Wann ist ein Mann ein Mann? Robert Lindemann ist Fotograf, Model und produziert seinen eigenen Erotik-Kalender – mit Bauch, Fischerhut und lackierten Nägeln. In sozialen Medien reagiert er auf Fitnesswahn und toxische Männlichkeit. Ein Gespräch über Body Positivity, Homophobie und Eitelkeit.
Interview von kinkyminky mit Robert Lindemann
Du bist selbst Foto- und Videograf. Wie bist du darauf gekommen, dich als Kalenderboy und Model mit viel Haut zu zeigen?
Ich arbeite zwar hinter der Kamera, hatte aber insgeheim schon immer die Ambitionen, vor der Kamera zu stehen. Schon als Kind habe ich mich für Filme interessiert und wollte später etwas in diesem Bereich machen. Über die Filmtheorie bin ich dann zur Fotografie gekommen. Dort hatte ich viele Jobs, bei denen ich anderen Fotografen assistierte und auch mal Lichtdouble stand.
So kam es, dass ich an dem einen oder anderen schönen Strand knapp bekleidet war und die Idee für den Erotik-Kalender entstand. Gleichzeitig war der Rapper MC Smook Inspiration, der selbst mehrere Jahre einen Erotik-Kalender herausgebracht hat.
Wenn er gerade nicht vor oder hinter der Kamera steht, bringt er uns auf seinem Instagram-Account zum Lachen – und seine Kritiker zum Schäumen. Mehr über Robert findest du auf seiner Webseite.
Wer kauft deinen Kalender?
Meine Käuferschaft ist recht durchmischt, ich würde schätzen 60 % weiblich gelesene und 40 % männlich gelesene Personen. Die meisten Bestellungen kommen natürlich aus Deutschland, es sind aber auch immer ein paar aus dem europäischen Ausland dabei.
Wie viel Ironie steckt hinter den erotischen Motiven? Ist der Kalender eine Persiflage auf die glatte Insta-Welt oder echte, gelebte Body Positivity?
Es ist ein Mix daraus. Klar ist es irgendwie ironisch, weil ich nicht den klassischen, von Social Media vorgegebenen Schönheitswerten entspreche, mit mehr Bauch und sowas. Anfangs war Body Positivity auch gar nicht das Thema. Ich fühle mich tatsächlich ganz wohl in meinem Körper und fand es einfach ein bisschen lustig, so einen Kalender herauszubringen.
Mir ist aber in den letzten Jahren zunehmend bewusst geworden, dass ich so ein Body-Positivity-Ding erfülle und teilweise auch Menschen bestärke. Das Thema ist mit dazugekommen, weil Leute es in mir gesehen haben und ich diese Rolle auch irgendwann erfüllt habe.
Hattest du ein männliches Vorbild, als du jünger warst?
Interessanterweise waren meine Vorbilder als ich jünger war vornehmlich männlich, heute sieht das anders aus.
Als Kind habe ich mich für Zauberei interessiert und sogar auf Geburtstagen anderer Kinder gezaubert. Zu der Zeit war es David Copperfield, später ging mein Interesse dann mehr zu Film und Fernsehen und da war es dann mal Jackie Chan, oder der deutsche Stuntman Herman Joha, später dann Regisseure wie Quentin Tarantino, Stanley Kubrick oder Martin Scorcese, aber auch diverse Schauspieler und Medienschaffende waren dabei.
Es gibt online viele Idealbilder, auch für Männer. Findest du dich selbst attraktiv oder erotisch anziehend?
Ja, diese Idealbilder gibt es, sie hatten aber nie wirklich Auswirkungen auf mich. Meine Erfahrung zeigt auch, dass ich anziehend auf andere wirke, obwohl ich nicht den klassischen Idealen entspreche.
Gefühlt sind heute alle mit Selbstoptimierung beschäftigt. Wie wichtig ist dir dein eigener Look: Bist du eitel?
Durchaus. Ich habe zum Beispiel ein Problem: Ich bekomme so ein bisschen Geheimratsecken und kann das immer gut mit meinem Pony kaschieren, weil ich lange Haare habe. Aber das ist schon meine Schwachstelle, die mir wirklich zu schaffen macht.
