Der Gipsfetisch ist eine sehr ungewöhnliche, erotische Spielart. Im Zwiespalt zwischen allgemeinem Materialfetisch und BDSM nimmt er mit Sicherheit eine extrovertiertere Rolle ein. Aber was macht das Reizvolle an dieser Spielart aus? Eine Erkundung und ein Interview mit dem Gipsfetisch-Fotografen LOSPAC.
Ein Beitrag von Heiko Bender aus dem PO-Magazin
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Wie fühlt sich der Fetisch an?
Das ist eine sehr psychologische Frage, die niemand aus der Fetisch-Gemeinde genau beantworten kann. Der Gipsfetisch ist ein verspielter und ungewöhnlicher Fetisch, der einerseits sehr charmant und liebevoll umgesetzt wird und zum anderen viele Fragen aufwirft. Fragen, auf die es nicht immer eine Antwort gibt.
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So ist es eben beim Fetisch... nicht viel reden, sondern fühlen. Nicht viel denken, sondern genießen. Fetisch ist eine Reise, die immer wieder unentdeckte Länder findet und sich ständig neu erfindet. Psychologische Störungen? Abartig und pervers? Alles nur Vorurteile. Hinter der Fassade steckt mehr und hinter den Neigungen vor allem immer eine Geschichte – oder eine Aufarbeitung eines einprägsamen Erlebnisses, welches irgendwo, irgendwann stattfand und unsere Sinne zu einer Achterbahnfahrt einlädt, sobald wir damit in Berührung kommen. Möge die Reise beginnen...
Was ist der Gipsfetisch?
Wo ist der Genuss beim Gipsfetisch? Die Anhängerschaft besteht aus zwei Lagern. Da gibt es zum einen welche, die den Gips gerne an sich haben und natürlich die, die es gerne sehen, wenn andere – vorwiegend schöne Damen – genau diesen tragen. Natürlich finden sich auch Gipsliebhaber mit homo-erotischen Neigungen in der Szene. Jene tragen den Gips übrigens überwiegend gerne selbst.
Gesamt betrachtet ist der Gips in diesem Kontext ein leidenschaftlich behandelter Materialfetisch. Was zusätzlich noch an Faktoren bei der genauen Bezeichnung und Erklärung der Neigung hineingedeutet wird, ist ungefähr so ergiebig wie das Lesen im Kaffeesatz. Man kann viel hineininterpretieren und stundenlang darüber philosophieren. Aber das in einer bestimmten Art zu konkretisieren bleibt schwierig.
Man vermutet viel, weiß aber nichts genaues, stellt wenige Fragen und genießt es in vollen Zügen.
Nach der alten Schule eingegipste Körperteile – so wie von LOSPAC hier für euch bebildert – verabschieden sich aber langsam und leise aus der Medizin, wo man seit längerem dazu übergegangen ist, Knochenbrüche nicht mehr konservativ durch einfache Fixierung, sondern operativ und mit Hilfe einer Menge Kunststoff – möglichst bunt – zu versorgen. Der schöne, weiße, organische Gips verschwindet mehr und mehr.
Klassisch gesehen üben die bekannten Gipsbeine oder -arme einen optischen Reiz bei ihrer Anhängerschaft aus, der wahrscheinlich durch angedachte Prognosen und einige Recherchen in diversen Foren bereits in der frühen Kindheit entstanden sein kann. Welche Sinne jetzt im Detail bei der Betrachtung in den Köpfen aktiviert werden, weiß niemand genau. Die anerkannte Psychologie untersucht das Phänomen noch und wir werden wohl noch einige Zeit darauf warten müssen, bis uns konkrete Ergebnisse durch die laufenden Studien vorliegen.
Bis dahin hilft uns der Szene bekannten Fotograf LOSPAC. LOSPAC bietet erstklassige Hochglanzaufnahmen im Lifestyle-Charakter an, die er mit seinem kleinen Team seit vielen Jahren aus seiner Leidenschaft heraus selber produziert und vermarktet. Der schwer beschäftigte sympathische Webmaster und Produzent nahm sich für uns ein paar Minuten Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten.
Interview mit LOSPAC: "Weltweit gibt es höchstens ein paar tausend Gips-Liebhaber."
Gibt es denn einen erklärbaren Unterschied zwischen denen, die es gerne sehen und denen, die gerne Gips durch einen aktivierten Fetisch tragen?
LOSPAC: Ich persönlich habe ja irgendwann in meinen jungen Jahren festgestellt, dass ich das sehr reizvoll finde. Dadurch habe ich Ende der 1990er Jahre mal aus einer Lust heraus angefangen, es in Bildern darzustellen. Mein Fetisch ist nicht nur auf den Gips beschränkt, sondern ich mag auch Nylons, High Heels und natürlich schöne Frauen auch ganz ohne Gips. Ein "Hardcore-Fetischist", der völlig auf seinen (Material-)Fetisch fixiert ist, bin ich nicht. Ich kann auch ganz gut ohne.
