Sophie Andresky erklärt in unserem Interview den Titel ihres Buches und wie sie auf die Idee für die Handlung von "Dark Room" kam. Des Weiteren erfahren wir, wie realistisch die härteren Einlagen in dem Roman sind.
Vom Zeitungsartikel zu "Dark Room"
Hallo Sophie! Wie kamst du auf die Idee, einen Erotik-Thriller zu schreiben?
Sophie Andresky: Das hat mich schon lange gejuckt. In "Fuck Your Friends" gab es bereits Krimi-Elemente. Ich habe mich gefragt, was man im Erotikgenre außer fröhlichem Vögeln und freudvollem Ficken noch anstellen kann. Und ich bin ja immer ein Fan von und statt oder. Penisse und Muschis. Cheesecake und Prosecco. Spannung und Erotik. Vielleicht haben mich da die Überraschungseier meiner Kindheit vermurxt, aber meistens finde ich es besser, wenn man sich zwischen Spiel, Spannung und Schokolade nicht entscheiden muss.
Was lieferte die zündende Idee für deinen Roman? Wir fragen das, weil manche Elemente des Romans dank Horrorfilmen wie "Hostel" oder Actionstreifen wie "Harte Ziele" sehr vertraut wirken. Bist du Fan derartiger popkultureller Einflüsse der etwas härteren Art oder entstand die Idee vollkommen unabhängig von derartigen Vorbildern?
Sophie Andresky: Ganz am Anfang stand eine Zeitungsnotiz. Da ging es um einen Kriminalfall aus Frankreich. Eine ganze Familie wurde ermordet und irgendjemand hatte auf dem Auto in den Staub der Windschutzscheibe "Das hättest du nicht tun sollen" geschrieben. Dieser Satz hat mich nicht mehr losgelassen. Was kann jemand getan haben, dass seine ganze Familie ausgelöscht wird? Ich wusste auch sofort, dass meine Heldin am Tatort gewesen sein muss und sich danach nicht sicher ist, ob und was sie mit dem Verbrechen zu tun hat. Viel, wie sich herausstellt. Ich bin katholisch sozialisiert (inzwischen lange ausgetreten) und fest überzeugt davon, dass die Hölle in uns ist und nicht irgendwo nach dem Tod droht – sie ist in uns, da, wo es am meisten weh tut.
Das Zweite, das sehr schnell fest stand, war die Eingangssequenz: Eine junge, sehr elfenhafte Frau, die praktisch nackt mit riesigen Engelsflügeln durch das nächtliche Berlin rennt. Das ist für mich meine Heldin Fiona, eine durchgefickte Erinnye (griechische Rachegöttin), die vor nichts und niemandem Angst hat und die dabei aussieht wie ein Engelchen. Trau keiner Frau, die niedlich wirkt!
Horror- oder Splatterfilme sehe ich nie, nachdem ich bei "The Ring" panisch vor Angst unterm Kinosessel gehockt und die nächsten Nächte mit Licht geschlafen habe und ich heute noch hoffe, dass sich mein Spiegelbild nicht plötzlich irgendwie komisch bewegt. In "Dark Room" sieht man ja auch nie jemanden live mit der Kettensäge hantieren. Das war mir wichtig, dass sich an den Szenen nicht irgendwelche Perversen aufgeilen können. Die Verbrechen werden nacherzählt oder skizziert, so dass man weiß, was passiert ist. Aber man steht als LeserIn nicht knöcheltief im Gekröse. Bei den Sexzenen ist das natürlich anders, da steht oder liegt man mittendrin und soll sich ja auch mitreißen lassen. Als Teenager habe ich "Säulen der Erde" gelesen und fand es ziemlich widerlich, dass die Liebeszenen ganz kurz abgehandelt und abgeblendet wurden, die Vergewaltigung der Hauptfigur aber seitenlang detailliert beschrieben wird. So was will ich nicht im Kopf haben.
"Dark Room" und seine Figuren
Wieso hast du dich für den Titel "Dark Room" entschieden?
Sophie Andresky: Der Titel ist in Absprache mit Heyne Hardcore entstanden. Mein Arbeitstitel war "Grinsekatze", weil ja überall im Buch Anspielungen auf "Alice im Wunderland" enthalten sind. Aber ich sah dann ein, dass das nicht wirklich erotisch klingt (für mich natürlich schon, ich steh ja auf die schrille Erotik zwischen Burlesque und Suicide Girls).
"Dark Room" hat drei Bedeutungen:
- Zum einen meint es die Fickpartys, in der alle übereinander turnen und sich gegenseitig an ihre Grenzen führen.