Mit meinem Gewicht habe ich gar kein Problem, beim Thema Haare merke ich dagegen, dass ich eitel bin. Gerade wenn ich Darstellerjobs vor der Kamera habe, bin ich immer damit beschäftigt, meine Haare nach vorne zu machen und den Hair- und Make-up-Artists zu sagen, dass sie mir noch etwas Haarspray auflegen können.
Wie reagieren andere auf deine Bilder und Aktivitäten als Model, gerade wenn diese außerhalb des Normschönen ablaufen?
Es ruft Reaktionen hervor, wenn man etwas Ungewöhnliches zeigt. Negatives Feedback erhalte ich wenig und wenn, dann ist es von den richtigen Leuten. Die sich darüber aufregen und ihre Dickenfeindlichkeit oder auch Homophobie ausleben. Dann bin ich als nackter Mann plötzlich eine Zielscheibe, auch wenn ich eine Hete bin. Oder Leute, die eindeutig zeigen, was für oberflächliche Arschlöcher sie sind.
Es kommt aber wenig bis gar keine Kritik, die mir wirklich zu Herzen geht. Wenn mein Umfeld negativ reagieren würde, würde mich das treffen. Aber die Kritik kommt meist aus anderen Bereichen. Ich hatte mal ein Reel, in dem ich einen Bodybuilder verarscht habe. Da waren dann viele Pumper in den Kommentaren, die mich fettfeindlich und homophob beleidigt haben. Über solche Reaktionen freue ich mich eher.
Beim Klick auf das Cover gelangst du zu Roberts Reel auf Instagram.
Haben sich dein Selbstbild oder dein Auftreten gegenüber anderen verändert, seit du öffentlich Feedback erhältst?
Es ist in jedem Fall ein Ego-Push. Ich war aber immer schon recht selbstbewusst, das hat sich nicht sehr verändert. Wenn mich Leute in der Öffentlichkeit erkennen und darauf ansprechen, die mir auf Insta folgen oder den Kalender kennen, gefällt mir das durchaus.
Auf Social Media reagierst du auf Menschen, die eine sehr besondere Vorstellung von Geschlechterrollen und Körperbildern haben. Warum machst du das?
Videos, wie die von Männern, die sich homo- und transphob äußern, oder diese Fitnesstypen entsprechen absolut nicht meinem Weltbild, wobei Erstere wesentlich problematischer sind. Da macht es mir Spaß, nach oben zu treten. Es gibt ja viele, die sich über Idioten lustig machen, was ich immer schwierig finde, weil ich glaube, dass man bei denen nicht noch drauftreten muss.
Es gibt einige Accounts auf Instagram, denen ich nur deswegen folge, weil sie so cringe Videos posten. Da ist zwar auch vieles dabei, wo ich es schwierig finde, sich darüber aufzuregen, weil man dann irgendwann ein RTL-Niveau hat. Dazwischen finden sich aber immer wieder ein paar Schätze, auf die ich guten Gewissens reagieren kann.
Was bedeutet Männlichkeit für dich?
Ich habe kein richtiges Männlichkeitsbild. Ich finde es ganz gut, dass sich das klassische Männlichkeitsbild immer mehr aufweicht. Ich lackiere mir zum Beispiel gerne die Fingernägel, was für viele unmännlich wäre. Solange sich jeder beim Ausleben von Männlichkeit oder Weiblichkeit wohlfühlt und dabei niemanden stört, soll jeder sein eigenes Bild davon haben.
Wie ist deine Erfahrung beim Flirten: Was wird von Männern erwartet und wie gelingt dir das Ansprechen am leichtesten?
Mit einer offenen und humorvollen Kommunikation bin ich bisher am besten gefahren. Was von Männern erwartet wird, kann ich nicht pauschal beantworten. Was man aber auf jedenfalls vermeiden sollte, sind Dinge wie: Unehrlichkeit, Mansplaining, sich über das gegenüber stellen oder grundsätzlich übergriffig zu sein.
Wenn mir Freundinnen manchmal Anschreiben von Männern zeigen, denke ich mir: "Vollkommen absurd!" und bin erschrocken über das Selbstverständnis mancher Männer.
Wir befinden uns in der Jahresmitte. Was dürfen wir von deinem Erotik-Kalender in 2024 erwarten?
Der neue Kalender ist gerade in Arbeit. Einige Bilder sind schon Anfang des Jahres in Kapstadt entstanden, der Rest bleibt Überraschung!
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