Sugar Baby für eine Woche – das mal direkt vorneweg. Ungeplant und bis heute unausgesprochen. Nur der Gedanke, dass unsere Dynamik genau diesem Schema entsprach, sucht mich seitdem immer wieder heim. Warum ich bisher nicht darüber geschrieben habe? Weil Aufschreiben die Dinge manchmal erst wirklich erscheinen lässt.
Von Nadine Primo
Sugar Daddy aus dem Bilderbuch
Sechs Tage sollte ich bei ihm in seinem Apartment auf Sizilien wohnen. Er war, laut eigener Aussage, in temporärer Frührente, hatte sich nach einem bitteren Scheidungskrieg auf den Weg nach Europa gemacht und seine Heimat, Australien, verlassen. Der Grund? Er hatte seine damalige Frau betrogen, nachdem diese ihn jahrelang, ebenfalls laut ihm, am ausgestreckten Arm emotional verhungern ließ.
In Melbourne hatte er als Chefarzt eine angesehene Klinik geleitet. Das Gehalt war dementsprechend hoch, die temporäre Frührente mit 50 eine freiwillige Entscheidung, die seinem luxuriösem Leben keinen Abbruch tat. Zuvor hatten wir uns bei einem Brunch in Hamburg kennengelernt und nach einem kurzen Gespräch Nummern ausgetauscht. Für mehr hatte unsere gemeinsame Zeit nicht gereicht.
Italienisch für Sugar Couples
Wir blieben in Kontakt, schrieben uns ab und zu, hielten uns auf dem Laufenden und planten unverbindlich ein Wiedersehen. Er lud mich ein, ihn auf Sizilien zu besuchen und mir eine Auszeit vom Berliner Winter zu nehmen. Es war Januar. Ich entschied mich schnell, buchte den nächstbesten Flug und fand mich drei Tage später mit einem Champagnerglas in der Hand in seinem Garten wieder. Das Wellenrauschen hatte den Verkehrslärm der Frankfurter Allee und ebenso das raunende Stimmgewirr unter meinem Fenster abgelöst.
In stundenlangen Gesprächen erzählte er mir, wie es dazu kam, dass er sein altes Leben hinter sich gelassen und sogar den Kontinent gewechselt hatte, um seinen neuen Lebensmittelpunkt zu errichten. Eins schien ihm dabei besonders wichtig, denn er wurde nicht müde, es immer und immer wieder zu betonen: Kinky und BDSM-Lovers sollten seine Partnerinnen sein. Vorlieben, die er jahrelang in seiner Ehe unterdrücken musste. Na ja, was heißt musste – ich denke, es gibt immer eine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen oder seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen.
So vergingen zwei Tage und zwei Nächte. Wir redeten, tranken Grappa und rauchten italienische Zigaretten. Wir genossen das Gefühl der grenzenlosen Leichtigkeit und verloren uns stundenlang in den Sternen bei dem Versuch, Sternbilder zu entziffern oder überhaupt zu erkennen. Mir fehlte es an nichts. Er war ein Mann der alten Schule, keine Frage. So viel gentlemanhaftes Benehmen hatte ich lange nicht mehr erlebt und, zugegeben, auch nicht vermisst. Ich bin in der Lage, Türen zu öffnen, kann meine Sachen selbst tragen und brauche niemanden, der für mich bestellt oder andauernd bezahlt – und darauf besteht.
Von der Leichtigkeit zur Anstrengung
Es waren schöne Tage und die Stunden vergingen, ohne dass wir wirklich auf die Tageszeit achteten und uns ausschließlich unserem nach Hungergefühl und Schlafbedürfnis richteten, der Stand der Sonne ersetzte den Blick aufs Handy oder die Uhr. Am dritten Tag dann war es so weit, wir fielen übereinander her, nachdem wir mal wieder nackt im Meer baden waren. Er hatte sich zuvor sehr zurückgehalten, mir jeden Raum gegeben und meine Privatsphäre mehr als höflich respektiert. Aber in diesem Moment spürte ich, wie viel Anstrengung in Form von unterdrückter Erregung ihn das gekostet hatte. Er konnte nicht genug kriegen, was ich anfangs sehr genoss und nach einer Weile als beinahe anstrengend empfand.
Vielleicht lag es daran, dass es, gepaart mit den seinerseits initiierten Gesprächen über die BDSM-Szene und ständigen Betonungen nicht-monogam zu sein, irgendwann einen zu großen Teil unserer Zeit einnahm. Und anderes dafür scheinbar an Wichtigkeit verlor. Auf einmal hörte ich dieselben Fragen, ertappte ihn dabei, wie er mich anschaute, mir aber nicht zuhörte. Er wirkte fokussiert, aber auf das Falsche; die falschen Lippen. Seine Energie war eine andere. Ich zog mich zurück, wurde weniger empfänglich. Er akzeptierte es, gab mir kein komisches Gefühl. Der Gentleman war zurück. Der, der seine Erregung unterdrückte.
