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Wenn erotische Fantasien an der Realität scheitern

Was wir im Bett von Golden Retrievern lernen können

Erotische Fantasien können sehr vielfältig ausgeprägt sein: Sex mit einer Krankenschwester oder dem Handwerker. Ein aufregendes Sex-Abenteuer im Wald. Eine heimliche Affäre und Gruppensex am Ferkelstrand. Das Ausleben erotischer Fantasien bietet uns die Möglichkeit, mit unseren sexuellen Bedürfnissen und Wünschen zu experimentieren. Das Problem: Nicht jede Fantasie, die in die Realität übertragen wird, erweist sich dann tatsächlich als erotisch.

 

von JOYclub-Kolumnistin Sophie Andresky | Mehr Kolumnen: Entdecke Sophies Welt


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Frauen wollen Lover, die sich etwas einfallen lassen

"Er muss mich zum Lachen bringen" ist seit Jahren die Standard-Antwort, wenn man Frauen nach den Eigenschaften des Traummanns fragt, gleich gefolgt von "Er muss Fantasie haben". Tagsüber soll der Partner eher einem Golden Retriever ähneln, also treu, zuverlässig, kuschelig und lieb sein, aber nachts im Bett möge bitte Attila der Hunnenkönig aus ihm hervorbrechen. Eine Mischung aus T-Rex und Sperminator, der uns in rasender Leidenschaft aufs Bett zerrt, während ihm vor Begeisterung über unsere Brüste das Kleinhirn zu einem Hubba-Bubba-ähnlichen Klumpen zusammenschmilzt. Nur nicht Dienstagabends, denn da haben wir Yoga und das geht vor.

Natürlich ist das übertrieben. Wir Frauen wären ja schon dankbar, wenn die Balzphase aus etwas mehr bestünde als einem hingenickten "ficken danach?" während der Spielfilmpause. Und ein Gleitgelpröbchen aus dem letzten Sextoy-Katalog aufs Bett zu werfen, gilt auch nicht gerade als ein Feuerwerk an Einfallsreichtum.

Er soll für uns brennen wie Superheld "Human Torch", unsere Muschi zum Glühen bringen, die Leidenschaft soll lodern, Sex soll sein wie ein großes, brutzeliges, scharf angebratenes Barbecue der Erotik.

Pyro-Man. Is. In. The. House.

In dieser Hinsicht bin ich seit drei Monaten eine geradezu flambierte Frau, denn das Leben hat mich gesegnet. Mit einer Affäre, der die Synapsen durchbrennen vor Kreativität ...

Gescheiterte Fantasie #1: Erotische Doktorspiele

Jaffa heißt der eher kleine, lustige Typ mit Nerdbrille. Genau wie diese weichen Kekse mit Orangenmarmeladenfüllung. Genauso stellte er sich mir auch vor: Als süß, überraschend und etwas klebrig. Auf Männer, die mich zum Lachen bringen, stehe ich ja besonders und seine glänzenden, schwarzen Knopfaugen erledigten den Rest. Sex mit Jaffa ist ein Abenteuer im doppelten Sinn, denn ich weiß nie, was mich erwartet.

Das ist aufregend und sexy, sehr oft witzig, ab und zu ein bisschen bizarr. Und manchmal geht es auch gewaltig in die Hose, nämlich immer dann, wenn er es mit der Originalität übertreibt und ich mir vorkomme wie im Remake eines Monty-Python-Sketches, frei nach dem Motto "Wenn du eine Muschi nicht überzeugen kannst, verwirr sie."

Endlich im Emergency Room: Es lebt sich gut als Dr. Ross.
Endlich im Emergency Room: Es lebt sich gut als Dr. Ross.
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Da hat er sich zum Beispiel neulich von einem befreundeten Gynäkologen die Schlüssel zu dessen Praxis geliehen und mir erst, als ich im Wartezimmer die Augenbinde abnehmen durfte, eröffnet, dass uns nun heiße Doktorspiele erwarten würden. Nicht dass ich keine Fantasien mit diesem Setting hätte: Untersuchungen von bekittelten Frauen oder Männern, die mit ernstem Blick meine Klitoris vermessen oder den Reflex meiner Vaginamuskulatur prüfen, um mir dann zu eröffnen, dass meine Möse unbedingt eine Fickerations-Behandlung bräuchte, haben durchaus einen festen Platz in der Videothek meiner Masturbationskopffilme.

