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Mein Coming-out als Bisexuelle

Wirf die Klischees über Bord!

Ist das Coming-out von Bisexuellen nur halb so einschneidend, wertvoll und entscheidend? Unsere Gastautorin hat Erfahrungen mit Vorurteilen gemacht, die ihr genau das spiegeln. Welche Klischees ihr begegnen und warum sich ein Coming-out fast immer lohnt, liest du hier.

Von Nadine Primo

Ein fließender Prozess

Wenn ich an mein Coming-out denke, ist die Erinnerung gar nicht so einfach. Es gab nicht diesen einen Moment, in dem ich Freund:innen und Familie davon erzählte, dass ich Menschen unabhängig vom Geschlecht date. Dass ich bisexuell bin. Warum auch? Es war nie wirklich ein Geheimnis. Auch wenn ich romantische Beziehungen ausschließlich mit Männern führte, vergnügte ich mich auf Partys ebenso mit Frauen. Auch das sollte sich, als ich fürs Studium auszog, ändern – bereits mit Mitte Zwanzig datete ich beide Geschlechter gleichermaßen.

 
Mein Coming-out als Bisexuelle
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Nadine Primo studierte Romanistik & Internationale Geschichte der Neuzeit (M.A.) in Bonn. Mittlerweile lebt sie in Berlin und arbeitet als Autorin, Speaker und Content Creator und engagiert sich für die Sichtbarkeit von bisexuellen Themen. Auf ihrem Blog und Instagram spricht sie über alternative Beziehungskonzepte und ihre Erfahrungen als bisexuelle Frau.
 

Im JOYclub ist Nadine Primo als Coach des Kurses Pan- und Bisexualität Teil der Sex Education.
 

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Klischee-Alarm: Bi zu sein ist doch nur eine Laune!

Manchmal kam es vor, dass gerade männliche Partner meine Bisexualität als besonders erregend empfanden. Und es gab lesbische Frauen, die mich nicht treffen wollten, weil meine sexuelle Orientierung für sie nur ein kurzweiliges Abenteuer schien. Ein Abenteuer, das am Ende doch nur eine Episode auf meinem Weg zu Ehemann und gemeinsamen Kindern bleiben würde. Auch Freundinnen zeigten in erster Linie Interesse an meiner Bisexualität, weil sie selbst sexuelle Gelüste, jedoch keine romantischen, für ihr eigenes Geschlecht hegten. Zu groß waren für einige die Folgen und Verantwortung, die damit einherzugehen schienen.

Einige Menschen konfrontierten mich mit Vorurteilen, die mir vorschrieben, wie ausgewogen die Geschlechtervielfalt in meinem Leben sein muss, um auch wirklich bisexuell zu sein. Oder sprachen mir ein romantisches Verlangen ab – aufgrund von promiskuitiven Stereotypen. Bisexuelle Menschen sind eben nicht beziehungsfähig – das sagen auch Film und Fernsehen, wenn wir überholten Serienkonzepten aus den 2000ern (Grüße an Sex and the City und How I Met Your Mother) Glauben schenken wollen.

Ich selbst habe mich selten wirklich bedroht oder abgelehnt gefühlt, zumal bisexuelle Klischees die Menschen nicht per se abschrecken oder mich schlecht behandeln lassen. Dennoch ist es auffällig, wie präsent das Vorurteil ist, dass bi sein höchstens eine Phase auf dem Weg nach Gay- oder Hetero-Town ist. Ich kenne durchaus das Gefühl, nicht ernst genommen oder sexualisiert zu werden – und das kann schmerzen.

Meinst du's ernst?

Ist mein Coming-out nur halb so relevant?

Das Coming-out bisexueller Menschen wird in meiner Erfahrung nicht als lebensverändernder Einschnitt angesehen – weil sich ja nur zur Hälfte etwas ändert. Eine weitere interessante Dynamik, die bei bisexuellen Klischees mitschwingt: Alles wird immer in zwei Hälften geteilt. Die einen deuten mich als hetero, weil ich in ihrer Gegenwart zuletzt mit einem männlichen Partner liiert war und die anderen sind fest überzeugt von meiner Homosexualität, weil sie mich auf Frauensexpartys im Berliner Nachtleben kennengelernt haben.

 
Ach stimmt, du bist ja bisexuell. Du datest einfach alle, mehr Auswahl – wie praktisch.
 

Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich das gehört habe. Es ist ein banaler Satz, besser gesagt ein banales Versäumnis. Dennoch sagt dieses Versäumnis so unglaublich viel darüber aus, was ich fühle, wenn ich an mein Coming-out denke. Oder wenn ich mich allgemein dazu äußern muss, was meine sexuelle Orientierung für mich bedeutet oder inwiefern sie meinen Alltag beeinflusst.

 
Nach einem Coming-out liebt es sich meist befreiter.
Nach einem Coming-out liebt es sich meist befreiter.
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Diskriminiert, degradiert, verurteilt

Natürlich gab es auch wesentlich unschönere Ereignisse, die noch lange nachhallten und die dazu geführt haben, dass ich mich jetzt auch öffentlich als Bi-Aktivistin für die Sichtbarkeit von Diskriminierung bisexueller Menschen und ihre Rechte einsetze. Diskriminierungserfahrungen können Folgen für die mentale Gesundheit und die Selbstidentifikation haben, gerade wenn sie immer wieder und in intimen Kontexten stattfinden.

Ich kenne heterosexuelle Menschen, vor allem Frauen, die ihren Partnern nichts von ihren gleichgeschlechtlichen Gelüsten erzählen, weil sie Angst haben, zu einem Sexobjekt degradiert, gar entmenschlicht zu werden. Und ich kenne heterosexuelle Männer, die ihre gleichgeschlechtlichen Fantasien vor ihren Partnerinnen niemals preisgeben würden, aus Angst davor, für diese verurteilt und entmännlicht zu werden. Gleiches Problem, andere Konsequenzen.

Freiraum schenken

Versteck dich nicht, leb dich aus!

Daher ist es unerlässlich, dass bei Zweifeln oder Ängsten ein sensibler Raum für ein Coming-out geschaffen wird. Oute dich nur vor Leuten, denen du vertraust, auch wenn ihre Reaktion vielleicht nicht perfekt ist. Gehe offen auf sie zu: Es ist wichtig, geduldig zu sein und davon auszugehen, dass eventuell unangenehme Fragen oder Unverständnis die Antwort sein werden. Dahinter verbergen sich meist die Ängste und Unsicherheiten des Gegenübers, in dem Fall Freund:innen, Familie, Bekannte und es ist nicht zwangsläufig etwas Persönliches.

Leichter gesagt als getan, ich weiß. Aber der Preis ist es wert, allemal! Sich selbst zu verstecken und nur einen Teil des eigenen Potenzials, der eigenen Großartigkeit, leben zu können, macht auf Dauer frustriert und unglücklich.

 
Menschen, die einem dieses Glück nicht gönnen, sind vielleicht einfach nicht die richtigen Weggefährt:innen.
 

Am Ende des Tages ist es so: Du kannst das Verhalten und die Reaktionen Anderer nicht kontrollieren, du kannst aber selbst bestimmen, wie du auf sie zugehst und was deine Ansprüche an den gemeinsamen Umgang sind. Das Wichtigste ist doch, und da können wir viel von BDSM lernen, Folgendes: Safe, sane and consensual! Wenn das gegeben ist, gibt es nur noch einen Ratschlag, den ich dir mitgeben will: Lebe dein Begehren!


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