"Hier kommst du nicht rein!" So oder so ähnlich kann eine Absage an der Clubtür klingen. Zara Giulietta ist Doorbitch, Empfangslady, Dress-Beraterin und gute Seele an der Tür zugleich. Uns hat sie verraten, wann sie ihre strenge Seite zeigt und welches Outfit sie nicht mehr sehen kann.
Interview von kinkyminky mit Zara Giulietta
Schau in unsere JOY-Reportage Erotisch feiern: dein Party-Guide, in der wir Menschen durch ihre kinky Partynacht begleiten: vom ersten Mal im Swingerclub über ekstatische Privatpartys bis hin zum Blick hinter die Kulissen.
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1. Doorbitch, Doorbee oder Doorhornet: Was bedeuten diese Begriffe und wie bezeichnest du dich selbst?
Doorbitch mag ich eigentlich nicht so gerne. Wenn ich irgendwo den Empfang mache, sage ich immer: Können wir mir nicht einen anderen Namen geben, bitte nicht "die Bitch"?
Bislang war ich die Doorhornet. Doorbee bin ich nicht, das ist eine andere Dame. Es geht hier um die Betitelungen der verschiedenen Partys.
Zur Doorhornet wurde ich erstmalig bei der Flowers & Bees. Das war natürlich auch eher eine böse Position, so zum Aussortieren. Jetzt habe ich gehört, dass es dort eine Doorbee gibt. Wenn ich derzeit irgendwo Empfänge mache, bin ich einfach die Zara Giulietta. Dann bleibt der Name, der Begriff, und nicht meine Betitelung zu den passenden Partys.
Bei Flowers & Bees war ich als böse Doorhornet bekannt. So hat jedes Event seine Rollen. Es gibt gute Doorbitches, es gibt aber auch sehr strenge. Ich persönlich hatte immer Respekt vor der Doorbitch im KitKat – und auch etwas Angst. Sie trug stets ihren dunklen Mantel, war dabei ja nicht groß, trug vielleicht mal einen Kopfschmuck. Sie war immer draußen im Dunkeln und hatte ein paar Bodyguards um sich. Das ist für mich eine der bekanntesten Doorbitches.
Wenn sie nicht gerade im JOYclub unterwegs ist, verzaubert sie uns auf ihrem Instagram-Kanal mit frivolen Outfits und vielen Einblicken in ihr Leben – garantiert nicht einseitig.
2. Welche Aufgaben hat eine Doorbitch oder Doorhornet neben dem Aussortieren?
Ich war als Doorhornet eine der ersten, die Outfit-Beratung gemacht hat und wurde dafür ausgelacht. Ich hatte aber so viele Anfragen über JOYclub, Instagram oder Facebook: "Du bist so eine strenge Tür, was kann ich anziehen? Komm ich damit rein?"
Weil sie wussten, wenn jemand nicht passend angezogen war, wurde er aussortiert. Oder auch ein bisschen bloßgestellt vor den anderen Menschen. Um dem zu entgehen, möchte man natürlich gleich das richtige Outfit tragen.
Ich habe Beratungen per Foto gemacht. Man konnte mir im JOYclub oder auf Instagram die Fotos schicken, natürlich ohne Gesicht, wenn man wollte. Und dann habe ich gesagt: "Das passt, oder das passt nicht." Oder: "Guck da noch mal ein bisschen." Oder: "Trag diese Stiefel nicht, das ist nicht vorteilhaft."
Schließlich habe ich sogar Fittings bei Rock Your Body Dessous in Düsseldorf gemacht. Zu mir kamen sogar Leute mit Handicap, weil ich bekannt dafür bin, dass ich immer gerne Menschen, die in Außenseiter-Positionen sind, integriere. Weil ich ja auch in der Klinik arbeite.
Bei Different Events bin ich heute eher die Empfangslady oder schlicht die Lady. Bei der KINKY VAGANZA bin ich Zara Giulietta, mit Zylinder oder als Amazone und berate zu Outfits. Egal in welcher Rolle – ich spreche alles an, bin behutsam und habe kein Tabu-Thema. Weil jede:r frivol feiern möchte.
3. Was muss man mitbringen, um diesen Job zu machen?
Es kommt darauf an, welche Rolle man ausübt, ob man eher die strenge Tür ist oder einfach die Begrüßung macht. Man sollte das Konzept des Veranstalters repräsentieren können. Sei es mit Kleidung, mit Standing, und auch mit dem Vokabular. Denn die Gäste sind unterschiedlich. Es können Menschen wie du und ich sein, aber auch solche, die ein besonderes Niveau erwarten.
