Nicht jeder wird das Schnarchen des Partners mit dem Begriff "Nachtmusik" gleichsetzen können. Wenn man mit dem oder der Geliebten nach einem langen Arbeitstag in die Federn plumpst und sich einen erholsamen und langen Schlaf erhofft, kann das unvermutet anspringende Sägewerk des Bettnachbarn zur echten Belastungsprobe für eine Beziehung werden.
So mancher bezeichnet das Schnarchen daher recht unverblümt als zuverlässigen Beziehungskiller. Den wortwörtlichen und damit gesundheitsbedrohenden Aspekt mancher Schnarch-Ausprägungen hat man da noch nicht einmal einbezogen …
Unsere Kolumnistin Sophie Andresky hat sich des Themas angenommen und berichtet aus eigener Erfahrung, dass Schnarchen Beziehungen nicht nur killen, sondern sogar direkt in ihrer Entstehung behindern kann.
Der perfekte Mann zur richtigen Zeit
Neben mir liegt ein seltenes Exemplar Mann: Fingerfertig, multitaskingfähig und witzig. Schon sein Anmachspruch im Coffeeshop brachte mich zum Lachen. Er habe zwar einen unterdurchschnittlich kleinen Schwanz, fing er das Gespräch an, mache dies aber durch übergroße Begeisterung für die weibliche Anatomie wett. Wenn ich das nicht glauben würde, dürfe ich ihn gern hier und jetzt, zwischen Eclairs und fettfreiem Sojalatte, einem Quiz unterziehen – vorausgesetzt, ich sei bei fehlerfreier Beantwortung seine Siegesprämie. Chapeau, die Prämie war ich gern.
Im Bett war er bestens gelaunt, pries meine Vorzüge wie eine Mischung aus Minnesänger, Teppichhändler und Harald Schmidt und beeindruckte mich und meine Klitoris nachhaltig mit einer klarinettentauglichen Fingertechnik, die er auch dann nicht unterbrach, als er seinen Schwanz in meine Mumu schob. Das ist ja normalerweise der Moment, an dem die meisten Männer sich auf nichts anderes mehr konzentrieren können. Aber dieser hier tippte, kreiste und trillerte weiter, und ich ließ mich zu einem sternschnuppigen Orgasmus fiedeln.
Nach einigen Minuten innigem Löffelchenliegens, in dem er mich noch mit einer Showeinlage über die Passform seines Zweimonatsbäuchleins in meiner Rückenkuhle amüsierte, begann ich zu überlegen, ob ich vielleicht einen Stand-up-Comedian aufgerissen hatte und mal meine Zielgruppe überprüfen sollte – weg von den schwierigen Lonely-Wolf-Typen hin zum schrägen Spaßvogel-Vögler. Nach diesem Postfick-Kuscheln entsorgte er ohne Aufforderung sein Kondom im Müll und fragte sehr artig, ob er übernachten dürfe. Fast hätte ich gejubelt: Übernachten? Zieh hier ein! Ich kannte ihn dreieinhalb Stunden und war verknallt. Was für ein Glücksgriff!
Der "perfekte Mann" mutiert zum dröhnenden Dinosaurier
Er schnarcht, dass das Mobile vor dem Fenster bebt. Er röchelt, schnorchelt, schnaubt, fiept, grunzt und ächzt, sein Rachenzäpfchen weht, seine Lippen blubbern, er röhrt, kräht, brummt und knurrt. Aus seinem geöffneten Mund kommt eine T-Rex-artige Kakophonie der hässlichen Geräusche und jedes einzelne zerrt an meinen Nerven.
