Wie wird mein Sex noch aufregender? Wie kann ich mehr davon bekommen? Wie werde ich besser im Bett? Wenn sich ein Sexualtherapeut und eine Erotik-Autorin treffen, sollte man meinen, dass es zwischen beiden um genau diese Fragen geht. Zur Überraschung unserer Kolumnistin ging es dem Sexualtherapeuten aber überhaupt nicht um heißer, länger, schärfer.
von JOYclub-Kolumnistin Sophie Andresky | Mehr Kolumnen: Entdecke Sophies Welt
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In einem spannenden Interview voller erhellender Einsichten erklärt der Experte Dr. Ahlers, dass beim Sex weder artistische Leistungen noch teure Dessous wichtig sind, sondern nur, dass man sich selbst die richtigen Fragen stellt:
Wie bleibt der Sex in langen Beziehungen heiß?
Dr. Ahlers, Sie sagen, Sex wird auch in einer langen Beziehung nicht zwangsläufig langweilig. Das freut mich! Aber wie hält man denn das Liebesleben heiß?
Dr. Ahlers: Es existiert kein Zaubermittel, mit dem wir aus dem Nichts sexuelle Leidenschaft generieren können. Da helfen weder Busenvergrößerung noch Penisverlängerung noch Pornographie oder Swingerclubs. Auch nicht Pillen, Pumpen und Prothesen. Der Grund für das Nachlassen sexueller Interaktion ist die Erosion partnerschaftlicher Kommunikation.
Was ist denn Ihrer Meinung nach das Problem?
Dr. Ahlers: Dass wir nicht lernen, Beziehungen zu führen. Wir glauben, eine Beziehung zu "haben", genügt, damit sexuelle Leidenschaft entsteht. Es kommt aber darauf an, eine Beziehung nicht nur zu "haben", sondern sie aktiv gestaltend zu "führen". Eine Beziehung führen geht allein durch gelingende Kommunikation. Und die bringt uns keiner bei und darum können wir das nicht. Wir lernen alle möglichen, vielfach unsinnigen Sachen, aber kein Mensch bereitet uns darauf vor, dass das Entscheidende für unser Lebensglück darin liegt, wie gut es uns gelingt, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Und die einzige Möglichkeit, wie das gelingt, ist Kommunikation. Die kann man lernen wie Zähneputzen. Aber dafür gibt es in unserer Gesellschaft kein Bewusstsein.
Warum ist das so?
Dr. Ahlers: Die Bedeutung von Sexualität ist in unserem Kulturkreis aufgespalten in entweder Lust oder Fortpflanzung: Wir haben auf der einen Seite Erregungsaspekte, die potentiell sündig und schmuddelig sind, und auf der anderen Seite die heilige Fortpflanzung. Diese Konzeption unterschlägt die zentrale Funktion von Sexualität, nämlich Kommunikation. Ich brauche ein Bewusstsein von Sexualität, das über Fortpflanzung und Lust hinausgeht. Nur über dieses Verständnis kommen wir dahin, dass wir uns wieder neu angucken, neu aufeinander zugehen und am Ende womöglich aufeinander wieder neugierig werden.
Warum wird Sex ständig bewertet?
Wenn ich jemanden neu kennenlerne, habe ich beides schon erlebt: Entweder der Sex ist gerade am Anfang überwältigend, oder er ist mau und man lernt dann, wenn man möchte, zusammen dazu. Bleiben wir beim ersten Fall: Was sagt Sex in der ersten Verliebtheitsphase über die Zukunft aus und auf was sollte man achten? Kann ich anhand der Liebhaberqualitäten schon darauf schließen, wie der Mann als Partner sein wird?
Dr. Ahlers: Alles Quatsch. Man kann auf überhaupt nichts schließen.
Verliebtsein hat nichts mit Liebe zu tun und die Begeisterung für den anderen nichts mit dem anderen als Person. Der andere ist die Leinwand, auf die ich die Erfüllung meiner Bedürfnisse projiziere. Und ob ein anderer ein "guter oder schlechter Liebhaber" ist, das obliegt vor allem meiner eigenen Bewertung und nicht allein vermeintlichen Koital-Kompetenzen des anderen.