- Zum anderen beschreibt es die dunklen Räume, die es in jedem gibt: Die Geheimnisse, die Abgründe, Unaussprechlichkeiten und Grausamkeiten.
- Und es sind auch wirkliche Zimmer. Fionas blaues Badezimmer, in dem sie als kleines Mädchen gesehen hat, wie ihre Eltern verbluteten, ist so ein Raum.
Die Figuren deines Romans wirken sehr lebendig und geradezu ideal für eine Verfilmung: Gibt es nationale oder internationale Darstellerinnen, die du dir in den Rollen der Fiona und der Gemma, wie du sie dir ausgemalt hast, vorstellen könntest?
Sophie Andresky: Es gibt viele SchauspielerInnen, die ich extrem sexy finde. Emilia Clarke und Harry Lloyd aus "Game of Thrones" zum Beispiel oder Alexander Skarsgård aus "True Blood", aber wenn ich es mir aussuchen dürfte, hätte ich am liebsten ganz unbekannte Darsteller.
Gibt es umgekehrt Vorbilder aus den Medien oder deiner näheren Umgebung, die dich im Vorfeld des Schreibens bei der Gestaltung deiner Figuren inspirieren?
Sophie Andresky: Wenn ich beim Schreiben an Fiona gedacht habe, dann hatte ich eher Manga-Zeichnungen im Kopf. Elfenhafte Kriegerinnen mit feuchten Schlüpfern. Bei Gemma denke ich gern an die junge Sinead O’Connor, natürlich besser gelaunt, bis ins Mark libidinös und entsprechend gestylt.
Floss auch etwas von dir in eine der Figuren des Romans ein? Wenn ja, welche Figur erbte welche Eigenschaften von dir?
Sophie Andresky: Ich habe einen großen dicken Kater und gäbe es in meinem Leben einen Lacksklaven, müsste er sich ihm auf jeden Fall unterordnen! Wie Gemma habe ich die Dinge gern in der Hand. Es fällt mir schwer, etwas einfach laufen zu lassen. Ich kontrolliere gern. Aber dass ich mal eben am Telefon einen Flugzeughangar organisieren kann, ist natürlich reines Wunschdenken. Püppis Idee, Fiona ein Baumhaus zu bauen, damit sie ein Zuhause hat, kommt meinem Verständnis von Liebe schon sehr nah. Er hat ihr eben kein Diamantencollier von Tchibo geschenkt, sondern sehr genau hingesehen, wer sie ist, was sie braucht und auch welche Lösungen sie akzeptieren kann. Er lässt sie sein, wie sie ist, und gibt ihr, was sie braucht. Da wird mir ganz warm ums Herz, ich bin eben doch eine Romantikerin (seufzt).
Würdest du dir Verfilmungen deiner bisherigen Romane wünschen?
Sophie Andresky: Natürlich fände ich Filme großartig. Jane Campion, feel free to call me! Bis auf die sehr harmlose und komplett sexfreie Festtagsschnulze "Weihnachtsengel küsst man nicht" hat sich noch niemand herangewagt. Es gab immer mal wieder Anfragen oder Meet-and-Greets mit Produktionsfirmen, aber dann stellten sie fest, dass in meinen Sexszenen Sex zu sehen ist, und die Alarmglocken schrillten. Es ist nicht zu fassen, aber es gibt immer noch bei all der Pornoüberflutung eine große Sexangst. Niemand hat Bedenken, Folterszenen zu zeigen, aber wehe, es sollen Menschen vögeln, da bricht Panik aus.
Sophie Andresky und Erotik-Partys
Eine Besonderheit deines Romans sind die extravaganten Schauplätze, an denen die Labyrinth-Erotik-Partys steigen, und deren "Ausstattung". Wie kamst du auf Ideen wie das Gummiband-Spinnennetz oder das Gleitgelbecken mit Fickmaschinenunterfütterung?
Sophie Andresky: Die Räumlichkeiten und deren Ausstattung sind meine Lieblingsszenen. Es macht mir unglaublichen Spaß, mir diese Räume und Maschinen auszudenken. Das hat ja auch eine lange Tradition. Bei Marquis de Sade gibt es schon Sex-Apparaturen. Auf den unheimlichen Bildern von HR Giger verschmelzen Körper mit Maschinen. Und auch auf surrealistischen Zeichnungen wie z.B. von Hans Bellmer sieht man sowas. Da konnte ich mich so richtig austoben.
Bist du selbst Fan von Erotik-Partys? Falls ja, was müssen diese bieten, dass du dich fallen lassen kannst? Den Standard der von dir gezeichneten "Labyrinth"-Partys erfüllen ja aktuell die wenigsten ...
