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Wie geht Sex-Talk?

10 Fragen an eine Sexualpädagogin

Wie über Sex reden, wenn du selbst keine Worte dafür hast? Als Sexualpädagogin verhilft Magdalena Heinzl anderen Menschen zu mehr Bewusstsein – über ihre Wünsche, den eigenen Körper und darüber, dass guter Sex keine Selbstverständlichkeit ist.

Interview von kinkyminky mit Magdalena Heinzl

1. Wie bist du Sexualpädagogin geworden – und warum?

Ich habe nach der Matura Soziale Arbeit studiert und bemerkt, dass immer, wenn das Thema Sexualität auftaucht – egal mit welcher Zielgruppe – alle total unprofessionell und komisch werden. Da dachte ich mir, das kann ich besser und habe dann die Sexualpädagogik-Ausbildung in Wien gemacht. Mittlerweile bin ich auch Klinische Sexologin in meinem eigenen Zentrum.

 
Wie geht Sex-Talk?
Magdalena Heinzl ist Gründerin von sexologisch, Sexualtherapeutin und Sexualberaterin. Sie unterstützt Menschen jeden Alters dabei, ihr volles sexuelles Potenzial zu entfalten. Magdalena legt den Fokus ihrer Arbeit auf den Körper und das bewusste Wahrnehmen von Lust und Erregung.

2. Du arbeitest stark mit der eigenen Körperwahrnehmung. Warum dieser Fokus – beginnt Lust nicht im Kopf?

Das ist eine spannende Frage. Ich glaube, das bedingt sich gegenseitig. So wie unsere Emotionen auf unseren Körper wirken, wirkt auch unser Körper auf unsere Emotionen. Man kann viel Lustvolles im eigenen Körper finden. Dadurch, dass unsere Welt so kognitiv ist und vieles im Kopf passiert, bin ich Fan davon geworden, Dinge einfach auf den Körper runterzubrechen und zu spüren. Lust kann im Kopf beginnen, doch beim Sex geht es immer ums Spüren im Körper.

Bei Menschen, die ihren Körper aktiver nutzen, sieht man, wie diese mit Spannung und Entspannung Dinge beeinflussen oder ihre Wahrnehmung gezielter einsetzen können. Ein Bewusstsein für den Körper schafft Autonomie in der Sexualität.

3. Das Konzept "Mischpult der Sexualität" klingt ganz schön kompliziert. Welche Idee steckt dahinter?

Es ist weniger kompliziert, als es klingt. Die Idee dahinter liegt dem Modell Sexocorporel von Jean Yves Desjardins zugrunde. Diese sexualtherapeutische Richtung versucht sehr differenziert herauszuarbeiten, was dein individuelles sexuelles System beinhaltet.

Das Mischpult nach Wolfgang Kostenwein bildet hier nur die körperliche Komponente ab. Das heißt Muskeltonus, Rhythmus, Atmung, Bewegung. Auf welche Tools greifst du bevorzugt zurück? Wo bist du flexibler, wo vielleicht noch nicht? Wo möchtest du noch dazulernen? Ich finde, das ist ein brauchbares Bild für meine Klient:innen.

Regler der Lust verschieben

4. Wie bist du darauf gekommen, dieses Konzept auf die Arbeit mit deinen Klient:innen anzuwenden?

Einer meiner Ausbilder hatte ein Mischpult aus Holz dabei und berichtet, dass er seine Klient:innen es selber einstellen lässt. Fasst man das Mischpult an, wird das Konzept verständlicher.

5. Welche Menschen kommen zu dir und welche Herausforderungen bringen sie mit?

Die Menschen sind bunt gemischt, von 16 bis 72. Es sind Männer, Frauen und nicht-binäre Personen. Die kommen mit Themen wie Lustlosigkeit, Orgasmusproblemen, aber auch Vaginismus und Erektionsstörungen. Und der Frage, ob es noch mehr gibt als das, was sie gerade selbst in ihrer Sexualität erleben.