Wie "gut" oder "schlecht" mein Sex oder ein Liebhaber ist, lässt vor allem einen Rückschluss auf mich selbst und meine Gestaltungskompetenz einer sexuellen Begegnung zu – nicht auf "sexuelles Leistungsvermögen" des anderen! Diese ganzen Bewertungen sind das eigentliche Übel. Das sind alles leistungskontaminierte Fehlvorstellungen, die uns krank machen.
Häufig wird ja behauptet, dass es die heißen Typen gibt, die als Liebhaber der Hammer sind, und dann die eher verlässlichen, mit denen man eine Beziehung eingeht und vielleicht sogar eine Familie gründet. Kann man nicht beides haben? Den Family Man tagsüber und nachts den heißen Hengst?
Dr. Ahlers: Wir wollen am liebsten immer alles auf einmal und zwar sofort und perfekt. Die eierlegende Woll-Milch-Sau. Das sind alles infantile Phantasmen: Kinder wollen Pizza mit Pommes und Nudeln und Ketchup und Mayo und Schokolade. Ab einem gewissen Lebensalter lernen die meisten: You can't have it all at once! Wenn überhaupt, dann gibt es etwas, anstatt nichts. Und beim nächsten Mal vielleicht etwas Anderes. Einige lernen das aber nicht und leiden ihr ganzen Leben unter der Fehlvorstellung: Für mich soll's rote Rosen regnen.
Der andere muss das und das können, drauf haben, richtig machen. Was das aber sein soll, weiß ich selber nicht. Dabei entscheide ich allein, als wer oder was ich in Beziehung trete. Vorausgesetzt, ich weiß, wer ich bin. Habe ich überhaupt ein Selbstkonzept, inklusive einer eigenen sexuellen Identität, die es mir ermöglicht, als jemand in Kontakt zu treten und jemand anderem ein Beziehungsangebot zu unterbreiten? Wenn ich nicht weiß, wer ich bin, hechle ich nur Stereotypen und Klischees hinterher. Ich turne Pornos nach und hoffe darauf, dass mir der Bewertungsrichter in Gestalt des anderen volle Punktzahl in der Leistungsprüfung und der Haltungsnote gibt.
Braucht eine Superbeziehung Supersex?
Thema "Supersex": Ist es nicht sehr verkrampft, wenn Sex immer etwas bedeuten muss? Überlädt das den Sex nicht völlig und nimmt ihm die Leichtigkeit? Ist es nicht auch schön für ein Paar, einfach fröhlich zu vögeln, ohne sich groß Gedanken zu machen?
Dr. Ahlers: Sorry, ich bin Sexualpsychologe. Sie fragen mich, wie's geht. Ich sage Ihnen, was ich weiß. Darum braucht niemand zum Sexualreflektor zu werden. Niemand sagt, dass ein Paar, bevor es miteinander ins Bett geht, irgendwas denken, reflektieren oder erörtern muss. Wir können nicht nicht kommunizieren. Es geht nicht darum, dass wir uns eine Bedeutung vornehmen. Alles, was wir tun, bedeutet etwas, auf Gedeih und Verderb. Und das bestimmt über unsere sexuelle Beziehungsqualität. Das Einzige, was ich sage, ist: Man kann versuchen, diese Bedeutung zu verstehen. Und darüber zu sehen, was zwischen uns läuft. Es ist ein Mittel zur Problemlösung und nicht eine bedingende Voraussetzung, um Sex zu haben!
Bedeutet Supersex eigentlich auch immer eine Superbeziehung?
Dr. Ahlers: Nein, natürlich nicht, denn Supersex braucht keine Beziehung. Andersrum wird die Frage aber interessant: Braucht eine Superbeziehung Supersex? Ebenfalls natürlich nicht. Aber gelingende Kommunikation.
Kann man mit Sex auch Probleme zuschütten?
Dr. Ahlers: Man kann durch zielgerichtete genitale Stimulation zur Orgasmusproduktion Nähe vermeiden, man kann quasi Intimität wegficken. Dann kommt kein echter Kontakt zustande, keine echte Begegnung und vor allem eben schon gar keine Intimität. Das ist das, was in der Regel in der Prostitution geschieht.
Und was ist mit Versöhnungssex, den viele als besonders intensiv beschreiben?
Dr. Ahlers: Das Intensive beim Versöhnungssex liegt in dem Umstand, dass hier der Sex für diese beiden Menschen plötzlich etwas bedeutet. Es geht um eine sexuelle Wiedervereinigung: Wiederannahme durch den anderen, Erhalt der Bindung nach einem Streit. Das macht diesen Sex so erlebnisträchtig, obwohl sich auf der Handlungsebene nichts verändert hat. Surprise!