Ich muss an der Tür mit meiner Sprache und Höflichkeit, mit dem Respekt alle erreichen können. Sodass sich jede:r angesprochen, aber auch respektiert fühlt und ich alle an die Hand nehme und jede:r willkommen ist.
Bei der Repräsentation des Veranstalters ist es wichtig, das Konzept zu kennen. Meist sind das drei bis fünf Punkte. Heute hatte ich ein Gespräch für die KINKY VAGANZA, da habe ich die Veranstaltenden gefragt: "Was ist euch wichtig, was möchtet ihr? Was soll ich anziehen? Wie viele Stunden?" Da lassen sie mir mittlerweile auch sehr viel Freiraum, weil sie sagen: "Du bist fit, man kennt dich, mach bitte!" Und das ist eigentlich das Schönste, wenn man so ein alter Hase ist. Damit schenken sie mir viel Vertrauen.
4. Wie viel Flirtpotenzial bringt die Position an der Tür mit sich?
Ich bin bekannt dafür, dass ich gerne einen Handkuss bekomme und dass ich weiße Blumen oder Schokolade liebe. Bei der Flowers & Bees hatte ich sogar einmal einen Gabentisch. Die Gäste kamen und brachten Blumen und Pralinen mit!
Da hieß es sogar: "Ich muss dir ja einen Handkuss geben, sonst komm ich nicht rein!" Das war schon das Schlüsselwort. Aber mittlerweile ist es so, wenn ich bei einem anderen Event bin, der Handkuss ist immer da. Flirten ja – aber auch strenger. Wenn jemand einen sehr frechen Ton und keinen Respekt vor mir hat, dann hat er auch keinen Respekt drinnen, vor den Gästen. Da gehen bei mir gleich die Alarmglocken an und ich weiß, dass wir aufpassen oder aussortieren müssen. Oder ich sage: "Ich merk mir dein Gesicht, ich gucke gleich drinnen, du bist Wackelkandidat."
Das Flirtpotenzial ist vor allem in der Schlange groß, die möchten auch gerne schönes Feedback haben, ob sie gut aussehen. Aber manche sind dann auch beleidigt und sagen: "Warum hat die ein Lob bekommen und ich nicht?" Da ist auch viel Eifersucht und Rivalität dabei. Manchmal muss ich ein bisschen aufpassen, wem ich ein Lob gebe und wem nicht.
Oder es kommen Männer an die Türe, die jedes mal eine andere Dame dabei haben, aber vielleicht hatte ich ja schonmal ein Date mit einem dieser Männer. Ich liebe es zum Beispiel, Brusthaar zu streicheln.
Das Warm-up fängt ja schon in der Schlange an. Manche sagen, jetzt muss ich hier zwei Stunden warten – aber wenn ich bedenke, wie lang ich früher vor dem KitKat warten musste: Da war das schön, da trank man was in der Schlange, man kam ins Gespräch, man flirtete, vielleicht knutschte man sogar schon mal.
5. Du warst in der Vergangenheit bei vielen queeren Events an der Tür. Was ist das Besondere an diesen Veranstaltungen im Vergleich zu anderen?
Bei diesen Events ist es einfach schön, dass die Gäste keine Angst haben. Sie wissen: Ich bin willkommen und ich werde gesehen. Das Gesehenwerden ist ein zentraler Punkt. Und dass sie, egal was sie anhaben, egal welche Geschlechtsidentität sie haben, willkommen sind oder auch Lob bekommen. Wobei ich immer merke, dass ich mit der Betitelung aufpassen muss. Oft sage ich gar nichts, weil ich merke, dass ich da Schwierigkeiten habe. Ich will weder sie noch er sagen, es sagt man sowieso nicht. Ich finde, dass man da noch viel sensibler werden muss. Oder ich frage die Person: "Wie möchtest du angesprochen werden?"
Auf den Veranstaltungen gibt es sehr interessante Persönlichkeiten. Ich sage immer, das zweite Gesicht jedes Menschen ist das kinky Gesicht. Wenn man das leben kann, ist man authentisch und glücklich. Und diese Menschen lieben es und wünschen es sich, von der Doorhornet oder einer Türdiva hofiert zu werden. Ich bin dann die, die Handküsse verteilt. Wenn ein queerer Mensch vielleicht das erste Mal da ist und vielleicht komplett unsicher ist oder sich schämt, dann verbeuge ich mich. Da gibt es einen Knicks oder ich küsse sogar die Hand.
6. Queere Events richten sich an die LGBTQIA+ Community und deren Freunde. Warum braucht es aus deiner Sicht Veranstaltungen speziell für diese Zielgruppe?
