Ein ermutigendes Buch aus dem Sonderangebot und das Auseinandersetzen mit meiner Sexualität waren der Startpunkt für meine eigene sexpositive Entwicklung. Wie ich als Medizinerin heute auf den Begriff "normal" blicke und junge Frauen auf ihrem Weg in eine selbstbewusste Sexualität begleite.
Ein Gastbeitrag von Dr. Simone Koch
Die sinnliche Frau
Seitdem ich lesen kann, sind Bücher eines meiner zeitintensivsten Hobbys. Mit 14 Jahren verbrachte ich dank einer intensiven Freundschaft viel Zeit in Zügen zwischen Neumünster und Krefeld. Vor einer dieser langen Fahrten kramte ich im obligatorischen Zeitschriftenladen am Bahnhof in der Grabbelkiste und fand ein Buch, das mich ansprach: "Die sinnliche Frau!"
Die Autorin dieses für zwei Mark erhältlichen Werks veröffentlichte unter dem Pseudonym "J". In den folgenden sechs Stunden las ich das Buch zum ersten Mal und daraufhin viele weitere Male. Es behandelte die großen Unterschiede in der Lust der Frau zu der des Mannes und ermutigte dazu, inklusive einer Menge praktischer Übungen, den eigenen Körper und die eigene Sinnlichkeit zu ergründen und zu erfahren – ohne irgendeine Art von Tabu, Dogma oder Stigma. Die Autorin schrieb darüber, dass nichts eine Frau so in die eigene Kraft bringt, wie die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Vor 30 Jahren war dieses Buch für mich eine kleine Sensation und auch heute hat die Relevanz des Themas in keiner Weise abgenommen.
Auf ihrem Instagram-Kanal drsimonekoch teilt sie ihr Wissen über Frauengesundheit, Autoimmunerkrankungen und gesundes Leben. Mit Hilfe zur Selbsthilfe begegnet Simone ihrer Community wissenschaftlich und zugleich mit viel Herz.
Startpunkt in die Sexpositivität
Für mich war dieser Zufallsfund ein Glücksgriff und der Beginn meines sexpositiven Lebens und der Erkundung meiner eigenen Sexualität. Ausgestattet mit einer ganzen Reihe von Anleitungen, sich selbst Freude zu bereiten, mit dem immer wiederkehrenden Hinweis, dass es kein "normal" gibt und dass jede Frau für sich selbst herausfinden muss, was ihr Freude bereitet, hatte ich niemals das Gefühl, dass mit mir etwas nicht richtig sei. Ich fand selbstbestimmt heraus, was mich erregte und erfüllte – und was nicht.
Eine Tatsache, die wahrscheinlich ihren Anteil daran hatte, dass bereits meine erste Beziehung für mich sexuell sehr erfüllend war und die Menge unguter Erfahrungen klein. Ich wusste, was ich wollte und konnte dies auch kommunizieren.
Wo stehen junge Frauen heute?
Denke ich an meinen Alltag in der gynäkologischen Praxis und vor allem an die damals von mir durchgeführte Mädchensprechstunde zurück, so ist dies leider nicht die Regel. Noch immer erfolgt der überwiegende Anteil der Aufklärung über Pornofilme, die weibliche Lust recht eindimensional darstellen. Der technische, zuweilen verschämte Unterricht in der Schule hilft wenig bis gar nicht.
Über 70 % der Frauen in der gynäkologischen Praxis berichten über Libido-Probleme und die häufigste Frage junger Mädchen ist: "Bin ich normal?"
Was die heranwachsende Generation feststellt: Ihr Genital sieht anders aus als das vieler Pornodarstellerinnen und der prompte Orgasmus mit weiblicher Ejakulation durch reinen Geschlechtsverkehr ohne Vorspiel will sich auch nicht so einfach einstellen.
Von ihren meist männlichen Gegenparts ernten Mädchen, aber auch Frauen, vor allem Genervtheit und Augenverdrehen: "Warum bist du so kompliziert?" oder der Klassiker: "Meine Ex fand das aber großartig …"
Es ist eben nicht kompliziert!