Fetischisten sind wahrscheinlich Menschen, die eine ausgeprägte Beziehung zu "ihrem" Material entwickelt haben und wohl sehr auf sich selber fixiert sind. Das ist aber bei jedem Materialfetisch so. Egal ob Gips, Seide oder Leder. Es ist vergleichbar mit dem bekannten Bondage-Fetisch, wo man sich vertrauensvoll vom Partner fesseln lässt, um die eigene Hilflosigkeit zu genießen. So ähnlich verhält es sich beim Gips.
Wenn man es jetzt herunterbetet, kann man es durchaus mit einem SM-Spiel vergleichen, so wie es viele Partnerschaften tagtäglich miteinander ausüben und genießen. Aber das möchte ich jetzt auch nicht genau in Stein meißeln, denn auch hier gilt das gleiche Gesetz wie bei den anderen Spielarten auch. Die Bedürfnisse müssen individuell bleiben. Wenn ich jetzt auch noch High Heels als Fallbeispiel nennen darf: Die machen ja nichts anderes als das Gangbild der Frau zu verändern, und da fangen wir an uns umzudrehen und sagen "Wow".
Es geht also um das Zuschauen und um den innigen Wunsch betrachtet zu werden, aber was empfindet man dabei?
LOSPAC: Von der Seite des Betrachters müssen ein paar Sachen zusammenkommen und harmonieren, dann macht es KLICK und es entsteht ein Begehren. Es ist in jedem Fall ein sexueller Aspekt, der dadurch angeregt wird. Für viele ist es natürlich eine ziemlich verrückte Geschichte und wenn man mit der Tiefe dieses Fetischs nicht vertraut ist, dann denkt man bestimmt schnell an gebrochene Knochen, an Schmerzen und an Blut. Aber das fließt da wirklich nicht mit hinein. Es geht nicht um die Lust, das Leiden zu sehen.
Wie hat sich denn die wachsende Anhängerschaft gefunden? Womöglich auch durch das Internet, oder?
LOSPAC: Ja, ausschließlich im Internet, da hast du Recht. Es ist nach wie vor ein Fetisch, der noch seine Seltenheit hat. Weltweit gibt es höchstens ein paar tausend Liebhaber. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ohne Internet mindestens zwei zusammenfinden, sehr gering bis unmöglich. Im Netz bildeten sich damals die ersten Foren und ich selbst bin ja auch erst 1998 aktiv ins Internet gegangen, um mich finden zu lassen. Es tat sehr gut, festzustellen, dass man mit seiner Neigung nicht alleine war.
Ich denke, ohne unsere weltweite Vernetzung wäre der Gipsfetisch niemals bekannt geworden. Ich hab dann mit dem Produzieren von Filmen und Bildern begonnen und ich war einer der ersten, die das in einer schönen Form umgesetzt haben. Als 62er Jahrgang bin ich in einer Zeit groß geworden, als der Playboy mit der Glamourfotografie noch echte Akzente gesetzt hat. Und es hat mich einfach gereizt, meine erotischen Vorstellungen mit diesem, jetzt schon klassischen Stil, zu verknüpfen.
In deinen Bildern und Filmen tauchen ja sehr schöne Damen auf. Wie reagieren die, wenn sie für eine Gipsfetisch-Produktion gebucht werden?
LOSPAC: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Die meisten reagieren sehr humorvoll und zeigen sich mitunter auch interessiert und betrachten es aus ihrer Sicht als neues Experiment. Es kommt aber auch vor, auch wenn es selten ist, dass wir bei unseren Anfragen eine Absage bekommen. "So etwas mache ich nicht", heißt es dann. Und wir fragen dann nach, was sie "mit so etwas" überhaupt meinen.
Wir produzieren ja keine Hardcore-Szenen oder Softcover-Aufnahmen. Da entstehen dann diese merkwürdigen Verknüpfungen, die man dann durch eine Unwissenheit mit dem Fetisch-Begriff in Verbindung bringt. Viele denken bei Fetischisten an Dominas, dunkle Keller oder Plastik-Spielzeug, das man sich vaginal einführt. Dann gibt es noch welche, die dann an einem Shooting teilnehmen würden, sich aber dann wieder distanzieren, weil sie Bedenken haben, was die "anderen" wohl dazu sagen.
Dabei bedeutet "Fetisch" ja nichts anderes als Liebhaberei. Im Großen und Ganzen ist die Reaktion von hell erstaunt bis sehr positiv. Mein Ziel war es immer, Bilder für "Nicht-Gipsfetischisten" zu machen. Mir ging es immer auch um die Verständigung mit Menschen, die anders fühlen. Und das schönste Lob von den Modellen oder jedem anderem Betrachter war immer: "Ich versteh zwar den Gips auf den Bildern nicht, aber es sieht super aus!"
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