Daran können wir ablesen: Die Ebene sexueller Handlungen und Praktiken ist für die Erlebnistiefe einer sexuellen Begegnung und damit für unsere sexuelle Erfüllung völlig unerheblich. Sie ist unabhängig von Stellungen oder Partnern. Sie besteht vor allem darin, ob ich meiner Sexualität Bedeutung beimessen kann oder ob sie für mich beliebig bleibt. Je beliebiger mir meine eigene Sexualität ist, desto mehr muss auf der Ebene von Praktiken, Schauplätzen und Stellungen agiert und kompensiert werden.
Was mache ich denn in dem anderen Fall, wenn der Sex gut ist, der gemeinsame Alltag aber ein einziger Kampf?
Dr. Ahlers: Es ist selten, dass diese Beziehungen langfristig tragfähig sind. Der umgekehrte Fall ist wesentlich häufiger: Man versteht sich gut, aber sexuell läuft nichts mehr. Bei den anderen Paaren ist meist nach zwei bis vier Jahren der Ofen aus. Dann kommt die Trennung, weil eine gelingende Sexualität alleine nicht tragfähig ist für einen gemeinsamen Lebensentwurf.
Was können sich Paare mit Sex sagen?
Ihre Prämisse ist ja, dass Sex in einer Beziehung nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern auch Kommunikation ist. Im besten Fall 'sagt' Sex: "Ich nehme dich an, wir stehen uns nah", im schlechtesten (zum Beispiel bei einer Vergewaltigung): "Ich kann mit dir machen, was ich will, du bist nichts wert." Das bedeutet ja aber auch, dass man Sex gezielt einsetzen kann, um z.B. Macht zu demonstrieren. Haben Sie Beispiele aus Ihrer Praxis, was Paare sich mit Sex sagen?
Dr. Ahlers: Es gibt Paare, die konkurrenzhafte Interaktionsmuster haben und die sich wechselseitig dazu missbrauchen, sich vor Augen zu führen, wer der Bessere ist. Das kann sich auch im Sexuellen spiegeln, oft durch passiv-aggressive Vorenthaltungen. Zum Beispiel beim Klassiker, wenn die Frau sagt, ich hab keine Lust mehr auf Sex, und nicht mehr mit ihrem Mann schläft. Dann kann darin auch etwas Manipulatives, Steuerndes und, im Sinne einer Machtausübung, etwas Kastrierendes zum Ausdruck kommen. Denn dadurch zwingt diese Frau ihren Mann in eine abhängige, bedürftige Bittsteller- und Bettlerrolle und macht ihn dadurch selber klein.
Ist es sinnvoll für Langzeitpaare, darauf zu achten, dass man regelmäßig Sex miteinander hat, auch wenn die Leidenschaft nicht gerade hohe Wellen schlägt, damit man miteinander verknüpft bleibt?
Dr. Ahlers: Es gibt keine Imperative, die funktionieren! Es nützt gar nichts, einem Paar zu sagen, achten Sie bitte darauf, dass Sie regelmäßig Sex haben! Das bewirkt gar nichts, wenn es nichts bedeutet. Je "mehr" Paare ihre Beziehung führen, verbalkommunikativ, interaktiv und körperkommunikativ, vor allem sexuell, desto stabiler bleibt die Beziehung, desto zufriedener sind sie. Ein Bewusstsein zu entwickeln für eine aktiv geführte Beziehung, ist etwas ganz anderes als das Kommando:
Aber dreimal die Woche ein Gespräch über sich und die Beziehung?
Dr. Ahlers: Warum? Es geht doch nur um die, die darunter leiden, dass sie sich nichts mehr zu sagen haben. Wenn Paare sich wohl fühlen und gut miteinander zurechtkommen, dann ist doch alles gut. Wo kein Aua – da kein Arzt! Aber wenn die, die unter Vereinzelung in ihrer Beziehung leiden, unter emotionaler Einsamkeit in einer formal vorhandenen Zweisamkeit, unter Erkaltung und Versteinerung, zu mir kommen, dann frage ich sie: Sprechen Sie miteinander übereinander?