Dadurch dass ich auch in der Klinik viel mit diesen Menschen zu tun habe, weiß ich, dass sie einen eigenen Bereich brauchen – wie eine Schneekugel. Sie müssen anders behütet werden, weil die Welt leider immer noch nicht für sie bereit ist. Das merke ich allgemein im Alltag, ganz besonders auch in der Klinik. Auch da werde ich immer die "Schwulen-Mama" genannt. Aber auch da müssen wir an jedem Schräubchen drehen, auch da müssen wir bitte sensibler werden.
Und bei den Partys ist es so besonders, diesen sicheren Bereich zu bieten. Dass sie als Gäste nicht Angst haben, dass sie beleidigt oder ausgelacht werden. Das Auslachen ist immer Thema, genau wie die falschen Blicke. Allein ein Blick kann so viel an einer Seele verletzen. Aber dann gibt es so Menschen wie mich, die dahin gehen und sagen: "Das gehört sich nicht, entschuldige dich bitte." Ich muss die Augen überall haben und diese feinen Antennen. Die queeren Gäste möchten sich gerne aufgehoben, sicher und akzeptiert fühlen.
7. Welche Rolle spielt Kink für dich? Erzähl mir etwas über deine Rolle als Kinky-Dresscode-Lady.
Für mich ist Kink ist der Oberbegriff, wenn man jemanden nicht überrumpeln möchte. Ich benutzen den Begriff Kink immer, wenn ich ein Gegenüber habe, bei dem ich nicht weiß, wie sehr ich ausschweifen darf. Weil ich natürlich auch sehr vulgär sprechen kann oder auch sehr frivol. Aber bei frivol sagen alle dann "Huch, oh Gott!" Ich sage immer, Kink ist das zweite Gesicht, der Fetisch. Beim Fetisch denken auch immer alle an Lack und Leder. Nein, das ist eine besondere Vorliebe, die man hat.
Wenn ich jemanden einkleide, sei es auf Anfrage im JOY oder anderswo, frage ich zunächst und fühle mich ein, spreche aber auch alles offen an: "Möchtest du auf dieser Party Sex haben, hast du Problemzonen, möchtest du dein Geschlecht zeigen?"
Wenn da ein Gladiator steht oder jemand im Schottenrock, da weiß ich, dass die sich gerne mal zeigen und darunter nichts anhaben und damit die Schnellficker sind. Kommt aber jemand hochgeschlossen gekleidet, im strengen Dresscode, weiß ich, dass der sich lieber repräsentieren möchte und eher nicht sexuell aktiv auf so einer Party ist. Da gibt es die unterschiedlichsten Leute: Von Hardcore-Fetischisten bis zu klassischen Swingerclub-Gästen, die einen Hauch von Nichts tragen.
Übrigens: Den Harness kann ich nicht mehr sehen! Am Anfang dachte ich noch: ja, schön und sexy. Aber der Trend ist mittlerweile so ausgelutscht. Zudem fühle ich mich persönlich wie eine eingepackte Wurst in einem Harness. Das ist für mich als Curvy nicht vorteilhaft.
Ich finde es immer schön, wenn man etwas trägt, das nicht jede:r hat. Oder, was durch die Flower & Bees damals auch entstand: Ich war bekannt dafür, dass ich die ersten Headpieces hatte und ich fing an, Headpieces selbst zu basteln. Damit habe ich viele Gäste inspiriert. Ich sage immer: "Macht was mit der Nähmaschine, bastelt was, kauft euch was." Dadurch hat sich das dann entwickelt, auch mal selbst Hand anzulegen. Manche Labels sind ja auch wirklich unbezahlbar. Einige Partys verlangen, dass die Leute immer neu gekleidet kommen. Das ist ja mittlerweile eher eine Konsumveranstaltung geworden: Wer hat das teuerste, beste Outfit an?
8. Nochmal zurück zur Tür: Was muss ich als Gast tun, um den Einlass bei dir zu bestehen?
Es kommt auf das Event an. Es gibt Events, da entscheide ich, ob die Leute reinkommen oder nicht. Aber es gibt auch Events, bei denen ich nur die Begrüßung mache. Zum Beispiel die Girls-Only-Party bei Different Events. Da kommt jede Frau perfekt gekleidet. Da würden wir, auch vom Party-Konzept her, nie eine Frau nach Hause schicken, weil sie nicht passend gekleidet ist. Das hatten wir auch noch nie. Die packen sogar ein zweites Outfit ein. Die haben ein offizielles Outfit und ziehen sich dann später nochmal um, wenn es heißer hergeht. Und so ist das bei den anderen Partys auch.
Ganz schlimm ist es, wenn es Straßenkleidung ist. Oder eine ganz billige Anzughose mit einem abgeranzten Hemd – das geht gar nicht. Oder eine Blumenhose wie am Strand – außer bei einer Pool-Party. Es hängt immer vom Konzept ab.
