gif
©

Warum ich Emojis fürchte

– und du es auch tun solltest!

Lesen, Schreiben, Sexstellungen – grandiose kulturtechnische Errungenschaften, 5.000 Jahre Fortschritt! Und dann? Treten Ende des 20. Jahrhunderts rülpsende Emojis auf den Plan und pflügen eine Schneise semiotischer Verwüstung in die zwischenmenschliche Kommunikation. Unser Schicksal ist besiegelt: Die Evolution macht kehrt. Eine (völlig ernst gemeinte) Glosse.

Von Alex Todorov

Was für ein Service!

JOYclub stellt seinen Mitgliedern für die ClubMail-Kommunikation ein Privatheer an Emojis an die Seite. 447 Smileys von *hatschi* über *ninjaclown* bis *fisting* aus 25 Kategorien von "Sex und Erotik" über "Grinsen" bis "Krank und Würg" stehen mir beim balzenden Schriftverkehr bei. Theoretisch.

Denn davon nutze ich praktisch: null. Wenn mich jemand nach dem Warum fragt, antworte ich für gewöhnlich: Weil ich schon alle Buchstaben kenne. Die ehrliche Begründung hingegen lautet: Weil ich die Verwendung von Emojis für steril, unaufrichtig und infantil halte. Und manchmal auch für perfide.

Das ist der Moment, in dem du mir aus Unverständnis und Wut ein Emoji aus der Kategorie "Krank und Würg" oder "Sauer" schickst.

Mach ruhig.

Ich warte solange mit dem Text.

Nun dann.

1. Warum ich Emojis für steril halte

Eine Kollegin schrieb mir jüngst einen kurzen, klaren und außerordentlich verständlichen Hauptsatz. Heißt: Nicht mal ein Komma versperrte meinem Verständnis den Weg. Aus ihrer Nachricht las ich eine glasklare Handlungsanweisung ab. Ideal. Allerdings irritierte mich eine (hässliche) Kleinigkeit: das Smiley am Ende ihres Satzes.

Warum stand es da? Welche Auswirkungen hat es auf den Inhalt des Satzes? Ich fragte sie: Hast du es so gemeint, wie du geschrieben hast? Oder bedeutet das Smiley, dass du das Gegenteil davon meinst? Sie: Wie ich's geschrieben habe. Ich: Warum dann das Smiley? Sie: Weil der Satz zu Ende war.

Wow!

Menschen nutzen Emojis mittlerweile wie Satzpunkte. Sie setzen sie nicht zwangsläufig am Satzende, oftmals eher am Schluss vermeintlicher Sinneinheiten. Was sie damit bezwecken? Als Weichmacher tilgen Emojis jeden kleinsten Keim, der beim Empfänger empfundene Irritation oder Unhöflichkeit aufkommen lassen könnte. Das neue Opium des Volkes. Sie bekleistern den vorangegangenen Abschnitt mit einem widerlich schlierigen Schaum, der alles maximal weich, widerstandslos und steril macht.

Mir ist noch kein Emoji untergekommen, dass etwas klarer oder verständlicher gemacht oder die Nachricht um einen inhaltlichen oder tonalen Mehrwert ergänzt hätte. Im Gegenteil: Emojis können den klügsten Satz wie prähumanoides Gegrunze wirken lassen.

Warum einem Satz wie "Schönes Wetter heute" ein Sonne-Emoji angehangen werden sollte, ist neben Menschen, die auf Rolltreppen stehen bleiben (statt sich nach oben oder unten zu bewegen), und dem Erfolg von Taylor Swift eines der großen Menschheitsrätsel.

Was bitte ist JOYclub?

Alles, was du willst, würden wir gerne sagen. Aber JOYclub ist noch mehr. Ein frivoler Eventkalender. Ein erotisches Forum. Ein Dating-Portal. Ein Online-Magazin. Eine soziales Netzwerk für besondere Kontakte. Vor allem: eine sexpositive Community mit über 3 Millionen Mitgliedern (von denen die meisten Emojis nutzen).