Es stört mich beim Masturbieren auch kein bisschen, dass das nicht gerade eine feministisch korrekte Fantasie ist, denn die Gedanken sind frei und sexuelle Gedanken erst recht. Es war also nicht das Arztthema an sich, das mich bei Jaffas Aktion abgestoßen hätte. Es war der Hyper-Realismus. Hätte er sich einen weißen Kittel besorgt, im Schlafzimmer ein Plakat mit anatomischen Querschnitten aufgehängt und mich "Fräulein Sophia in Untersuchungsraum drei bitte" hereingerufen, meine Möse hätte wahrscheinlich wie Mentos in Cola gesprudelt vor Feuchtigkeit und Begeisterung. Aber eine tatsächliche Praxis? Sorry, zu viel Realismus schadet der Magie eher.

Mich macht das Setting aus übergriffigem Grabsch-Arzt, obskuren Untersuchungen und überfeuchter Patientin durchaus an.

Es roch nach Desinfektionsmittel und von der Wand neben der Rezeption starrten mich Fotos mit schielenden, sabbernden Babys an. Auch das anatomische Plastikmodell eines weiblichen Unterleibs mit herausnehmbaren Eierstöcken neben der Assistentinnen-Kaffeekasse in Form eines tanzenden Nilpferdes versetzte mich eher nicht in Ekstase.

Eine heiße Fantasie zerbricht an der kalten Wirklichkeit

Außerdem sind Besuche bei Frauenärztinnen und Mumu-Doktoren per se eher unangenehm. Was schon im Wartezimmer beginnt: Liebe Frauenärzte, bauen Sie um! Verlegen Sie den Empfangstresen in eine ruhige Ecke. Ich finde es weder lustig, mitzuhören, wie das arme Teenagermädchen um ein Rezept für die Pille danach bettelt, noch möchte ich selbst in aller Öffentlichkeit meine Blasenentzündung diskutieren und allen wartenden Frauen und deren Ehemännern vorrechnen, wann ich wie oft Pipi musste.

Achja, und schaffen Sie die Ehemänner da raus. Ja, ich weiß, Männer sind an der Entstehung neuen Lebens beteiligt und wollen die Frucht ihrer Lenden im Ultraschall mitverfolgen. Aber außer eben dieser eigenen Leibesfrucht gehen sie die Uteri anderer Frauen wirklich nichts an. Also schicken Sie die stolzen Erzeuger wenigstens direkt beim Eintreffen in ein weit von der Rezeption entlegenes Wartezimmer, so viel Diskretion kann frau doch wohl erwarten.

Das alles schoss mir plötzlich durch den Kopf, während Jaffa nun tatsächlich einen weißen Kittel überzog und versuchte, irgendwie arztähnlich zu gucken (sah dabei aber eher nach einer Mischung aus Beleidigtsein und Verstopfung aus). Spätestens als ich den Untersuchungsstuhl sah, kniff mein Fotzmäulchen entschieden die Lippen zusammen.

Die Erinnerung an kalte Instrumente, kalte Füße und kalte Ärztinnenhände sowie an das schabende Kratzen des letzten Krebsabstriches taten ihr Übriges. Nicht geil. Während wir die Praxis fluchtartig verließen, versuchte ich Jaffa zu erklären, dass es ja auch einen Unterschied gibt zwischen einer sanften Prostatamassage beim Blasen und einer proktologischen Untersuchung, aber er war trotzdem eingeschnappt.

Wenn's mal nicht klappt

Gescheiterte Fantasie #2: Partnertausch

Auch eine andere Aktion endete nicht so, wie er sich das in seiner blühenden Fantasie vorgestellt hatte. In seinem Kopf sah das Ganze so aus: Ein lustiger Pärchenabend mit Simone und Walle, die wir beide immer schon attraktiv fanden und mit denen es oft zu schlüpfrigen Andeutungen gekommen war, ohne dass einer von uns vieren den entscheidenden Schritt Richtung Gruppendudeln gewagt hätte.

