Lange dachte ich: Feminismus und Gangbangs – das geht nicht zusammen. Heute bin ich Feministin, produziere Pornos und liebe es, als Regisseurin Gangbangs zu drehen. Meine Erfahrungsreise vom katholischen Spanien ins sexpositive Berlin.
Ein Gastbeitrag von Paulita Pappel
Unser erster Gangbang-Dreh
Ich atme tief ein, als es losgeht. Ich blicke rüber zu Rod, meinem Partner. Er ist auf seiner Suche nach dem perfekten Bildausschnitt tief in die Kamera versunken. Ich schaue auf meinen Monitor, sehe unser Gangbang-Szenario und lächle. Es sieht großartig aus. Die Hauptdarstellerin schaut sich um, guckt die Männer an, die um sie herum stehen und darauf warten, dass sie an der Reihe sind. Sie ist die Prinzessin des Abends – und sie ist glücklich. Ich bin es ebenso.
Hätte mir jemand vor 15 Jahren gesagt, ich würde Gangbang-Pornoproduzentin werden, hätte ich ungläubig aufgelacht. Wie es dazu kam?
Eine Schlampe im katholisch-faschistischen Land
Ich bin in Spanien aufgewachsen. Spanien trägt das Erbe einer 40 Jahre währenden katholisch-faschistischen Diktatur. Darunter litten zwangsläufig Sexualität und Freiheit. Mir waren diese beiden Begriffe schon als junger Mensch vertraut, da ich das große Glück einer weltoffenen Erziehung genoss. Und mit der Pubertät entwickelte ich eine Faszination für alles Sexuelle. Ich merkte, dass ich pansexuell* und definitiv nicht-monogam bin, und schien damit ziemlich alleine.
Bald war mir klar: Ich muss hier weg. Nur wohin? Die Klassenreise nach Berlin lieferte mir die Antwort.
* Pansexualität bezeichnet das geschlechtsunabhängige Begehren über das binäre Genderverständnis hinaus. Eine pansexuelle Person begehrt entsprechend den Menschen, egal ob dieser sich als weiblich, männlich oder eben als non-binär verortet.
Auf ins sündige Berlin
Wie viele andere Sexneugierige kam ich nach Berlin, um zu fliehen, mich auszutoben, mich selbst zu finden. Berlin war schon lange ein Magnet für sexuell Ausschweifende aller Art, schon seit den 1920er Jahren. Es liegt irgendwie in der Luft. Und ich brauchte viel Luft, um das Chaos in meinem Kopf zu bändigen.
Ich war als gute Feministin fest davon überzeugt, dass Prostitution und Pornografie Werkzeug des Patriarchats sind, um Frauen auszubeuten. So hatte ich es gelernt. Frauen sind immer nur Opfer, an jede dunklen Ecke wartet ein Vergewaltiger. Zugleich ließ mich in meinen Fantasien die Idee nicht los, in einem Porno mitzuspielen.
Was stimmte nicht mit mir?
Feministin und Pornodarstellerin!
Dann zwei Erleuchtungserfahrungen.
Nummer eins: Als Literaturstudentin erfuhr ich in einem Genderseminar, dass Prostitution Sexarbeit heißt – und eine selbstbestimmte Arbeit sein kann. Nachdem ich meine kognitive Dissonanz vor dieser neuen Information in den Griff bekommen hatte, ergab auf einmal alles in meinem Leben viel mehr Sinn. Ich konnte Feministin sein und in Pornos mitspielen! Nur halt im feministischen Porno.
Ich fing jetzt erst an, wirklich aktiv Pornos zu gucken. Meistens im Kino mit Gleichgesinnten, etwa beim Pornfilmfestival. Und ich bewarb mich bei einer feministischen Filmemacherin, die ihren nächsten Porno plante. Ich wurde gecastet, war so verdammt glücklich und machte beim Dreh meine zweite erleuchtende Erfahrung: Meine erste Szene sollte ein Dreier sein. Vor der Szene wurde ich mit einer Frage konfrontiert: Worauf stehst du und was möchtest du nicht machen?
So lernte ich, wie viel ich von einem progressiven Pornoset fürs Privatleben mitnehmen kann. Wir haben damals am Set mehr darüber geredet, was das alles für uns politisch und persönlich bedeutet, als wir gedreht haben.
Lustery – Dokumentarischer Porno
Ich spielte in der Folge in vielen unterschiedlichen Projekten abseits des Mainstreams mit: Queerfeministische DIY-Pornos, Spielfilme mit pornografischen Szenen, Kunstpornos. Außer bei den Erika-Lust-Filmen gab es generell wenig Geld dafür.
