Das Klischee lautet: Tätowierte sind experimentierfreudiger und stehen auf härteren Sex. Kein Wunder also, dass der Anteil der Tätowierten im JOYclub höher liegt als der im Rest der Bevölkerung? Ein stark tätowiertes JOYclub-Paar und eine Umfrage unter 5.000 Mitgliedern lassen tief blicken – auf Tattoos und den Zusammenhang zwischen Tattoos und Lust.
Von Alex Todorov
Tattoos – von Seemännern und Prostituierten
"Seemänner und Prostituierte waren tätowiert. Heute gelten Menschen mit Körpermodifikationen als aufgeweckte, interessierte Menschen, die sich zu einer sozialen Gruppe bekennen." Mit diesem blühenden Zitat trat Professor Elmar Brähler in Erscheinung. Gemeinsam mit Dr. Ada Borkenhagen hatte er 2017 eine Studie zur Verbreitung von u.a. Tattoos veröffentlicht. Resultat: Etwa jeder fünfte Deutsche ist tätowiert.
Im JOYclub liegt die Quote der "aufgeweckten und interessierten Menschen" höher. Eine Umfrage unter 5.000 JOYclub-Mitglieder zu Tattoos ergab: 56,5 Prozent der Frauen und 39,1 Prozent der Männer sind tätowiert. 71,8 Prozent der Frauen und 58,4 Prozent der Männer meinten, Tinte unter der Haut mache Menschen interessanter.
Für mich nicht. Warum? Ich bin der Typ, der selbst nach anderthalb Jahren Beziehung nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob seine Freundin Piercings im Gesicht hatte (Hatte sie!). Gleiches gilt für Tattoos. Sie liegen im toten Winkel meiner Wahrnehmung; und wenn sie mir auffallen, verrechne ich sie nicht mit meinem restlichen Eindruck der Person. Folglich ist meine Haut bis auf einen Sommersprossen-Teppich auf meinem Rücken unverziert.
Was also ist für Tätowierte das Erotische an Tattoos?
Ich verbinde mit Tattoos schlechterdings Klischees: Totalaussetzer, falsche Rechtschreibung und ein Leben voller Reue. Mit Ausnahme einer sinnlichen Begegnung: Aus dem Augenwinkel nahm ich die Frau hinter mir wahr. Ein Kleid bis über die Knie. Beigefarbener Leinenstoff. Spaghettiträger. Ein markantes Schlüsselbein, darunter ein tiefer, stilvoller Ausschnitt. In diesem Ausschnitt wiederum der Ausschnitt eines Tattoos, das sich offenkundig unter dem Kleid über Brüste und Bauch fortführte. All das während ich in einer Schlange an einer Supermarktkasse wartete. Kurz darauf, ich wurde abkassiert, schnappte ich, während ich meinen Kram in einen Beutel packte und mich wie ein lüstern gaffender Opi fühlte, etwas mehr von ihr auf.
Eine Singularität.
15 Jahre ist diese Kassen-Episode her. Warum ich mich an sie erinnere? Weil meine Gedanken darüber, wie das Tattoo unter dem Kleid weitergeht, sie zum Erotischsten gemacht haben, was ich je im öffentlichen Raum gesehen habe. Wie Hitchcock mal sagte: Das Spannende ist nicht das, was du zeigst, es ist das, was du nicht zeigst.
Also nochmal: Was ist für Tätowierte das Erotische an Tattoos?
BuntstattBraun sollten es wissen. Anna und Paulo haben sich im JOYclub kennengelernt und kamen über ihre Tattoos ins Gespräch. Heute gestalten sie ihre Wohnung mit Malereien von Tattookünstlern, fotografieren sich gegenseitig oder überlegen gemeinsam, welche Outfits für den nächsten Clubbesuch die Tattoos am besten zur Geltung bringen. Drei Punkte lassen sich herausdestillieren.
Tattoos als Gesprächsöffner
Tattoos sind eine Flirtvorlage. "Insbesondere, wenn man nicht übermäßig extrovertiert ist, hat man es mit großflächigen oder besonders auffälligen Tattoos relativ leicht, ins Gespräch zu kommen, weil sie ständig kommentiert werden", sagt Paulo. Eine Flirtvorlage, die sich zudem hautnah um den Körper des jeweiligen Gegenüber dreht, wie Anna herausstellt. "Eine schöne Frau in einer Bar, die im Vorbeigehen wortlos ihre Hand auf meinen Arm legte und mir nach interessiertem Inspizieren der Farbe lustvoll in die Augen sah – das war magisch." Daneben sind Tattoos Botschaften, nach innen wie außen. So ließ Anna sich als erstes Tattoo den Schriftzug "free" stechen, ein Zeichen dafür, dass die klassische Monogamie nichts für sie ist.