Jaffa hatte unseren Lieblingsprosecco und Marzipan-Petit-Fours besorgt und sich eine Art erotisches Brettspiel ausgedacht, mit sexy Fragekärtchen und Ereignisfeldern, von denen die meisten zum Strippen aufforderten. Würfelnd sollten wir uns nach und nach nackig machen ...

… bis der unausgesprochene Vierer unaufhaltsam wäre und aus zwei befreundeten Pärchen ein großes Knäuel schwitzender Körper mit Fingern und Zungen in sämtlichen Körperöffnungen würde.

Die Fantasie vom Partnertausch zerbricht an Spielregeln

Aber es kam anders, und statt "Vögelopoly" erlebten wir eine besonders frustrierende Variante von "Paar ärger dich nicht" mit einem Hauch "Malefick".

Es fing noch ganz lustig an, bis Walle auf ein Ereignisfeld kam und den Mitspieler rechts neben ihm küssen sollte. Das war nun Jaffa … und wir entdeckten völlig neue und ziemlich homophobe Züge an unserem Freund. Simone nun wieder weigerte sich standhaft, ihr Oberteil auszuziehen und diskutierte mit Jaffa die Spielregeln, als müsste sie demnächst ein Plädoyer darüber am obersten Gerichtshof halten.

Zu viert im Bett? Warum nicht!?
Zu viert im Bett? Warum nicht!?
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Ich selbst war nicht wirklich scharf darauf, von meiner Entjungferung zu berichten – zweieinhalb Minuten, nachdem das Spiel begonnen hatte und wir in etwa so gelöst waren wie das Betongesicht von Daniel Craig. Niemand zog sich an diesem Abend aus, es wurden keine Partner getauscht und niemand erlebte irgendwelche bewusstseinserweiternden sexuellen Erfahrungen. Stattdessen saßen wir peinlich berührt auf dem Boden und ehrlich gesagt würde es mich wundern, wenn wir zum nächsten Grillabend bei Simone und Walle eingeladen würden.

Gescheiterte Fantasie #3: Das private Sex-Tape

Beim nächsten Flop war wenigstens niemand außer uns beiden beteiligt. Jaffa hatte sich eine Kamera gekauft, mit der man auch vernünftig filmen konnte. Es war also keine Riesenüberraschung, als er mit dem Vorschlag rausrückte, uns mal beim Sex zu dokumentieren. Ich dachte eine Weile nach, und weil sich Sex mit meinem einfallsreichen Orangenkeks innig und schön anfühlt und ich von Anfang an das Gefühl hatte, dass unsere Körper einfach wunderbar zueinander passen, fand ich die Idee gar nicht so schlecht.

Ich stellte allerdings Bedingungen: keine peinliche Pornohandlung, kein Lehrer, der eine aufsässige Schülerin diszipliniert, kein Fantasy-Spektakel (ich bin nicht die Mutter der Drachen und du kein versoffener Gnom), kein Lehrfilm im Grzimek-Sound (dieser possierliche Penis zeigt uns hier seinen Balztanz, während die schüchterne Vagina auf die eindeutigen Signale wartet und unmerklich anschwillt), sondern einfach nur zwei Menschen, die gern miteinander vögeln. Und zwar unspektakulär, also ohne Sling, Kopfstand oder Füße hinter dem Kopf. Außerdem bestand ich auf das Recht, unser cineastisches Meisterwerk sofort zu löschen, wenn ich das wollen würde (und oh my god, ich würde es wollen).

Ich dachte immer, ich klinge sexy rauchig, wenn ich vor Lust stöhne ...

