage, dass es nahezu keinen deutschen Porno gebe, in dem Kondome Verwendung finden, dass da immer mit Aids-Test gedreht werde, ist er der Überraschte. So klein die Pornowelt auch sein mag, zwischen der Hetero- und der Schwulenwelt scheint es kaum Schnittmengen zu geben. Terra incognita.
Ich frage William, ob er aufgeregt sei. "Nicht mehr. Ich habe nur die Sorge, dass die anderen nicht richtig mitmachen, wenn ich loslege. Ab einem bestimmten Moment spiele ich das nicht mehr, dann bin ich das."
Bevor es losgeht, bittet Jörg mich, mit Ralf zusammen das Studio zu verlassen. Er will den drei Darstellern ein paar Minuten geben, um sich auszutauschen, ein Gefühl der Gemeinsamkeit herzustellen. Die drei kannten sich bis vor zwei Stunden nicht. Gleich werden sie gemeinsam eine Sex-Szene drehen. Das erste Mal, dass ich einen Regisseur erlebe, der seinen Darstellern eine solche Möglichkeit bietet.
Die Dreharbeiten gehen in die heiße Phase
Victor kniet also vor Jordan und William und muss deren Schwänze mit Mund und Hand bearbeiten. Die Anzüge behalten die beiden Männer noch an. Ralf filmt das aus nächster Nähe, es gibt eine zweite Kamera, die eine Halbtotale aufnimmt und die hin und wieder von Jörg neu ausgerichtet wird. Der raucht mal wieder, schaut auf die beiden Monitore und gibt immer wieder Kommandos. Für einen kurzen Moment ist es ganz ruhig. Man kann hören, wie Leute im Stock über uns herum gehen, wie eine Tür zufällt. Irgendwo lacht jemand.
Langsam kommen die drei in Stimmung. Aber Jörg will nicht bloß Aktion, er möchte einen Film drehen. "Don’t kiss. Gleich." "Do what you want, but at first put your dicks back." "William, nimm seinen Kopf." "Victor, you suck Jordan. And Action." "Back to Williams dick. A bit slower." "Look up to William, Victor. Yes." "Ok, thank you. Break."
Jörg ist detailversessen. Der eine würde sagen, er sei pingelig, der andere würde das Sorgfalt nennen. Andererseits wird hier auch erfahrbar, was Filmemachen seinem Ursprung nach gewesen sein könnte: Jungs verwirklichen ihre Träume – um sie dann stolz allen, die wollen, zu zeigen.
Ich werde gebeten, für den anfallenden Müll Sorge zu tragen und den Darstellern bei Bedarf Tücher oder Gleitmittel zu reichen. Wenn ich dann auch noch die Kondome wegräumen könnte. Nun gut, denke ich, bist du halt die Putzfrau. Ich reiße gleich mal ein paar Stück Papier von der Rolle ab und reiche eines davon Victor, der sich gerade den Arsch mit Gleitmittel eingeschmiert hat; denn jetzt wird es ernst.
Jörg weist Victor an, sich zwischen die beiden Männer zu stellen, um sich mit der einen Seite William anzubieten und mit dem Mund Jordan aufzunehmen.
"Leg ihm die Hand auf den Arsch", beginnt Jörg die Szene. "A bit more intensiv. Harder!" William lässt sich das nicht zweimal sagen und rammt dem armen Victor mit seinem ganzen Gewicht das Geschlecht in den Anus. Victor schaut auf, verzieht das Gesicht. Das Problem ist nicht William, sondern dass er gleichzeitig Jordan im Mund behalten soll. Da stößt er mit der Biegsamkeit seiner Wirbelsäule an die Grenze des Machbaren. Und auch William hat Grund sich zu beschweren. Victor öffne sich nicht richtig, meint er, da täte ihm der Schwanz weh.
Problemlose Schwulenporno-Dreharbeiten? Schön wär's!
"Kurze Pause", meint Jörg. Victor verschwindet auf die Toilette. William zieht das Kondom ab, zieht sich ein neues über. Ich räum den Abfall weg. "Be calm", redet Jörg auf William ein. "Ist doch gar nicht so einfach, gefickt zu werden. Sei ein bisschen vorsichtig."