Meinen Lebensunterhalt finanzierte ich mit kommerziellen Amateur-Pornos. Ich war zumeist das "Mädchen von nebenan". Dabei ist "Amateur" ein irreführender Begriff. Er bedeutete ursprünglich, dass die Mitwirkenden das als Hobby machen. Mittlerweile gab es unzählige Menschen und Firmen, die professionell Amateur-Pornos produzieren.
Mich hat die Frage umgetrieben, wie sich der Sex am besten so einfangen lässt, wie er stattfindet, wenn keine Kamera im Spiel ist. Sex hat immer was Performatives. Die Frage lautet: Für wen ist die Performance? Für den:die Zuschauer:in? Für einen Partner oder eine Partnerin? Für mich selbst? Aus diesen Gedanken entstand die Idee für Lustery: eine Plattform für Paare, die sich selbst beim Sex filmen.
Quasi dokumentarische Pornos. Kein Drehbuch, keine Rollen, keine Sex-Choreografie. Nur zwei Menschen, die sich und ihre Körper gut kennen, die eine Beziehung zueinander führen, die die Kamera selbst in die Hand nehmen und das machen, was sie auch sonst tun würden. Ich wurde Co-Gründerin der Plattform und lerne noch heute durch die Filme viel über Sexualität, über mich selbst und über unterschiedliche Vorlieben und Praktiken.
Feministische Pornos vs. Mainstream-Pornos
Ich hatte nun in Pornos mitgespielt, sie produziert und konzipiert und selbst Regie geführt und merkte auf dem Weg, wie allmählich ein weiteres Vorurteil wegbrach: die Unterteilung in feministische Pornos und Mainstream-Pornos. Ein Denkfehler, denn der Mainstream-Porno als Sündenbock für Sexismus und sexuelle Gewalt in der Gesellschaft lenkt den Blick weg von den Kernübeln: dem Mangel an sexueller Aufklärung und der Tabuisierung von Sexualität, die einen unbeschwerten Austausch unterbinden.
Mainstream-Porno ist expliziter, aber das Bild von Sexualität und Beziehung, das er vermittelt, ist nicht verzerrter als in jeder Rom-Com. Eine sexpositive Haltung eröffnet sexuelle Freiräume, ermöglicht Kommunikation und bietet Informationen. Jede Person soll so viel oder so wenig Sex haben, wie sie es wünscht, solange er einvernehmlich ist. Es gibt keinen falschen und richtigen Sex, so wenig wie es falschen und richtigen Porno gibt.
Als ich das verstanden habe, hat sich vor mir ein neuer Horizont aufgetan.
Feministische Gangbangs, Baby!
Hand aufs Herz: Insgeheim wollte ich schon immer in Mainstream-Pornos mitspielen. Ich wollte nur nicht ganz rasiert sein und das Filmische gefiel mir nicht: die Settings, die Kleidung, die Bildsprache, der Schnitt.
Und was ich nie im feministischen Porno gefunden habe: Gangbangs. Gangbangs stehen für viele Menschen per Definition für die Ausbeutung der Frau: Viele Männer bedienen sich sexuell an einer Frau.
Dabei gibt es sie, Frauen, die auf Gangbangs stehen. Ich bin eine davon.
Laut Pornhub-Statistiken sehen sich Frauen sogar mit 85 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit Porno-Inhalte der Rubrik Gangbang an als Männer. Als ich meinen Partner Rod Wyler kennenlernte, erzählte er mir von Gangbangs, die er früher mal für Partner:innen organisiert hatte. Und er erzählte von Gangbangs, die er drehen wollte. Das wollte ich auch!
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Wir taten uns zusammen. So entstand HardWerk. Ein Filmstudio, das Gangbangs produziert. Für die Drehs konzipieren wir Szenarien, die maßgeschneidert nach den Wünschen der Darsteller:innen entstehen. Bei diesen filmischen Gangbang-Sessions setzen wir deren Fantasie-Szenarios um; allein die Darsteller:innen entscheiden, was sexuell mit wem passiert.
Natürlich habe ich mir auch meinen eigenen Traum-Gangbang inszeniert. Als der Tag kam war ich aufgeregt wie beim ersten Dreh. Sehnsüchte, die ich früher vor Scham nicht aussprechen konnte, besprach ich nun mit Rod. Fantasien, die ich seit Jahren im Kopf mit mir rumtrug, lebte ich nun vor der Kamera aus.
Ich durfte so sein, wie ich bin. Und es fühlte sich an wie ein weiterer kleiner Sieg auf dem Weg zu einem schamfreien Umgang mit Lust und zu echter sexueller Freiheit.
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Paulita Pappel in der JOYclub-Mediathek
Ask me Bang | Regie: Paulita Pappel & Rod Wyler | 34 Minuten
July Vaya gibt sich fünf Männern in einem roughen Gangbang hin – und beantwortet zugleich intime Fragen zu ihren bevorzugten Spielarten.
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