Unsere Autorin lebt und liebt bisexuell. Im Laufe ihres Dating-Lebens wechselt sie immer wieder von einer passiven in eine aktive Rolle. Hier berichtet sie von ihrem ganz persönlichen Perspektivwechsel und ihren Erfahrungen als Bisexuelle, die ihre sexuelle Orientierung nach außen trägt.
Von Nadine Primo
Revolution auf Dating-Ebene
Mittlerweile lebe ich seit über zehn Jahren geoutet bisexuell und habe wirklich einige witzige, aber auch befremdliche Erfahrungen aufgrund meiner sexuellen Orientierung gemacht. Bisher habe ich Menschen gedatet, die sich als cis-Frauen und cis-Männer identifizieren. Während ich in meiner Jugend ausschließlich Männer datete und mich hier in der gesellschaftlich anerkannten Rolle der devoten Frau – nicht nur im Bett – wiederfand, erlebte ich mit Anfang 20 eine datingtechnische Revolution. Zumindest in meiner Welt.
Auf ihrem Blog und Instagram teilt sie persönliche Erlebnisse aus ihrem Alltag als bisexuelle Frau sowie Vertreterin der LGBTQ-Szene mit. Außerdem spricht sie über alternative Beziehungskonzepte, anhaltende Ungerechtigkeiten im Patriarchat und die gesellschaftliche Rezeption von Bisexualität sowie mentale Gesundheit – nicht nur in der queeren Community.
Die Gnade der Frauen
In meiner Jugend tauschte ich intime Erfahrungen mit Frauen höchstens berauscht auf Partys zur allgemeinen Erheiterung, oder bei Videoabenden mit Freundinnen heimlich, aus. Wir knutschten rum und fanden uns am Ende des Abends kichernd auf unserem Bettenlager wieder. Aber zu gleichgeschlechtlichen sexuellen Erfahrungen sollte es erst während meines Studiums kommen.
Schade eigentlich, denn wenn mich das Daten von Frauen eins gelehrt hat, dann gnädiger mit mir, aber vor allem, meinem Körper zu sein. Problemzonen, wie die Schönheitsindustrie sie uns einredet, existierten auf einmal nicht mehr. Im Gegenteil – sie wurden zu besonders liebenswerten Merkmalen des eigenen und fremden Körpers gleichermaßen.
Auch über meine Sexualität habe ich beim Sex mit Frauen weitaus mehr gelernt, denn das Kommunizieren von Bedürfnissen fiel mir hier weitaus leichter. Der ganze Sex war und ist, zumindest empfinde ich es so, weitaus weniger höhepunkt- aber vor allem penetrationszentriert. Machtdynamiken, wie sie uns in Pornos gelehrt werden, existieren schlichtweg nicht. Das soll nicht heißen, dass ich Sex mit Männern als wenig lehrreich oder schambehaftet empfinde. Aber es ist eben etwas anderes, ob ich mit einem Menschen mit Vulva oder Penis intim werde.
Vom passiven zum aktiven Dating
Dennoch muss ich zugeben, dass ich manche Männer (Gruß an meinen Ex-Freund) besser verstehe, wenn sie enttäuscht und frustriert von der Gesprächsdynamik auf Dating-Apps oder -Plattformen sind. Die Konversationen mit Frauen erlebte ich auch als schleppender und fand mich selbst in der Position, dass ich Treffen vorschlug und Zeit sowie Ort bestimmte, weil von meinem Gegenüber eben nicht viel kam.
Das kannte ich so nicht. Ich will das gar nicht verurteilen. Es spiegelte mir eher mein eigenes Verhalten, wenn ich Männer matchte und mit ihnen ins Gespräch kam, wider. Das war gut, seitdem bin ich einfach ich selbst und versuche gar keine Rollen einzunehmen. Ich kommuniziere meine Bedürfnisse und Meinung einfach so, wie ich sie guten Freund:innen mitteilen würde.