Bei unserem letzten Dinner bekam ich weitere Geschichten zu hören und erfuhr, dass er vor meiner Ankunft eine Affäre aus Schweden in Portugal getroffen hatte. Die Frauen in seinem neuen Leben blieben meist nur ein paar Tage und sie genossen die Zeit zu zweit … oder dritt. Je nachdem, was der Abend an Begegnungen und Konstellationen mit sich brachte.
Poly was?
Mich erinnerte das sehr an andere Männer in seinem Alter, die ich über die Jahre zuvor gedatet hatte. Sie hatten alle eins gemeinsam und es war nicht nur mindestens eine Scheidung oder Kinder, sondern ihr Verhalten in den Jahren danach. Die Art, wie sie redeten und ihre Bedürfnisse immer wieder kommunizierten. Dabei betonten sie eigentlich nur das, was sie nicht mehr wollten, denn wirklich orientiert oder sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst, schienen die wenigsten von ihnen. Soll heißen: Nicht nur einer von ihnen verwechselte dabei polyamor mit polysexuell.
Mustertyp einer Sugar-Daddy-Generation
Das, was ich an Ausdruck von Gefühlen bei Vertretern des männlichen Geschlechts meines Alters oft vermisst hatte, bekam ich hier ungefragt und ungebündelt auf dem Silbertablett neben dem Champagnerglas im malerischen sizilianischen Garten unter Sternenhimmel serviert. Mal in Form von klaren Vorstellungen, die das Ergebnis einer Therapie und viel Selbstreflexion waren, oder aber weniger reflektierte, egozentrierte Monologe, die Mitgefühl erwecken sollten, stattdessen aber Mitleid und Verwunderung in mir hervorriefen.
So viel versteckter Frust, jahrelanges unterdrücktes Verlangen – und infolgedessen seelisches Leid. In diesen Momenten schwor ich mir immer wieder, mein Zögern abzulegen und aktiv dagegen anzuarbeiten, Dinge zu unterdrücken. Ich wollte in fünfundzwanzig Jahren nicht so über meine zerbrochene Ehe oder Ex-Partner:innen, mit denen ich einen Großteil meiner Zeit verbracht habe, reden (müssen).
Geht da mehr?
Auch lenkte mein Begleiter unsere Gespräche immer wieder auf vergangene und potenziell gemeinsame Abenteuer. Entweder direkt gefragt oder indirekt angedeutet als Schlussfolgerung einer Anekdote, die er mit anderen Frauen erlebt oder vorgehabt hatte. Mir reichte es zu der Zeit vollkommen, im Moment zu leben und diesen kleinen, intimen Kosmos, den wir uns zuvor geschaffen hatten, zu zelebrieren. Neben dem Gefühl, unendlich begehrt zu werden, beschlich mich zudem seinerseits das Gefühl, mich krampfhaft im Bett dominieren zu wollen.
Sugar Schwestern im Geiste
Wenn ich so an die Zeit zurückdenke, so war es auf jeden Fall eine lehrreiche Zeit. Ich hätte mich selbst nicht als eine Frau bezeichnet, die sich tagelang von einem weitaus älteren Mann in seinem Apartment aushalten lässt und rückblickend betrachtet, mit ihrem Körper, mit Sex, dafür bezahlt hat. Das soll nicht heißen, dass es das Einzige war, was mir in Erinnerung geblieben ist. Ich habe in der Zeit einen Menschen und seine Geschichte kennengelernt.
Und dann lese ich Erfahrungsberichte von Sugar Babys, die mit ihren Sugar Daddys Urlaube verbracht haben und neben teuren Restaurantbesuchen und Freizeitaktivitäten, den Geschichten ihrer Liebhaber lauschten und nur auf rein sexueller Ebene mit ihnen verkehrten – und fühle mich für diesen einen Moment mit ihnen verbunden. Aus Versehen Sugar Baby.
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NEU: "Konsens ist sexy" von Nadine Primo
Nadine Primo zeigt anhand ihrer eigenen Geschichte die Vielfalt an Lebensentwürfen auf. Von familiärer Identifikation über die sexuelle Orientierung bis hin zur individuellen Gestaltung von alternativen Beziehungskonzepten gibt sie dabei intime Einblicke in das Gefühls- und Datingleben einer jungen bisexuellen Frau.
Buchinformationen:
"Konsens ist sexy
Von persönlichen Grenzen und weiblicher Lust"
Nadine Primo
Verlag: mvgverlag
208 Seiten
Softcover: 17 EUR
E-Book: 12,99 EUR
ISBN: 978-3-7474-0512-3
Erhältlich ab 21. Februar 2023.
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