Erfahre mehr.
JOYclub stellt seinen Mitgliedern 447 Smileys für die ClubMail-Kommunikation zur Verfügung.
JOYclub stellt seinen Mitgliedern 447 Smileys für die ClubMail-Kommunikation zur Verfügung.
©
 

2. Warum ich Emojis für unaufrichtig halte

Meiner Denke nach ist die Mechanik hinter dem Verfassen und Versenden einer Nachricht simpel.

Entweder ich meine etwas, so wie ich es geschrieben habe. Oder nicht.

1. Wenn ich es so schreibe, wie ich es meine, stehe ich zu dem Inhalt – und dem angeschlagenen Ton. Dann benötige ich kein Emoji, wie einen doppelten Boden, der es mir ermöglicht, ungeschoren davonzukommen, sollte irgendetwas schiefgehen. Finito.

Emoji-Verzicht ist Haltung.

Mein Dilemma: Als einer der letzten Zweibeiner, der sich in seinem digitalen Schriftverkehr auf das Grundrepertoire an Buchstaben und Zeichen beschränkt – im Arbeits- und Privatkontext –, erhalte ich teils naserümpfende Rückmeldung auf sehr gerade Sätze. Weil ich sie genau so gemeint habe. Weil Menschen vermuten, irgendetwas liege im Argen. Einfach nur, weil da nichts umschmeichelt oder besänftigt.

Irre.

2. Wenn ich es nicht so meine, wie ich es geschrieben habe, bin ich für jedwede Reaktion gewappnet. Und nehme in Kauf, missverstanden zu werden.

Die Verwendung von Emojis zielt darauf ab, in vorauseilendem Gehorsam jedes eventuelle Missverständnis auszuräumen, bevor es geboren wird.

Ein jeder Emoji-Satz eine abgetriebene zwischenmenschliche Interaktionen, die nicht sein darf.

Dabei darf Kommunikation, je nach Absicht und Kontext, missverständlich sein. Gelegentlich sind Irritationen die Würze. Die Herausforderungen. Die schiefen Denkräume, in die ich jemanden einlade, wenn ich eben mal nicht das Geschriebene mit einem Smiley aufweiche oder gar komplett wieder zurücknehme.

Da darf auch mal ein Monolith-Satz stehen, an dem sich nicht ein Zentimeter rütteln lässt. Der nicht vor Bemühung trieft, die andere Person dort abzuholen, wo man sie in diesem Moment vermutet.

Gerade im Dating-Bereich.

Etwa: Ich möchte, dass du dich jetzt auf mein Gesicht setzt.

Oder: Emoji-NutzerInnen gehören jenen Einzellern an, die kurz nach dem Aufsetzen des Flugzeugs klatschen.

Siehst du. Das war ganz einfach. Den ersten Satz habe ich genau so gemeint (Schreib mir wann und wo!). Den zweiten nicht. Denn: Mein Verdacht, Personen, die exzessiv Emojis ausstoßen, würden sich nur mittels Kratzgebären und Klatschlauten mitteilen können, hat sich nicht erhärtet. Viele Emoji-Freunde sind alphabetisiert, manche sogar klug! Nur wollen sie offenbar nicht, dass jemand davon erfährt.

Warum sonst würde jemand das hier verwenden? *featuremonster*

3. Warum ich Emojis für perfide halte

Subtilität und Hintersinn schließen die beiläufige Verwendung von Emojis aus. Emojis sind nicht die feine Klinge, sie sind die brachiale Streitaxt, bei der man nie weiß, in welche Richtung sie fällt.