Dann ist Victor wieder da. Alle stellen sich neu auf. William nimmt sich ein wenig zurück, Victor drückt das Kreuz durch, und Jordan bekommt den abgefuckten Geschäftsmann jetzt immer besser hin. "Okay, thank you", unterbricht Jörg, als die drei gerade dabei sind, Betriebstemperatur zu erreichen.
Jetzt wird es akrobatisch. Denn um die drei Akteure besser von unten drehen zu können, ziehen Jörg und Ralf große Blöcke aus Styropor herbei, legen sie so hin, dass in der Mitte ein Schweinwerfer Platz findet und jeder der drei sich so darauf stellen kann, dass er einen einigermaßen guten Halt hat und sich dabei in erhöhter Stellung befindet, was es Ralf erleichtert, diese extrem untersichtige Perspektive hinzubekommen, so dass man wirklich alles genau sehen kann. Die drei machen kleine Witze, lachen. Jörg weist sie zurecht. "Be serious!"
Merkwürdig, denke ich, immer wenn die drei anfangen, etwas lockerer zu werden, zieht der Regisseur die Leine wieder an. Jörg drückt mir einen Scheinwerfer in die Hand. "Nimm das Pussy-Light und halt es neben der Kamera von unten nach oben." "Kenn ich", und kann mich dabei auf meine inzwischen vorhandene Pornodreh-Erfahrung berufen, frage mich aber, warum das Ding auch bei einem Schwulen-Dreh Pussy-Light heißt. Victor schiebt sich noch eine halbe Viagra ein und platziert sich auf den Styropor-Blöcken.
Fick-Roboter, Potenzpillen und zerstückelte Sexszenen
Mittlerweile sind fast vier Stunden vergangen. Pornos zu drehen, ist Arbeit. Zumal wenn man als Darsteller einen Regisseur hat, der so genaue Vorstellungen von Bildern hat, dass man nur noch eine Marionette ist, der jede Eigeninitiative ausgetrieben wird, bis man eine Art Fick-Roboter geworden ist. Deshalb haben auch alle drei eine Potenzpille geschluckt. Das sind also gar nicht die drei harten Schwulen, die hier ihre Lust ausleben können und dabei auch noch Geld verdienen, denke ich.
Durch das Aufsplittern einer Szene in kleine zusammenschneidbare Einheiten verflüchtigt sich die Hitze. Der Sex verschwindet immer mehr durch seine Inszenierung, um sich dann, wenn es gut geht, später auf dem Bildschirm und durch die Illusionsmaschinerie im Kopf des Betrachters wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen; in etwa so, als würde man aus Milch Pulver machen, das dann später in einem Notstandsgebiet unter Zugabe von Wasser wieder trinkbar wird.
William und Jordan gelingt das ganz gut mit der Ausbalanciererei. Ab und zu quietscht das Styropor zwar leise unter den schweren Stiefeln, aber irgendwie hält sich jeder am anderen fest. Seit Williams Block noch auf eine Palette gelegt wurde, damit die Höhe zu Victor angeglichen ist, harmonieren die drei Körper miteinander, was aus ein paar Metern Abstand schon fast aussieht wie eine ausgefeilt choreographierte Tanznummer.
Mittlerweile sind sie auch nackt. Ralf hängt fast am Boden, im steilen Winkel hält er die Kamera nach oben, um alles auch wirklich von ganz nah und mit freier Sicht abzubilden. Das wirkt ein wenig bedrohlich und beeindruckend zugleich, was man auch "mächtig" nennen könnte. "Look into the camera, Jordan", fordert Jörg.
Ralf befestigt eine Sling-Matte, die man auch Liebesschaukel nennt, gefertigt aus Leder, mit Ketten an der Decke, so dass Victor sich gleich darauf legen kann, und so, etwa einen Meter über dem Boden schwebend, von William und Jordan leicht zu greifen sein wird.
Während Ralf noch die Scheinwerfer neu ausrichtet, hat sich Victor schon auf die Matte gelegt und William ist in ihn eingedrungen. Er schiebt ihm fast zärtlich die Hand unter den Nacken, und so bleiben die beiden für einen Moment versunken, bis Jörg so weit ist und den Marschbefehl für die nächste Szene ausgibt.