In der letzten Viertelstunde habe ich alle netten Optionen versucht: Streicheln, ansprechen, stupsen, leise flöten, sachte mit den Fingernägeln kratzen, schütteln … Dann etwas weniger nett anrempeln, stoßen und mit dem Ellenbogen knuffen. Laut klatschen, "Hey!" rufen, schnipsen, treten, anzischen. Nichts hilft! Er schläft. Er schnarcht. Ich leide …
Eben fand ich ihn noch so toll. Ich wollte ihm Waffeln backen zum Frühstück. Jetzt hasse ich ihn und will, dass er weggeht. Und mit ihm diese furchtbare Ansammlung akustischer Zumutungen. Ich zähle in Gedanken die Messer in der Küchenschublade durch. Da gibt es dieses dünne mit der besonders biegsamen Parierklinge. Ich habe sämtliche Krankenhaus-Serien der letzten Jahre gesehen. Einen Luftröhrenschnitt sollte ich wohl hinkriegen. Beherzt angesetzt … und dann wäre endlich Ruhe …
Der eine schnarcht selig, der andere wird immer aggressiver
Wieso nervt diese nächtliche Geräuschkulisse so unfassbar? Wieso macht sie den, der nicht schlafen kann, so erschreckend aggressiv? Vielleicht, weil ich nicht glauben kann, dass man von diesem Getöse selbst nicht aufwacht. Wenn jemand nächtens pupst, ist das auch nicht schön, aber nie würde ich ihm unterstellen, dass er es mit Absicht tut. Um mich zu quälen und zu zermürben. Schnarchern dagegen unterstellt man die pure Böswilligkeit: "Der. Will. Dass. Ich. Durchdrehe!"
Ein Teil meines Hasses auf Schnarcher liegt sicher im Neid begründet. Ich möchte auch so tief schlafen können. Und so schnell. Wie Männer sich aufs Kissen betten, ein- bis zweimal schmatzen, die Bettdecke unters Ohr ziehen und augenblicklich, sofort und ohne sensible, hochempfindliche Übergangsphase ohnmächtig in diese REM-Trance fallen – das macht mich fertig.
Kein Herumwälzen, keine Durst- oder Pipi-Störung, kein Grübeln über das tagesaktuelle Versagen, kein Wiederkäuen der misslungensten Gespräche, kein Magenknurren, weil es abends wiedermal nur einen Joghurt gab, keine Eiszehen. Als würde der Mann eine unsichtbare Pumpgun auf sich richten und einfach abdrucken. BÄMM und gut!
Ich möchte mir auch mal so den Stecker ziehen dürfen. Vor allem nach dem Sex bin ich hellwach. Ich schlummere ein paar Minuten so halb und dann bin ich wie angeknipst. Die Muschi pritzelt ein bisschen nach von der sexuellen Energie, das Adrenalin wabert fröhlich durch den Körper. Und ich liege da und schraub mir an den Nippeln vor Wachsein. An Schlaf ist nicht zu denken. Und schon gar nicht, wenn neben mir ein schnarchender Koloss den Soundtrack eines Eiswürfelmixers abspielt. Auf 90 Dezibel kann es ein Rachenzäpfchenvirtuose bringen, das entspricht der Leistung eines Presslufthammers – direkt auf meiner Schläfe!
Ich weiß, dass ich damit nicht allein bin. Die Statistik sagt: Mit dreißig schnarchen etwa 30 % der Männer und 10 % der Frauen. Im Alter sind es dann schon 60 % der Männer und knapp 40% der Frauen. Die Medizin unterscheidet zwischen dem harmlosen Schnarchen, das einfach nur unerträglich für die daneben Liegenden ist, und dem gefährlichen Schnarchen, das zu Atemaussetzern führt.
Verständnis für den Schnarcher aufbringen
So, wie ich da im Dunkeln liege, sehe ich für mich zwei Möglichkeiten, mit meinem minütlich eskalierenden Hass umzugehen:
1) Häusliche Gewalt. Verführerische Idee. Ich schwanke zwischen den Varianten, ihm das Kopfkissen auf den Rachenschlund zu pressen oder doch das Tranchierwerkzeug zu holen.
2) Verständnis aufbringen.
Mit 2. versuche ich es zuerst. Er kann ja nichts dafür. Er macht das nicht mit Absicht. Er weiß wahrscheinlich nicht mal, dass er schlafend so eine Zumutung für die Menschheit ist. Und ich selbst habe ja eine ganze Reihe nervender Angewohnheiten, die eigentlich alle Bettgenossen immer klaglos hingenommen haben: Zum Beispiel mag ich tropische Temperaturen im Schlafzimmer (muckelige 26°C find ich gut) und habe trotzdem immer kalte Füße, die ich ungeniert und parasitär zu ihm rüberschiebe. Ich stehe nachts oft auf (Durst, Toilette, etwas notieren. Keine Ahnung, wann ich mal acht Stunden durchgeschlafen habe, vielleicht mit vierzehn, kann mich nicht mehr erinnern.)
