In den Kink-Reportagen von PURE geht es nicht um Praktiken, sondern um das, was sie in Menschen auslösen und – um die Bedürfnisse dahinter. Die erste Folge hat nun Weltpremiere in der JOYclub-Mediathek. Ein Gespräch mit dem Trio hinter dem Projekt über die Kinkster-Blase, notwendige Außenperspektiven und das Besondere der PURE-Filme.
Das ist PURE
Als Swen Brandy, Sandra alias Pepper_Mind und der Videojournalist Sebastian Salvor ursprünglich zusammenkommen, haben sie ein kleines und feines Vorhaben: Sie wollen ein Playshooting von Swen mit der Kamera begleiten. Bei einem Playshooting, einer Mischung aus Fotoshooting und BDSM-Session, entstehen oftmals besonders intime und emotionale Motive. Und doch bleibt viel an Intensität und Spieldynamik verborgen. Was passiert also, wenn man eine Session nicht fotografiert, sondern filmt?
Schon seit Jahren sind Swen Brandy und Sandra in der BDSM-Szene unterwegs, veranstalten Workshops, Partys und andere Kink-Events. Dank dieser guten Vernetzung war dem Trio schnell klar: Es gibt so viel mehr zu erzählen, so viele sexpositive Menschen, so viele Emotionen und starke Geschichten. PURE war geboren.
Die Team-Rollen sind klar: Sebastian hat den Blick von außen und durch die Kamera, Swen und Sandra bringen Kenntnisse und Kontakte ein, interagieren teils vor der Kamera mit den Protagonist:innen und leiten sie in Live-Sessions an. Und alle drei zusammen haben ein Anliegen: Menschen und Kink in allen Facetten sichtbar machen.
Die erste Folge gibt es jetzt in der JOYclub-Mediathek zum Leihen und Kaufen. Weitere Folgen erscheinen ab Januar.
Interview: "Wir erzählen keine Sex- oder Fetischpraktiken, sondern Menschen"
JOYclub: Wie gelingt es euch, dass eine Protagonistin wie Dedita in der ersten Folge sich körperlich und seelisch derart offen vor der Kamera zeigt und so viel von sich preisgibt? Was ist da vorab an Vertrauensarbeit notwendig?
Sandra: Für die erste Folge, die zugleich ein Probelauf war, wollten wir unbedingt mit einem Menschen kooperieren, mit dem wir bereits vertraulich zusammengearbeitet haben. Dedita und ich hatten vorab schon mal gemeinsam gefesselt. Und Swen hatte mit ihr schon einige Playshootings gemacht.
Swen: Es war auch für Sandra und mich eine neue Situation, die wir erst erproben mussten, da wir ja teilweise selbst vor der Kamera standen. Mit Dedita wussten wir, das würde harmonieren, da wir uns schon von vorherigen Playshootings kannten.
Sandra: Zusätzlich haben wir versucht, maximale Transparenz zu schaffen, um Dedita und den anderen Protagonist:innen Sicherheit zu vermitteln. Das umfasst beispielsweise ein ausführliches Konsensgespräche im Vorfeld.
Sebastian: Für mich hinter der Kamera lag die große Herausforderung darin, die Protagonistin sowie Sandra und Swen möglichst wenig im natürlichen Fluss und Miteinander zu stören.
Swen: Sebastians starkes Gespür dafür, wann die Kamera quasi unsichtbar werden muss, war unheimlich wichtig. Und durch seine ruhige, wertschätzende Art hat er genau die richtige Atmosphäre geschaffen.
Schau den Trailer zu "Submissive"
Den ganzen Film siehst du in der JOYclub-Mediathek.
JOYclub: Das Mainstream-Interesse an Kink ist in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen. Worin unterscheidet sich euer PURE-Projekt von anderen dokumentarischen Fetischporträts?
Sandra: Die meisten Dokumentationen und Reportagen werden nach wie vor von Menschen gemacht, die selbst nicht Teil der Szene sind und somit von außen auf die Sache schauen. Auch wenn sich vermehrt darum bemüht wird, die Motivationen dahinter zu verstehen, gelingt es selten.
Swen: Wir erzählen keine Sex- oder Fetischpraktiken, sondern Menschen und deren Emotionen, Motive und Bedürfnisse. Darüber werden die Menschen viel nahbarer. Was bedeutet beispielsweise Dedita ihr Devotsein in all seinen Facetten?
Sandra: In Gesprächen mit Menschen, die keine BDSM-Erfahrungen haben, fällt uns immer wieder auf, dass sich viele dennoch mit den Bedürfnissen hinter diesen Vorlieben identifizieren können. Nur leben Nicht-Kinkster Bedürfnisse, wie sich fallen zu lassen, sich hinzugeben, den Kopf auszuschalten, einfach über andere Ventile aus.