9. Was sind absolute No-Gos am Einlass?
Menschen, die schon sehr besoffen oder stoned an die Tür kommen. Das geht gar nicht! Schon gar nicht im BDSM-Bereich. Hier ist Alkohol ja oft tabu. Drogen sind leider auch immer wieder Thema.
Und Leute, die schon an der Tür ein asoziales Verhalten zeigen – die nicht begrüßen oder von oben herab reden. Wenn ich merke, dass mein Bodyguard an der Tür nervös wird, ist das schon ein Zeichen. Oder wenn die Menschen mir zu nahe kommen, wo der Bodyguard sagen muss: "Bitte zurück, nicht zu nah."
Es gibt auch Menschen, die ein sehr aggressives Verhalten haben, vom Naturell her. Da sagen wir: "Nein, tut uns leid, passt nicht." Das sagen wir auch ganz nett. Die kriegen an der Kasse ja auch das Geld zurück und dürfen dann bitte wieder gehen. Da gibt es auch keine Diskussion.
Aber das ist selten. In der Szene sind die meisten Menschen nett – anders, als ich das damals in der normalen Disko-Szene erlebt habe. Bei uns wollen sie rein und auf ihre Kosten kommen. Ob sexuell oder indem sie gesehen werden. Für viele Menschen wäre es schlimm, wenn sie nicht reinkommen würden.
10. Du hast jetzt schon einige Jahre Erfahrungen an der Tür gesammelt. Gibt es Erlebnisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Für mich war eine der schlimmsten Erinnerungen, als ein Mann mal gesagt hat: "Man müsste dir mal das Maul stopfen." Weil ich angeblich eine große Klappe an der Tür habe – muss ich aber auch, da kommen ja tausende Leute. Das lief mir tagelang nach.
Und ich werde nie vergessen, als ein junges Mädel zu mir gesagt hat: "Du Fotze." Das ist das allerschlimmste Schimpfwort für eine Frau, das hat noch nie jemand zu mir gesagt. Das habe ich sogar meinen Kindern beigebracht, dass man das zu einer Frau nie sagt. Das hat mich sehr beschäftigt.
Die kam mit sehr normalen Klamotten, war puderzart, vielleicht junge 18, und musste sich dann von einer reifen Frau sagen lassen: "Nein, so kommst du da nicht rein." Und ich hatte vielleicht auch einen harten Ton, aber damit muss man rechnen, wenn man auf eine frivole Party geht. Da muss man besser vorbereitet sein. Selbst die ältesten oder dicksten Menschen waren besser gekleidet als dieses junge Mädel.
Besonders schön war dagegen für mich eine Situation, wo eine Person an die Tür kam, das war ein Gothic-Typ. Wir schreiben auch immer mal im JOY. Der kam mit einem riesigen Blumenstrauß und sagte: "Danke, dass du mich immer siehst und immer lieb zu mir bist, und dass ich immer von dir einen Drücker kriege." Weil er das sonst im Alltag nicht kriegte. Das war jemand mit abrasierten Kopfseiten und einem schwarzen Iro, ein bisschen pummeliger. Dieser Person ist immer noch ein Herzensmensch.
Ich kenne ja auch alle und kann genau sagen: "Du warst letztes Mal nicht da und du bist neu." Da denken die sich: Hier kommen tausende Leute an die Tür, woher weiß die das? Aber das heißt für mich auch Wertschätzung.
Bonusfrage: Was ist dein Lieblingsoutfit bei deinen Gästen und bei dir selbst?
Bei mir selbst sind es zwei Dinge: Entweder Zylinder mit Netz vor dem Gesicht als Stilbruch – den trage ich zu allem. Das würden viele nicht machen. Oder mein römisches Kleid, das ich auch in Rom gekauft habe. Weil ich da gemerkt habe, ich bin Halbitalienerin, da habe ich diese typische Herrin in mir. Und immer mit einem Busen draußen, so wie man das früher in Rom getragen hat, das ist mein Lieblingsoutfit. Die Amazone und Herrin in einem.
Bei den Gästen liebe ich es sehr, wenn die selbst Hand angelegt haben. Wenn ich sehe, es ist selbst gemacht, aber nicht kitschig, sondern sie haben sich Gedanken gemacht und das selber kreiert. Und Korsetts. Bei Korsetts springt mein Herz. Ich bin auch dafür bekannt, dass ich selber gerne Korsetts schnüre. Bei der letzten KINKY VAGANZA habe ich insgesamt fünf Frauen am Eingang die Korsetts geschnürt. Das gibt es auch selten auf Events, dass es noch die Korsettschnürerin gibt.
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