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Klischees vom Anschreiben bis zur Horizontalen
Wenn ich Männer datete und mit ihnen am Ende des Abends im Bett landete, fiel mir oft auf, wie höhenpunktzentriert und von Performancedruck bestimmt der Sex war. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mir etwas beweisen und merkten oft gar nicht, wie wenig sie mich und meine Bedürfnisse dabei wahrnahmen. Wirklich etwas gesagt, habe ich auch erst Jahre später. Mit Mitte Zwanzig fing ich an mehr und mehr für meine sexuellen Bedürfnisse und erotischen Wünsche – mein Verlangen – einzustehen.
Je nachdem, wo ich mich in Deutschland befinde, erfahre ich gelebte Geschlechterklischees gerade auf Dating-Apps mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. In Berlin muss ich mir selten dämliche Vorurteile anhören, wenn ich Leuten erzähle, dass ich bisexuell bin. In kleineren Städten oder weniger, sagen wir mal, fortschrittlichen Gegenden, bekomme ich als Antwort oft den gleichen Mist zu hören – in dem Fall von Männern. Stichwort: Unicorn hunting.
Ja, genau, ich kenne sie zwar nicht und du weißt nicht mal, ob ich auf Dreier oder Gruppensex stehe, aber klar, warum nicht. (Vorsicht: Ironie)
Als Bisexuelle nur halb so interessant?
Es wundert mich daher nicht, dass einige Freundinnen ihre Bisexualität geheim halten. Sie haben keinen Bock (wiederholt) sexualisiert zu werden. Was mich besonders traurig macht, sind Erfahrungen, die ich mit lesbischen Frauen hatte, die mich trotz netter Konversation auf Apps, nicht treffen wollten, nachdem ich ihnen erzählte, dass ich auch mit Männern schlafe. Prompt nahmen sie meine gleichgeschlechtlichen Gelüste nicht mehr ernst und wünschten mir viel Glück beim Ausprobieren und anschließender Rückkehr in die Welt der Heteros! Autsch, nicht nett, besonders von Anhänger:innen der queeren Community, die selbst Diskriminierungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unterlegen sind.
Für mich ist es ein Geschenk bisexuell zu sein, weil ich so die Möglichkeit habe, verschiedene Perspektiven, nicht nur beim (Online-) Dating, einzunehmen. Außerdem bedeutet diverse Geschlechter zu daten, eben auch diverse Erfahrungen zu machen. Ich identifiziere mich bewusst und gern auch öffentlich als bisexuell, weil es einen großen Teil meiner Identität ausmacht. Ich bin ein temperamentvoller, vielseitiger Mensch, der unendlich neugierig ist und die Abwechslung liebt. Auch wenn ich es sehr traurig finde, immer wieder negative Erlebnisse in Form von Diskriminierungserfahrungen zugetragen zu bekommen, sei es auf Social Media oder über andere Kanäle, so bestärkt es mich zugleich in meiner Arbeit, für mehr bisexuelle Sichtbarkeit zu sorgen.
Was uns eint: verstecktes, nicht ausgelebtes Verlangen
Lustige Dating-Erfahrungen gab es allemal. Am Ende kam ich immer wieder zu dem Schluss, dass es echt erstaunlich ist, wie viel Denken in Kategorien und Geschlechterklischees unser Dating Life und oft auch Beziehungsleben bestimmt. Vielen fällt es gar nicht auf, bis sie selbst ihre Komfortzone verlassen und ihrem (heimlichen) Verlangen nachgehen. Woher ich das weiß? Weil mich jeden Tag Nachrichten erreichen, die genau das beinhalten: verstecktes, nicht ausgelebtes Verlangen nach gleichgeschlechtlichen Erfahrungen. Viele offiziell Hetero-Männer Mitte 40, einige Frauen in ihren Dreißigern, Mädchen aus dörflichen Gegenden oder konservativen Familien sowie junge Väter aus dem urbanen Raum … egal.
Was ich damit sagen will: Es existieren weiterhin zu viele diskriminierende Vorurteile, die bisexuelle Menschen ihre sexuelle Orientierung absprechen und sie in einem zum Sexobjekt degradieren. Das ist nicht cool und hindert den einen oder die andere am Ende lediglich daran, ihr Verlangen; die Vielfältigkeit ihrer Lust auszuleben.
Und das kann doch nicht das Ziel sein, oder?
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