Sophie Andresky: Bei Kartoffelsalat aus Eimern im vollholzgetäfelten Partykeller und geilen Schnauzbartträgern im Tigertanga kommt nicht wirklich Stimmung auf. Es müsste anonym, sicher, supersauber und exklusiv sein. So wie in "Eyes Wide Shut", aber ohne mädchenmordende Kriminelle. Ich kann mir jedenfalls eher vorstellen, auf Partys zu vögeln, als einen Typen in der Disco abzuschleppen und mit zu mir nach Hause zu nehmen, wo nie ganz klar ist, ob der nicht doch ein perverser Axtmörder ist. Oder einer, der seine Fußnägel nur um Weihnachten herum schneidet. Oder einer, der bis zum Morgen in meinem Bett schnarcht und dann will, dass ich ihm Kaffee und Nutella-Toast serviere.
Interessant fand ich, dass trotz aller Ausschweifungen bei den Partys in deinem Buch immer auf Gummis geachtet wird. Ein unerwartet realistischer Einschub in die Sexszenen, da jene auch wegen ihrer Schauplätze wie in einer fantastischen Parallelwelt abzulaufen scheinen. Warum hast du in deinem Roman dennoch auf diese "vermeintliche Kleinigkeit" so viel Wert gelegt?
Sophie Andresky: Weil es keine Kleinigkeit ist. Sex ohne Kondom ist russisches Roulette. Ich kann nicht verstehen, wie man für ein paar Minuten Spaß riskieren kann, dass einem hinterher der Schwanz abfault. Für mich ist die Lust dann am größten, wenn die Angst am geringsten ist. In den Labyrinth-Partys geht es um geschützte Räume: Anonymität, Lust, keine Konsequenzen. Wer ohne Gummi fickt, riskiert sein Leben. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Das ist mein privater Kreuzzug. Und ich habe als Pornoautorin die Möglichkeit, diese Botschaft unters Volk zu bringen. Kondome sollten eine Selbstverständlichkeit sein, die gar nicht groß auffällt. Ich selbst würde mich auch beim Pornogucken viel wohler fühlen, wenn die Darsteller Gummis benutzen würden. Ich möchte nicht beim Masturbieren mit einer Gehirnhälfte darüber nachdenken, welche Sexarbeiterin demnächst an Aids stirbt. Sterben ist einfach nicht sexy.
Wie realistisch ist "Dark Room"?
Im Buch dankst du einigen Ärzten, die dir anscheinend geholfen haben, die blutigeren Szenarios realistisch / glaubwürdig zu halten. Wie kann man sich die Zusammenarbeit und vor allem die Reaktionen der Ärzte vorstellen, wenn sie gefragt werden, wie man zum Beispiel jemandem am wirkungsvollsten die Hoden zerquetscht?
Sophie Andresky: Die hatten einen Heidenspaß! Glücklicherweise konnte ich sie im Freundeskreis rekrutieren, so dass wir das abends beim Wein besprochen haben. Ich musste also nicht mit "ich hab da mal ’ne Frage über Penisse in alten Buchpressen" zu einem Urologen in die Praxis. Aber eigentlich sind immer alle sehr auskunftsfreudig, wenn sie hören, was ich beruflich mache. Ein Bekannter schiebt mich auf Partys gern mal zur Gaudi mit dem Satz "Das ist die Sophie, sie arbeitet in der Pornobranche." in eine Gruppe und lässt mich dann kommentarlos stehen. Es dauert immer nur eine Schrecksekunde, bis irgendjemand anfängt, mir von seinen Feuchtgebieten zu erzählen. Und ganz ehrlich: Manches möchte ich dann gar nicht so genau wissen.
Hast du schon Pläne und Ideen für einen nächsten Roman?
Sophie Andresky: Ich sitze dran, Ende Oktober ist Abgabe (oh Gott, schon März, Hilfe!). So viel kann ich verraten: Es geht um eine verpeilte Hochzeitsplanerin, die heimlich eine Seitensprung-Agentur betreibt. Und es wird anders als "Dark Room" eher sahnetortig als blutig und eher bunt als duster. Sex kann ja doch urkomisch sein. Sollte es verfilmt werden, wünsche ich mir Melissa McCarthy als rattenscharfe Hochzeits-Fee. Die finde ich, so kugelrund und fröhlich wie sie ist, unglaublich sexy. Getunte 08/15-Barbies, die stöhnend an Dildos lutschen, wird es auch in diesem Buch nicht geben!
Vielen Dank für das Gespräch!
- 1. Teil: Sophie Andreskys "Dark Room"
- 2. Teil: Sophie Andresky im Interview über ihren Roman "Dark Room"