Jaffa wünschte sich eine Ganzkörper-Einölung und eine 69 als Vorspiel. Meinetwegen. Die Vorbereitungen waren auch wirklich schön: Wir zogen uns aus, um Striemen auf der Haut zu vermeiden. Wir badeten zusammen, ölten uns ein und machten uns scharf, indem wir uns erzählten, wie heiß die ganze Sache werden würde und wie wir uns darauf freuen würden, anschließend anzusehen, was wir sonst nur fühlen konnten: Penis in Möse, Finger im Po, Schwanz in Mund, Zungen, die miteinander spielen …

Die ersten Minuten vergingen zum Auflockern mit Kitzeln und leicht hysterischem Gekicher. Jaffa ist ein schlauer Mann und ein guter Liebhaber und weiß, dass Kritik im Bett schon kritisch ist, vor einer Kamera aber gar nicht geht, denn vor einem Objektiv ist man noch nackter und noch verletzlicher als sonst. Also gaben wir uns keinerlei Anweisungen und verließen uns darauf, dass unsere Körper, die sich ja gut kannten, schon wissen würden, was sie tun sollten.

Fast. Ganz nie. Normalerweise knie ich beim Sex gern auf allen vieren. Diesmal beschloss ich, unten zu liegen, das erschien mir figurgünstiger. Und Jaffa, der sich eigentlich immer an mich schmiegt, wenn er kniet und ich ihm den Schwanz lutsche, richtete sich merklich auf und drehte sich leicht zur Kamera.

Aus dem Sex-Tape wird ein Schäm-Tape

Während wir vögelten, hatte ich das Gefühl, wir seien ein schickes, nettes Paar mit erotischen, geschmeidigen Bewegungen. Als wir uns noch leicht verschwitzt den Film nachher ansahen, folgte die Ernüchterung: Wir sahen eher aus wie die Bratwurst-Fleischmasse, wenn sie beim Darmbefüllen aus dem Rohr kommt. Irgendwie rosa. Teigig auch. Engerling-Sex.

Und viel plumper, eher wälzend als räkelnd. Ich dachte immer, ich klinge sexy rauchig, wenn ich vor Lust stöhne – tatsächlich klinge ich manchmal wie eine Katze, die ein Haarknäul hervorwürgt. Wenn ich auf dem Rücken liege, guckt ein Nippel nach oben und einer zur Seite. Und meine Haare, die mein Gesicht verwuschelt umspielen sollten, stehen elektrisiert zu Berge – eine wüste Bitch-Frise.

Lass uns ein Sex-Tape drehen!
Lass uns ein Sex-Tape drehen!
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Jaffas Penis, der mir eigentlich immer groß vorgekommen war, vor allem weil der Rest des Mannes ja nicht hünenartig ist, sah im Film nicht annähernd so eindrucksvoll aus und machte außerdem im unteren Drittel eine merkwürdige Kurve. Außerdem zuckt sein Hintern die ganze Zeit, als hätte er Arsch-Epilepsie. Und sein Gesichtsausdruck, bei dem ich mir sicher gewesen war, dass er genießerisch und lasziv rüberkommen würde, wirkte verzerrt, als hätte er sich an ein Starkstromkabel angeschlossen.

Das war nicht nur desillusionierend, das war abturnend und weder erotisch noch ästhetisch befriedigend. Wir löschten den Film noch im Bett und einigten uns darauf, es die nächsten Male im Dunkeln zu treiben. Zumindest so lange, bis wir den Schock überwunden hatten. Das "erkenne dich selbst" ist eben nicht immer eine Supersache.

Ohne Fantasien ist's doch auch ganz nett!

Ja, wir Frauen wollen Lover, die sich was einfallen lassen. Jaffa habe ich aber gebeten, seine Experimentierfreude erst mal zu drosseln. Ich möchte keine weiteren Pärchen aus dem Freundeskreis verlieren oder mich demnächst auf einer Müllhalde, im Genlabor oder im Orchestergraben wiederfinden, wo ich zu den Klängen von Cosi fan tutte ekstatische Orgasmen haben soll.

Die vergangenen Monate mit ihm waren bei aller Aufregung auch ein bisschen anstrengend. Einfach mal wieder ganz normal ficken wär schön. Im Liegen, im Dunkeln, im Schlafzimmer. Ganz verlässlich und gemütlich. Sex wie Golden Retriever eben: Sich paaren (von mir aus auch gern in Hündchenstellung) und ein bisschen abschlecken. Hinterher teilt man sich ein Körbchen und guckt sich treu an. Braver Freund!


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