Wie kompromissbereit und kritikfähig müssen Paare beim Sex sein?
Angenommen, ein Paar kommt zu Ihnen in die Praxis. Einer von beiden will deutlich mehr oder überhaupt mal Sex, das sexuelle Interesse des anderen geht gegen Null. Was passiert dann bei Ihnen in der Therapie?
Dr. Ahlers: Das, was wir hier gerade machen. Genau so. Wir reden. Die sind vollgestopft mit leistungskontaminierten Fehlvorstellungen, die sie krank machen, da muss man dann aufräumen und klarmachen: Es geht nicht darum, was Sie glauben, was normal ist, sondern: Wer leidet hier eigentlich worunter? Wer wünscht sich was? Und zwar konkret und warum. Fragen statt Sagen! Das ist meine Arbeit.
Es gibt kein Patentrezept der Sexualtherapie. Ich gehe mit dem Paar zu Rate. Keiner erhält Schläge, auch keine Ratschläge! Weder in meiner Praxis, noch in meinem Buch! Ich höre echt zu, ich denke wirklich mit, und ich frage gründlich nach und zwar so lange, bis beiden klar ist, wo sie eigentlich stehen und was sie voneinander wollen. Fertig fragen. Jedes Mal aufs Neue. Das ist es, worauf es ankommt.
Mal angenommen, Sie haben ein Paar, das sich liebt, dessen sexuelle Präferenzen aber einfach völlig auseinandergehen. Einer steht z. B. auf SM, der andere gar nicht. Kann es da überhaupt Kompromisse geben oder muss so ein Paar sich eigentlich trennen?
Dr. Ahlers: Wir haben es hier nicht mit einem Nachbarschaftsstreit zu tun. Sich irgendwie in der Mitte zu einigen, ist daher Quatsch. Kleinste gemeinsame Nenner sind meist für beide faule Kompromisse, die niemanden zufriedenstellen. Wir wollen als Paare einen Weg finden, miteinander leben zu können, und das kann ich nur, wenn ich den anderen mit dem, was er möchte, verstehen und annehmen kann, auch wenn dadurch nicht alles geschieht, was der andere sich wünscht.
Das geht nur, wenn klar ist: Nichts von dem, was gesagt wird, muss getan werden! Es geht um einen ausgangsoffenen Austausch über sexuelle Wünsche und Bedürfnisse, aber auch sexuelle Ängste und Befürchtungen. Erst wenn die Bedeutung solcher sexueller Aspekte auf der Beziehungsebene klar wird, erst dann löst sich Konfliktspannung.
Sind Sie kritikfähig im Bett? Viele Männer und Frauen sind das nicht. Wie lernt man das?
Dr. Ahlers: Hoffentlich gar nicht! Allein Ihre Frage impliziert schon wieder Leistungsanforderungen, Bewährungsproben und Bewertungsnotdurft. All das macht uns in sexueller Hinsicht krank. Das Bett ist nicht der Ort für Kritik.
Niemand wünscht sich Kritik in einem Moment, in dem er nackt und ungeschützt ist. Kritik ist das Gegenteil von dem, was wir "im Bett" suchen. Das ist nicht der Ort und die Situation, von irgendwem angemäkelt zu werden. Das kann nur zu Verletzungen führen.
Ändert sich die Bedeutung von Sex in der jeweiligen Lebens- und Liebesphase. Also "sagt" Sex am Anfang einer Beziehung etwas anderes als bei einem Langzeitpaar?
Dr. Ahlers: Am Anfang einer Beziehung geht es um Begeisterung, das ist alles eine Überdosis an Aufwertung. In der Mittelphase ist Sex häufig Teil der Beziehungspflege und wird dann leider oft reduziert auf Fortpflanzung, und dann, wenn die Partner das alles überleben und überstehen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann zeigt sich für viele, ob die Partnerschaft noch Potential hat. Und dann beginnt für viele ein eigentliches Bedeutungserleben von Sexualität.
Dadurch, dass Leistungsdruck und Versagensangst mit zunehmendem Lebensalter nachlassen, wird es für viele erfüllender als die "Jugendjahre", in denen eben auch ganz vieles überlagert war von Unsicherheit, Selbstzweifeln, Ansprüchen und Anforderungen. Das alles lässt nach, und damit steigt die Lebensqualität. Auch im Sexuellen!
Das ist doch ein schöner Ausblick!
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