Zugleich lassen sich diese Emoji-Scheißerchen als Schutzschilder verwenden, hinter denen man sich und seine Meinung verstecken kann. Sie geben einem die Möglichkeit, alles zu schreiben, ohne es zu meinen. Oder alles zu schreiben, und so zu tun, als würde man es nicht meinen. Daher beliebt bei der "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen"-Fraktion.

Du denkst, das ging ja nun definitiv zu weit? Ich denke: Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen. Zwinker-Smiley!

 
Ergebnis einer Umfrage unter 5.000 JOYclub-Mitgliedern. Ich sehe 108 Verbündete.
Ergebnis einer Umfrage unter 5.000 JOYclub-Mitgliedern. Ich sehe 108 Verbündete.
 

4. Warum ich Emojis für rückschrittlich halte

Ach, herrje, jetzt schwingt die mittelgroße kulturkritische Keule heran.

Bereit?

Emojis sind ein leidlich logischer Schritt der schon hinreichend diagnostizierten Infantilisierung der Kultur. In den Siebzigern etwa wurden die Kinohits für Erwachsene auch wirklich für Erwachsene produziert. Und heute? Zielen alle großen Filmerfolge auf ein junges Publikum ab. Und die Erwachsenen schauen sich dann halt mit an, wie ein Protagonist das Sprießen seines ersten Schamhaarkringels über zwei Stunden lang maximal pathetisch im Breitwandformat kompensiert, in dem er irgendeine Welt rettet, die sich das Dahinsiechen zumeist aufrichtig verdient hat. Manchmal, weil die darin Lebenden Emojis verwenden.

Heute also schicken sich ausgewachsene Menschen kopulierende, brechende oder manisch grinsende Sinnbilder der Totalverniedlichung.

Was braucht es da noch an Beweisführung? Emojis sind der willentliche Bruch der Menschheit mit Fortschritt und Weiterentwicklung. Bald entlausen wir uns wieder gegenseitig als Zeichen der Zuneigung.

Emojis sind ein bisschen wie CO2: Während die Emission von CO2 das Klima unseres Planeten fickt, fickt die Emission von Emojis unmerklich unser Kommunikationsklima. Und der Point of no Return naht.

Das ist dir zu dick aufgetragen?

Mir auch.

Aber in meinem Kopf klang es wirklich überzeugend.

Ich fordere dich heraus!

Ich boykottiere Emojis. Macht mich das konservativ? Ein bisschen. Was das nicht heißt: dass ich Wandel prinzipiell ablehne. (Außer Klimawandel, siehe oben.)

Gerade Kommunikation, Dialog und Sprache leben und atmen durch einen steten Wandel, durch neue Einflüsse. Aber Emojis? Diese semiotischen Speedballs, die manche Nachrichten aussehen lassen wie eine überfüllte Freibadwiese voller nackter Minions aus Vogelperspektive? Wirklich?

Ich fordere jeden Smileyisten zu folgendem Experiment heraus: Kommuniziere eine Woche auf all deinen Kanälen ohne Emojis, gib dir dafür vielleicht einen Tick mehr Mühe mit dem geschriebenen Wort.

Schreib mir gerne, welche Folge-Interaktionen du hattest, zu denen es mit Emojis nie gekommen wäre. Ob Beschimpfung, Heiratsantrag, Prügelei, Quickie-Offerte, Isolationshaft, Kündigung, Enterbung, zweiter Ehe-Frühling oder ein unabsichtlich ausgelöster Dritter Weltkrieg. Verdammt, wo ist ein Emoji, wenn man mal wirklich eins braucht?!

PS: Wie schön wäre eine JOYclub-Gruppe für Emojiphobiker!

 

Wie wär's mit ...

  • Du hast gute Argumente für Emojis parat? Überzeug mich im Thread.
  • Du (meidest Emojis und) magst Sprache? Vielleicht ist die Gruppe Talk mit Niveau etwas für dich.
  • Du bist schon verloren an die Knechtschaft der Emoji-Kommunikation?

Dann ab zum Emoji-Quiz!