Ich bestehe auf einem riesigen Seitenschläferkissen, das mein letzter Freund wahlweise "die blöde Bettwurst" oder "dein Plüschpimmel" nannte und das ich bequem finde, weil mir sonst auf der Seite liegend der Busen im Weg ist (der Busen, liebe Männer, ist übrigens oft im Weg. Beim Aufstützen auf die Tischplatte zum Beispiel. Wenn frau sich in Shaping-Wäsche quetscht oder wenn wir versuchen, beim Zumba schwerelos und anmutig auszusehen).
Ich höre zum Einschlafen Hörbücher, netterweise nehme ich dafür zwar Kopfhörer, aber wenn eine besonders lustige Stelle kommt, muss ich manchmal plötzlich im Dunkeln lachen. Das ist sicher verstörend für jemanden, der damit so gar nicht rechnet. Ich habe außerdem einen dicken Kater im Bett, der haart, schnurrt, auf uns herumtrampelt oder sich mit lauten Schmatzgeräuschen die Eier leckt. (Schnarchende Kater sind übrigens niedlich, schnarchende Männer nicht. Dasselbe gilt absolut fürs Eierlecken.)
Darf sich also jemand, der so nervtötend als Beischläferin ist, wirklich über das Geröhre neben sich aufregen? Und gibt es wirklich gar keine Lösungen?
Gibt es etwas, das gegen das Schnarchen hilft?
Die Selbsthilferatgeber haben einiges in petto: Alkohol, Übergewicht und Zigaretten vermeiden. Ein anderes Kopfkissen oder eine andere Schlafposition versuchen. Nasenpflaster, Nasenspreizer, Anti-Schnarch-Öle und Schnarchschienen ausprobieren.
In ein Schlaflabor gehen, wo den gefährlich Schnarchenden eine Art Darth-Vader-Maske mit der Erotik eines Staubsaugers angepasst werden kann. Besonders schön und sicherlich stimulierend für Freunde des Mumien-Fetischismus (Oh my god, ich dachte, ich hätte das gerade erfunden, aber das gibt es wirklich: Extrem-Bondage-Mumifizierung)
Am witzigsten finde ich aber einen Vorschlag, den ich auf einer Seite von RTL gefunden habe: "Binden Sie eine Mullbinde vom Unterkiefer um den Kopf. So bleibt Ihr Mund während des Schlafens geschlossen." Wenn’s nicht funktioniert, kann man den Schnarcher mit der Mullbinde auch noch am Dachbalken aufknüpfen.
Und vielleicht wird der ungestörte Schlaf ja auch generell überschätzt. Während ich gerädert in den Kissen liege und ins helle Display meines Handys starre, recherchiere ich Folgendes: Die acht Stunden fester Schlaf, die man landläufig so haben soll, sind eine Erfindung der Neuzeit. Früher schlief man in zwei Phasen, unterbrochen von einer Zeit ruhigen Wachseins, die man zum Beten, Reden, Rauchen und für Sex nutzte. Schon in Homers "Odyssee" wird dieser "erste Schlaf" erwähnt, und bis ins Mittelalter hinein galt das Erwachen mitten in der Nacht als normal und sogar sinnvoll.
Der französische Arzt Laurent Joubert (1529 bis 1583) riet Paaren mit Kinderwunsch, die Zeugung in eben diese Schlafpause zu legen: "Nach dem ersten Schlaf haben Sie mehr Vergnügen", man könne den Zeugungsakt ausgeruht besser angehen und sei erfolgreicher damit, wenn man sofort nach der Begattung wieder schlafen gehe.
Während dieser Schlummerpause steigt der Prolactin-Pegel im Körper, ein Hormon, das Hühner veranlasst, ruhig die Eier weiterzubrüten. Ein Ende fand die zweigeteilte Nacht erst durch die zunehmende künstliche Beleuchtung im 17. Jahrhundert, denn die beeinflusst unser Schlafhormon Melatonin.
Also ist es total kontraproduktiv, wenn ich schlaflos im Bett liege und mich vom Handydisplay anstrahlen lasse. So komme ich nicht in den erholsamen Brüte-Modus.