Eine Aufklärung der Geschlechter darüber, dass der Unterschied der Genitalien weit über das Augenscheinliche hinausgeht, könnte dazu beitragen, Sexualität schöner und erfüllender zu erleben.
Die Schwellkörper der Frau sind ein komplexes Schleusensystem, das sich über eine langen Zeitraum immer wieder leicht entleert, um sich wieder stärker zu füllen. Außerdem hat jede Frau eine ganze Reihe von Schwellkörpern, die eventuell einzelner Stimulation bedürfen, um ihre volle Erregung zu erzielen. Wäre dieses Wissen für alle zugänglich, würde dies zu viel weniger Frustration und mehr Lust an der Entdeckung führen.
Das beginnt schon mit der Benennung der weiblichen Geschlechtsorgane, welche früher gerne ganzheitlich als "Scheide" zusammengefasst wurden. Erst wenn wir lernen, alle Teile tatsächlich zu benennen und uns über die eigenen Lustzonen klar werden, können wir auch kommunizieren, was wir uns wünschen oder eben auch nicht.
Wer weiß, dass die Klitoris der Frau ein großes Organ ist, dass sich überwiegend in ihrem Inneren befindet, versteht, warum die Erregungspunkte von Frau zu Frau so völlig unterschiedlich sind und warum zum Beispiel eine vaginale Stimulation für die eine Frau ein Hochgenuss, für die nächste jedoch völlig unspektakulär ist.
In meiner Praxis erlebe ich bei Frauen häufig ein größeres Sicherheitsbedürfnis und stärkere Bremsen an ihrem Sextrieb als bei Männern. So müssen für viele zunächst alle Umstände passen, damit Stimmung aufkommen kann. Würde dies in der Aufklärung vorkommen, wäre auch hier von Anfang an der Weg für erfüllende Erlebnisse deutlich geebnet.
Aufklärung ohne Scham
Aber auch wer mit einem ausgeprägten Sexdrive und geringen Bremsen ausgestattet wurde, sollte bereits in der Jugend lernen, dass dies ebenso normal ist und vollständig ausgelebt werden darf, ohne dass Schuld- und Schamgefühle entstehen.
Der hierzulande stattfindende Unterricht in der Schule hilft meiner Erfahrung nach, wenn überhaupt dabei, auf das Thema Verhütung aufmerksam zu machen, darüber hinaus jedoch wenig.
Zum einen wäre es aus meiner Sicht hilfreich das Thema Sex in Familien zu enttabuisieren. Warum darf mein Zwölfjähriger keine Brüste sehen oder keine Idee davon haben, wie der Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau abläuft? Ergibt es nicht Sinn, dass man die genauen Namen und Orte, der für eine erfüllende Sexualität wichtigen Körperteile, erlernt, BEVOR man diese das erste Mal bei einem:r Sexualpartner:in berührt? Auch schon in der Jugend zu lernen, dass es weit mehr als das von Medien vorgegaukelte Mann-trifft-Frau-für-immer-und-ewig-Beziehungsmodell gibt, kann sich viel Hadern mit der eigenen Sexualität ersparen.
Liebevollen Zugang zur Sexualität ermöglichen
Ich möchte daher dazu ermutigen, Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, eine Fülle von Ideen in einem ethischen und zugewandten Rahmen zu ergründen. Bücher, wie das, was ich damals fand, können dabei helfen, aber auch eine altersgerechte Sex Education, die Wissen liebevoll und praxisnah vermittelt.
Es kann Sinn ergeben, den eigenen Kindern ab dem Alter, in dem sie sowieso anfangen würden, Pornos im Internet zu schauen, Zugang zu ethisch und fair produzierten Filmen zu ermöglichen, die die Diversität der menschlichen Sexualität in einer achtenden Weise darstellen. Das erhöht die Chance auf eine so wenig wie möglich beeinflusste Sexualität – frei von Scham-, Schuld-, und Angstgefühlen.
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