Swen: Sofern sie es überhaupt tun.
Sebastian: Um genau das rüberzubringen, ist es elementar, die Protagonist:innen bei echten Sessions zu begleiten, da hier im Zusammenspiel von Visualität und Akustik die Gefühle am eindringlichsten transportiert werden. Und die Interviews vertiefen dann nochmal die Reflexion und Einordnung.
Sandra: Da Sebastian nicht aus der Szene kommt, ist sein Blick von außen ein super Korrektiv. Erzählen wir gerade nachvollziehbar auch für Menschen, die nichts mit Kink am Hut haben? Für diese Leitfrage ist seine Außenperspektive und seine journalistische Distanz unverzichtbar.
JOYclub: An welchen Punkten gab es denn unter euch am meisten Diskussionsbedarf?
Sandra: Eindeutig dann, wenn es darum ging, was wir wie zeigen wollen. Natürlich wollen wir alles so authentisch wie möglich abbilden. Aber zum einen möchten wir nie die Porträtierten bloßstellen, zum anderen den Zuschauenden nicht zu viel aufbürden. Es gibt ja ein paar sehr intensive Szenen, etwa das Spanking mit Dedita. Auf diese folgt nun eine verspielte Szene mit viel Lachen und Aftercare, sodass wir die Emotionen von davor hier auflösen und quasi auch mit den Zuschauenden eine Art Aftercare betreiben.
Sebastian: Manche unserer Diskussionen spiegeln die Gegensätze zwischen BDSM und Nicht-BDSM wieder. Ich habe da manchmal Bedenken, die Sandra und Swen zunächst nicht teilen, weil sie etwa einen bestimmten Umgang gewohnt sind.
Swen: Es ist die erwähnte Außenperspektive, die maßgeblich für das Projekt ist. Es gab zum Beispiel mal auf dem Rückweg von einem Dreh eine lange Diskussion zwischen Sebastian und mir. Wir hatten ein Paar gefilmt, der Mann hat die Frau im Rahmen einer Session immer wieder als "Schlampe" bezeichnet. Für beide war diese Degradierung ein erotischer Teil des Spiels. In unserer Diskussion ging es um die Frage: Wie oft und wann darfst du – trotz bestehender Einvernehmlichkeit diesbezüglich – "Schlampe" sagen, ohne als Sexist oder Macho zu gelten?
JOYclub: Wenn ihr es euch aussuchen dürftet: Was sollen die PURE-Porträts bei den Zuschauenden erreichen oder auslösen?
Sebastian: Das, was ohnehin eines der Ziele des PURE-Projektes ist: Wir würden uns wünschen, dass die Filme die Zuschauenden vor allem auf emotionaler Ebene erreichen. Gerade auch jene, die wie ich, keine Fetischerfahrung haben.
Sandra: Wenn ein Teil der Menschen die Motivationen und Empfindungen unserer PURE-Held:innen nachvollziehen kann, wäre das großartig. Wir leben immer noch in einer Zeit, in der bestimmte sexuelle Präferenzen sowie Sexualität an sich, nicht komplett frei von Stigmata und Vorurteilen sind.
Swen: Und trotz weitestgehend liberaler Gesetze in Deutschland die Gefahr besteht, dass errungene Freiheiten auch legal wieder eingeschränkt werden können. Selbst in vielen westlich Ländern stehen teils Praktiken des BDSM noch immer unter Strafe, z.B. in Großbritannien oder in einigen Bundesstaaten der USA. In Polen wurden die Rechte von LGBT stark eingeschränkt. Diese Gefahr sowie die Verurteilung vermeintlicher Andersartigkeit lässt sich nur kontern, indem der überwiegende Teil der Gesellschaft das "Andere" eben nicht mehr als solches begreift.
JOYclub: Die Erzählweise und die Themen von PURE sind progressiv: Es geht um Kink und sexuelle Selbstbestimmung, Gender-Identität und Feminismus. Wie gelingt es, damit nicht nur Menschen in der eigenen Blase zu erreichen, sondern auch jene, die eben noch nicht so weit sind?
Sandra: Erwischt, das ist tatsächlich eine Frage, die uns sehr beschäftigt. Vermutlich werden wir nur wenige Personen erreichen, die diese Themen grundsätzlich ablehnen. Aber wir sehen ein großes Potenzial bei Menschen, die neugierig sind, sich bisher aber vielleicht noch nicht getraut haben, einen selbsterkundenden Schritt in diese Richtung zu wagen.