Selbstvertrauen und Körpergefühl
Von außen betrachtet klingt es schlüssig: Wer sich für ein Tattoo entscheidet, ist risikofreudiger. Verifizieren lässt sich das nur unzureichend, bezweifeln indes schon. Dass sich gestochene Tattoos dagegen auf das Selbstvertrauen und vor allem Körpergefühl auswirken, betonen BuntStattBraun: "Sobald man die Ärmel hoch krempelt, seine bunte Haut zeigt und die Sonnenbrille aufsetzt, fühlt man sich sehr cool, tough und sexy. Oder wenn man auch nur daran denkt, dass man unter dem Hemd ziemlich bunt ist. Die ganze Gestik und Mimik verändern sich. Durch die Kleidung darüber können wir die Wahrnehmung steuern und quasi wieder in der Menge untertauchen, wenn wir gerade keine Lust auf Aufmerksamkeit haben. Die Tattoos verstärken also unser Körpergefühl um das Hundertfache – wenn wir sie zeigen."
Tattoos und Sex
Wenn man schon einen Großteil des Körpers mit Tinte verziert hat, wäre es hochgradig fahrlässig, Tattoos nicht ins Liebesspiel einzubinden, oder? Als Sachfremder stell ich mir vor, wie Tattoos Berührungsstellen und -intensitäten beeinflussen. BuntStattBraun finden es besonders erotisch, "wenn sich Tattoos an den Körper anschmiegen, also grafisch gesehen aus ihm herauswachsen oder sich um besonders schöne Partien herum räkeln. Brust und Leiste sind immer gute Stellen für einzelne Tattoos – bei Männern wie bei Frauen."
Tattoos – Motive und Qualität
Selbstredend ist Tattoo nicht gleich Tattoo. "Schöne Tattoos sind aufregend und wirken anziehend. Ein erotischer Körper wird durch Tattoos noch heißer. Allerdings nur, wenn es vom Tattoo-Künstler gut an die Körperform angepasst wird", meint Anna. Und wenn das Motiv und die Stechqualität passen.
Arschgeweihe, Tribals, Haustiernamen oder Familienportraits bringen für die beiden jeglichen erotischen Drehmoment zum Stillstand. Letzteres ist laut unserer Umfrage mit 44,8 Prozent die meistgenannte Antwort auf die Frage nach motivischen Lustkillern. Und selbst wenn die Motividee stimmt, "der Stil und die Technik der Umsetzung sind mindestens ebenso wichtig. Die teils jahrelange Wartezeit auf einen Termin bei einem Künstler lohnt sich!"
Tattoos erleichtern das Flirten. Sie stärken das Körperbewusstsein und Selbstvertrauen. Und sie erweitern die Spielmöglichkeiten beim Sex. Warum zur Hölle habe ich dann keine Tattoos? Weil ich mich einfach nicht im Tätowiertsein wiederfinde. Weil ich andere Kommunikationskanäle nutze, um mich mir und der Welt mitzuteilen. Weil ich die Aufmerksamkeit nicht mag und dennoch die Gelegenheit habe, die gestochenen Flirtvorlagen anderer anzunehmen. So hoffe ich insgeheim noch immer, dass meine Wege sich ein zweites Mal mit jenen der Frau von der Supermarktkasse kreuzen, damit ich endlich herausfinde, wie sich ihr Tattoo unter dem Kleid fortführt.
Die JOYclub-Tattoo-Umfrage
Manches Klischee birgt doch ein Körnchen Wahrheit. In der JOYclub-Umfrage unter 5.000 Mitgliedern gaben 66,1 Prozent der tätowierten Befragten harten Sex als Vorliebe an. Unter den Tattoolosen waren es nur 53,9 Prozent. Foto: Carlos Methfessel
22,6 Prozent der Untätowierten halten Menschen mit Tattoo für selbstverliebt, Tätowierte sind mit 5,8 Prozent verständlicherweise gnädiger. 45,8 Prozent der Tätowierten halten Tätowierte für leidenschaftlich, Untätowierte sind mit diesem Urteil zurückhaltender: Nur 17,7 Prozent stimmen dem zu.
Auf unsere Frage, welche Eigenschaften sie mit Tätowierten verbinden, lautete die mit 53,4 Prozent beliebteste Antwort “experimentierfeudig”, gefolgt von leidenschaftlich und geheimnisvoll. Foto: sandy0811
Alle Slider-Fotos zeigen Lisa Rocketcock. Besucht sie auf ihrem JOYclub-Profil oder auf Instagram. Foto: mro_photography_._
- Dein Körper braucht unbedingt ein Tattoo? Eine Übersicht der Tattoo- und Piercing-Studios aus deiner Region.
- Dein Körper braucht unbedingt andere Tätowierte? Die JOYclub-Gruppe Tattoo und Piercings ist deine Anlaufstation. Nur Austauschen und Anregungen zu finden, ist auch in OK.
- Fun Fact: Du kannst in deinen Profileinstellungen deine Vorliebe für Tattoos angeben. Ebenso kannst du in der erweiterten Mitgliedersuche unter "Vorlieben für" nach Tattoo-Liebhabern in deiner Region suchen.
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