Was beim Pornodreh gar nicht passieren darf …
Eine Leiter steht parat, Ralf filmt, Jörg hat die andere Kamera eingerichtet. Jordan hat sich ein neues Kondom übergezogen, ich habe zwischendurch alles weggeräumt, und eben, als die Matte aufgehängt wurde, bin ich meiner Aufgabe als Brötchenschmierer fürs Catering nachgekommen, so dass ich mich jetzt wieder ganz auf das Halten des Scheinwerfers konzentrieren kann und mit der freien Hand schon mal ein Kabel nachziehe. "Looking at each other", fordert Jörg. Jordan steht zwischen Victors gespreizten Beinen, William neben seinem Kopf. Ralf dreht, Jörg dreht.
"Du bist noch GAR NICHT dran!" brüllt Jörg empört. Es hilft nichts. Ralf zieht schnell auf William, und auch Jörg fummelt hektisch an der zweiten Kamera, damit auch ihm der cumshot nicht entgeht. Das wäre das Schlimmste. Dann spritzt William ab. Alles im Kasten. "Entschuldige", wendet er sich kleinlaut an Jörg. "Ist schon gut." William atmet durch. In der kurzen Pause steht er neben mir und entschuldigt sich erneut. Aber warum bei mir? "Das darf nicht passieren", meint er ganz geknickt, wobei er jetzt gar nicht mehr diese leicht überdrehte gute Laune vor sich her trägt, sondern auf einmal ganz bescheiden wirkt. "Das ist aber auch nicht leicht", versuche ich ihn zu entlasten. "Ich muss mich besser kontrollieren", ist Williams Fazit.
Jörg hat wieder die Kamera in der Hand. Jetzt steht er seitlich von Jordan. Irgendwie ist er nicht zufrieden. Er will einfach einen besseren Blick auf das, was zwischen Victors Beinen geschieht. Jörg lässt nicht locker, bis Jordan entnervt den Dienst verweigert und entschuldigend die Schultern hebt. "Jörg, es gibt eine natürliche Grenze. Er kann ja nicht um die Ecke ficken", ermahnt Ralf seinen Chef.
Jordan braucht lange, um den Erfordernissen des Genres zu genügen. Der Eine zu früh, der Andere zu spät, nur Victor, der Nicht-Aktive, den sie die ganze Zeit scheinbar nur benutzt haben, ist auf den Fingerzeig zur Stelle, und Jordan ist dann auch so weit. Ich gebe Jordan ein Papiertuch, er wischt sich ab. "Das hier ist die professionellste Firma, für die ich in Deutschland gearbeitet habe", meint er mit ernstem Gesichtsausdruck. "Da gibt es sonst Drehs mit nur einem Kameramann, in irgendeiner Wohnung, und das Licht ist egal, Hauptsache Material."
Schwulenpornos: Klischees und ihre wahrhaft beachtliche Halbwertzeit
Wir reden dann noch darüber, ob es Unterschiede gibt zum normalen Porno. "Bei uns geht es nicht um die Erniedrigung der Frau, hier geht es um eine Feier von Schönheit und Muskeln. Außerdem ist die Sache bei uns offener." Es ist für mich merkwürdig, immer noch das Klischee von der Erniedrigung zu hören, selbst von Machern aus der Branche. In jedem Fall ist es auffällig, dass diese Einschätzung immer von denen kommt, die noch nie am Set einer herkömmlichen Porno-Produktion gewesen sind. Wen wundert's, sage ich mir da, dass Menschen, die gar nichts mit der Branche zu tun haben, immer noch denken, dass es am Porno-Set so schlimm um die Frauen stünde.
Der Dreh ist beendet. Nacheinander geht Jörg mit jeweils einem Darsteller in sein Büro und regelt das Finanzielle – der schlaksige Jörg und seine muskelbepackten Darsteller. Victor steht, immer noch nackt, in der Küche. "Sind solche Dreharbeiten eigentlich geil?" frage ich ihn. Er lacht und schüttelt den Kopf. "Kein bisschen. Das ist Porno. Das ist Arbeit. Du musst dich konzentrieren, auf den Regisseur hören und aufpassen, dass du nichts falsch machst. Am Abend habe ich nicht das Gefühl, Sex gehabt zu haben."
© Philip Siegel
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