Sebastian: Wir hoffen, Menschen außerhalb der Blase dadurch zu erreichen, dass die Protagonist:innen und Bilder eben nicht durchgängig den Klischees entsprechen. So zeigen wir BDSM ohne finstere Folterkeller-Atmosphäre und auch mal ohne Lack, Leder und Latex. Deswegen findet das Playshooting mit Dedita in einem sonnendurchfluteten Garten statt.
Swen: Und natürlich über die Nahbarkeit. Wir reduzieren die tollen Protagonist:innen nicht auf ihre Neigung, sondern erzählen sie als Menschen, die halt eine bestimmte Neigung haben.
Sebastian: Die große Herausforderung in diesem Zusammenhang wird es sein, unsere Filme außerhalb von sexpositiven Plattformen und Medien zu platzieren. Das wird ein Stück weit durch die immer wieder aufflammenden Verschärfungen der Zensur auf Social Media verstärkt. Wir sind aber gerade dabei, die Möglichkeiten auszuloten und einige hilfreiche Kooperationen zu knüpfen.
JOYclub: Was hat das Projekt mit euch gemacht? Hat sich euer Blick gewandelt oder erweitert? Wenn ja, auf welche Art?
Sebastian: In Sachen BDSM und Fetisch habe ich verdammt viel dazugelernt und neue Perspektiven gewonnen. Das PURE-Projekt hat mich nicht nur als Mensch, sondern auch in meiner journalistischen Arbeit bereichert. Ich habe durch dieses freie Projekt meine dokumentarischen Fähigkeiten erweitern und verfeinern können.
Sandra: Wer sich länger in einer bestimmten Szene bewegt, weiß, dass sich der Blick für die Besonderheiten trübt. Daher war es für mich am erstaunlichsten, wie groß das Interesse der Menschen außerhalb ist, Einblick in diese Welt und die Szene zu bekommen. Ich habe mich im Laufe des Projekts immer mehr damit beschäftigt, wie sich gute Brücken zwischen den Welten schlagen lassen.
Swen: Ich habe ja schon einige Jahre als BDSMler auf dem Buckel und doch habe ich neue Perspektiven auf die Themen gewonnen. Beispielsweise in puncto Gruppendynamiken, denn so ein Dreh erfordert einen erweiterten Konsensrahmen, es braucht noch mehr Kommunikation. Wenn die aufgeht, kann das ganze Miteinander, die Session, das Spiel wachsen.
Und PURE hat in mir die Motivation verstärkt, sexuelle Vielfalt und Menschen in möglichst vielen Facetten zu dokumentieren. Es ist also noch mit einigen PURE-Folgen, über die ersten drei hinaus zu rechnen!
Du magst Grenzerfahrungen und das PURE-Projekt? Dann schenk dem Beitrag ein "Gefällt mir".
Jetzt in der JOYclub-Mediathek schauen: "Submissive"
Dedita arbeitet im Alltag als Krankenschwester und ist liebevolle Hundemama. Doch hin und wieder nimmt sie sich eine Auszeit, um in die Welt des BDSM abzutauchen. Als Sub genießt sie vor allem dominante Führung, Bondage und Spanking. Die erste Folge der PURE-Reportagen begleitet Dedita bei einem Playshooting mit Swen Brandy und einer Bondagesession mit Pepper_Mind. Darüber hinaus erzählt Dedita, was ihr diese Kink-Grenzerfahrung bedeuten und welche Emotionen sie in ihr auslösen.
44 Minuten | D 2021 | Leihen: 5,99 € | Kaufen: 14,95 €
Jetzt leihen oder kaufen
Ein Film von SebastianSalvor, Carnivore_Pic & Pepper_mind. Mit einem Klick aufs Cover gelangst du zum Film in die JOYclub-Mediathek.
Weitere PURE-Folgen
- Folge 2 "Schwul – Queer – Kinky" gibt's schon in der JOYclub-Mediathek. Hier entlang.
- Folge 3 "Switching & Edge Play" ist da! Jetzt in der JOYclub-Mediathek schauen.
- Folge 4 "Shibari als Passion und Beruf" wartet auf dich! In der Mediathek schauen.
- Folge 5 "The Kinky Life of Tua" ist verfügbar! In der Mediathek schauen.
JOYclub: Was ist das?
- JOYclub ist mit über 6 Mio. Mitgliedern eine lebendige, sexpositive Community, die dein Liebesleben komplett auf den Kopf stellen wird.
- Egal ob Mann, Frau, Trans, Single oder Paar: Im JOYclub kannst du (gern mit deiner Partnerin/deinem Partner) deine erotischen Fantasien mit anderen Mitgliedern entdecken und ausleben.
- Neugierig? Dann melde dich kostenlos und unverbindlich an und entdecke die faszinierende JOYclub-Welt. Wir freuen uns auf dich!