Von einer, die auszog, das Schlafen zu genießen …
Ich schalte das Gerät aus und ziehe auf die Couch. Und während ich im Dunkeln herumtaste, um den beruhigend schnurrenden, weichen, warmen Katerkörper zu finden, stelle ich erstaunt fest, dass es sich dieser promiskuitive Muschibär auf dem Brustkorb meines sägenden Comedians bequem gemacht hat. Den Kater stört das Racheninferno offensichtlich kein bisschen. Vielleicht hält er den bebenden rachitisch keuchenden Mann auch für einen besonders großen Schnurrer? Ist ja alles eine Frage der Perspektive.
Ich werde mir den Mann also bei den morgendlichen Waffeln noch mal ganz genau ansehen. Und wenn er öfter hier übernachtet, dann muss er nach der Ekstase im Gästebett schlafen. Und vielleicht wecke ich ihn mitten in der Nacht zu einer überaus gesunden, ärztlich empfohlenen zweiten Vögel-Runde. Millionen brütende Hühner können nicht irren. Und meine Muschi sowieso nicht.
Das Schnarchen und Tipps für einen geruhsamen Schlaf
- Rhonchopathie heißt das Schnarchen in der medizinischen Fachsprache.
- Schnarchen entsteht, weil die im Schlaf erschlaffte Muskulatur an den Engstellen der oberen Atemwege durch den Atem zum Schwingen/Vibrieren gebracht wird.
- Die gefährliche Art des Schnarchens heißt "obstruktives Schlafapnoe-Syndrom" und sorgt aufgrund langer Atempausen für eine Sauerstoff-Unterversorgung von Herz und Hirn.
- Schnarchen könnte Männern in den Genen liegen: Der geräuschvolle Schlaf unserer männlichen Vorfahren könnte dazu gedient haben, in gaaaanz frühen Zeiten Feinde und wilde Tiere auf Abstand zu halten.
- Das könnte auch erklären, warum der Schnarchende äußerst selten vom eigenen Geräuschpegel aufwacht, obwohl Spitzenwerte bis zu 93 dB möglich sind (Dieser Schnarchlärmpegel schaffte es sogar ins "Guinness Buch der Rekorde"). Der Schnarchende empfindet das Geräusch schlicht und ergreifend nicht als bedrohlich, weswegen sein Körper nicht in den Wachzustand/die Alarmbereitschaft wechselt …
- In Alfeld gibt es sogar ein Schnarchmuseum.
Tipps für Schnarcher und vom Schnarchen Geplagte
- Abnehmen: Gewichtsreduktion wirkt sich teils spürbar auf die Häufigkeit und Intensität des Schnarchens aus.
- Verzicht auf Alkohol und Beruhigungsmittel vor dem Zubettgehen.
- Gehörschutz à la Oropax: Wenig hilfreich, wenn man neben einem Schnarcher einschlafen möchte. Dafür verhindern die Hilfsmittel meist das nächtliche Erwachen aufgrund der Geräuschentwicklung des Schnarchers.
- Anstoßen/Wecken/Nase des Schnarchers zuhalten: Meist bringt schon die mit dieser Einwirkung verbundene Änderung der Schlafposition des Partners die erhoffte Ruhe.
- Der Schnarchshop bietet ungewöhnliche Schnarchstopper an. Etwa Rückenlage-Verhinderungswesten, Anti-Schnarchbänder, Schnarchschnuller und Anti-Schnarch-Mundstücke.
- Das probateste Mittel: Getrennte Schlafzimmer. Aber Vorsicht! Die Beziehung darf nun nicht zu einer Art WG mutieren! Zweisamkeit und Intimität dürfen vom Schnarchen nicht auch verdrängt werden.
- Man kann auch operativ gegen das Schnarchen vorgehen. Die Verfahren hören auf wohlklingende Namen wie "Uvula-Palato-Pharyngo-Plastik", "UvulaFlap" oder "Radiofrequenztherapie". Man kann sich auch Weichgaumenimplantate einsetzen, die Mandeln entfernen oder eine Nasenscheidewandverkrümmung richten lassen. Das Problem: Eine Nicht-Mehr-Schnarch-Garantie bietet keines der Verfahren, dafür sind sie – inklusive einiger Nebenwirkungen – nicht wieder umkehrbar.
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