Ich suche eine Partnerin. Ich will Kinder. Eine Familie gründen. Und im Sexuellen endlich BDSM erleben. Doof nur, dass ich eine körperliche Behinderung habe und Dating für mich ein hoffnungsloses Unterfangen darstellt. Das ist kein Mitleidsbullshit. Bist du bereit?
Es ist Podcast-Zeit!
Zu Gast bei Host Andre Kramer: spricht mit Janina und Chris. Beide sitzen im Rollstuhl – und spüren doch alles. Im Gespräch mit Host Andre Kramer erzählen sie von BDSM im Rollstuhl, Diskriminierungserfahrungen und Gangbang-Wünschen.
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Fällt dir etwas auf?
Siehst du mich das erste Mal, wird dir sofort auffallen, dass ich meinen Mundbereich nicht kontrollieren kann: Mein Mund steht offen, weshalb es zu einem steten Speichelfluss kommt. Obendrein trage ich ein Lätzchen.
Ich kann weder sprechen noch "gesellschaftskonform" essen. Außerdem habe ich in meiner rechten Körperhälfte eine leichte Spastik, die bei meiner rechten Hand am deutlichsten ausgeprägt ist.
Um deine Stimmung nicht allzu sehr zu drücken: In puncto Mobilität bin ich nahezu ohne Einschränkungen unterwegs; ich kann gehen, laufen, springen.
Meine körperliche Behinderung ist nicht angeboren. Sie ist durch eine Hirnhautentzündung infolge einer Herpesinfektion ausgelöst worden, als ich acht Monate alt war. Folglich ist sie kein genetischer Defekt. Warum ich das betone? Weil ich noch immer regelmäßig Menschen begegne, die glauben, Behinderungen seien immer vererbbar.
Im Alltag kommuniziere ich mit Hilfe eines kleinen Laptops rein textbasiert, ohne Sprachausgabe, da ich in der Vergangenheit einige negative Erfahrungen damit gemacht habe.
Dating und Behinderung: It's complicated
Seit etwa 2003 bin ich auf mehreren Partnersuche-Plattformen angemeldet und aktiv. Bis heute hat sich daraus kein einziges Date ergeben. Solange etwas von meiner körperlichen Behinderung in meinen Profiltexten stand, kam es auf allen Plattformen zu exakt null Kontaktaufnahmen. Es gab lediglich eine Handvoll an "Ich wünsch dir dabei viel Glück"-Mails.
Allerdings verliefen die virtuellen Konversationen nur so lange gut, bis ich meine körperliche Behinderung in irgendeiner Art und Weise erwähnte. Dann brachen die Kontakte entweder sofort ab oder endeten wieder in "Viel Glück"-Anteilnahmen.
War in meinem Profiltext von meiner Behinderung die Rede, blockierten mich Frauen auf vielen Plattformen vorab, obwohl ich mit den Betreffenden noch gar keinen Kontakt hatte. Selbst auf für behinderte Menschen spezialisierten Plattformen habe ich bisher keinen Erfolg gehabt. Vermutlich überfordert der Umstand, dass ich nicht sprechen kann, selbst andere körperlich behinderte Menschen.
Ich habe natürlich auch einige Versuche im wirklichen Leben unternommen. Vergebens.
BDSM und Behinderung: Still complicated
Tief in mir ist eine submissive BDSM-Neigung verankert. Das Ausleben dieser gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig. Vergangenes Jahr habe ich einen Testlauf mit einer Online-Herrin gestartet. Nur wusste sie nicht so recht, was sie mir zutrauen konnte, obwohl ich definitiv nicht zerbrechlich bin und ihr kommuniziert habe, dass ich eine strenge Führung brauche. Letztlich bekam ich keine herausfordernden "Aufgaben" von ihr und der Kontakt schlief ein.
Vor allem fehlte mir die Authentizität einer echten Dom-Sub-Beziehung. Es war merklich gespielt und auch wenn es ohne Bezahlung ablief, fühlte es sich eher wie eine Dienstleistung an. Ich bin in meinem Persönlichkeitskern devot und wünsche mir, als Sub endlich das echte, gelebte Machtgefälle zu spüren, egal ob beispielsweise in einer Femdom-Malesub- oder einer Paardom-Malesub-Machtbeziehung.
Vor diesem Hintergrund bleibt es aktuell bei Eigenerkundungen meiner Sub-Neigung: Gelegentlich betreibe ich Selbst-Bondage, Selbst-Disziplinierung und Selbst-Nackthaltung. Zudem habe ich ein paar BDSM-Stammtische besucht, die am Ende für mich bislang auch keine tiefergehenden Kontakte gebracht haben.
Sorgen vor einer Beziehung
In einer Beziehung müsste BDSM keine Rolle spielen. Der grundsätzliche Wunsch nach einer Partnerschaft ist einfach größer. Dabei treiben mich beim Gedanken an eine Beziehung einige Sorgen um. Beispielsweise sind Zungenküsse in meinem Fall nicht möglich. Auch wäre ein romantisches Essen mit mir vermutlich nicht machbar – zumindest nicht in der herkömmlichen Art und Weise. Worauf ich schlussendlich hinaus will: Es gibt sehr wenige Frauen, die mit all dem umgehen könnten.
Mit meinen nunmehr 35 Jahren frage ich mich, ob ich in absehbarer Zeit überhaupt noch eine Frau finden werde, mit der ich meine innigsten Wünsche umsetzen kann. Etwa die Gründung einer Familie. Ich möchte eine Partnerin auf Augenhöhe. Mein inneres Gefühl: Mir läuft da langsam die Zeit davon.
Eine andere große Befürchtung: Wie sehr muss ich mich für eine funktionierende Beziehung verbiegen? Wie sehr muss ich mich ändern, damit eine Beziehung wirklich aufblühen kann? Und wie sehr kann ich das überhaupt?
Mitleid hilft mir nicht. Augenhöhe schon
Ich bin kein Pflegefall. Ich lebe in einer eigenen 110-qm-Mietwohnung mit zwei Untermietern und bekomme etwa fürs Putzen externe Unterstützung. Ansonsten bin ich mehr oder weniger selbständig.
Nun gut. Warum letztlich dieser Text?
Die Kurzantwort: Ich möchte mit diesem indirekten Plädoyer für mehr Akzeptanz, Toleranz und Inklusion ein Bewusstsein für den heiklen Umgang mit behinderten Menschen schaffen. Für mich und all die anderen in ähnlichen Situationen.
Ich möchte, dass Menschen mit körperlicher Behinderung nicht reflexhaft als zweitklassig abgestempelt werden.
Ich möchte aufgrund meiner fehlenden Sprechfähigkeit nicht als geistig unterbemittelt eingestuft werden.
Ich möchte einen weitestgehend vorurteilsfreien Austausch.
Und vielleicht ergeben sich auf diesem Weg Kontakte oder ich lerne eine Frau kennen.
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Du bist neugierig und möchtest eine Frage loswerden? In unserem Thread beantworten Menschen mit körperlicher Behinderung deine Fragen. Für einen Austausch auf Augenhöhe.
Die passenden Gruppen
Wir haben ein paar Gruppenempfehlung parat – für einen regen Austausch.
Leben mit Handicaps | Sexpositiv | BDSM
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