6. Was rätst du Einsteiger:innen, denen das Verschieben der einzelnen Regler noch zu komplex ist?

Sie können beispielsweise in unterschiedlichen Positionen masturbieren und die Beine aufstellen oder locker anwinkeln. Kleine Dinge in der Masturbationsroutine verändern, um flexibler zu werden. Oder bewusst auf die Atmung achten und spüren, wie es ist, sie kurz vor dem Orgasmus zu vertiefen.

Es geht um eine körperliche Selbstbeobachtung. Wie tue ich eigentlich etwas? Wir tun viele Dinge unbewusst und das Ziel des TRAB-Modells ist es, all das ins Bewusstsein zu bringen, was uns anmacht, was uns zur Luststeigerung dient, um diese Erkenntnisse schlussendlich für uns zu nutzen.

Was bedeutet TRAB?

TRAB steht für TONUS – RHYTHMUS – ATMUNG – BEWEGUNG. An diesen vier "Reglern" deines eigenen Körpers kannst du drehen, um Sexualität anders zu spüren.

7. Du klärst regelmäßig über Mythen der Sexualität auf. Was sind deine Top 3?

"Guter Sex fällt vom Himmel" ist auf jeden Fall die Nummer eins. Mein Platz zwei ist: "Lustlosigkeit hat immer etwas damit zu tun, dass die Beziehung nicht stimmt." Abstrus finde ich auch die NoFap-Bewegung, weil es nicht wissenschaftlich bewiesen ist, dass das etwas bringt

 
Nicht alle Menschen haben sich bereits eine Sprache zur Sexualität angeeignet.

8. Wir sollten alle über Sex sprechen und doch fällt es vielen schwer. Wie rede ich mit Partner:innen über sexuelle Bedürfnisse?

Nicht alle Menschen haben sich bereits eine Sprache zur Sexualität angeeignet, weil wir das in unserer Gesellschaft nicht lernen. Der erste Schritt kann sein, sich mit dem Thema zu befassen, darüber zu lesen, Serien zu schauen oder Podcasts zu hören.

Anschließend kann man das Thema Sex in einem ruhigen Moment ansprechen und in einen ergebnisoffenen Austausch gehen. Etwa "Du, ich finde unser Sexleben großartig. In letzter Zeit beschäftigt mich aber diese oder jene Fantasie."

Schmutzwörter bevorzugt

9. Du gibst als Sexualpädagogin Workshops, berätst Menschen, hältst Vorträge und bist in unseren Livestreams aktiv. Wie unterscheiden sich die Angebote für dich und was empfiehlst du wem?

Es ist ein Unterschied, ob ich Workshops in Schulklassen gebe, angehende Pädagoginnen schule oder mit Erwachsenen einen Livestream veranstalte. Es ist mir wichtig, dass das mit einer gewissen Leichtigkeit rüberkommt und man auch lachen darf, dass es Spaß macht und dass man sich auf Augenhöhe austauschen kann.

Ich habe nicht den Anspruch, dass alle mit meinem Modell gut arbeiten können, weil für jeden Menschen etwas anderes besser passt. Ich strebe nach dem Individuellen und versuche, das in all meinen Angebote widerzuspiegeln.

 
Sexualkunde mit Spaßfaktor: Magdalena Heinzl in ihrer Praxis
Sexualkunde mit Spaßfaktor: Magdalena Heinzl in ihrer Praxis
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10. Wie stehst du zu Pornos – abtörnend oder lustmachend?

Privat oder als Fachperson? Sowohl abtörnend als auch lustvoll, vermutlich. Der aktuelle Diskurs ist schwierig, weil er so schwarz-weiß gezeichnet ist. Ich möchte es differenzierter betrachten. Natürlich gibt es an Porno-Sets nicht immer die besten Bedingungen und nicht alles ist konsensuell. Das ist für mich Gewalt. Anders ist es, wenn Gewalt konsensuell ausgeübt wird.

Ich finde es grundsätzlich nicht problematisch, wenn junge Menschen Pornos konsumieren. Was ich aber problematisch finde, ist, wenn niemand mit ihnen darüber spricht und ihnen die Reflexionspersonen fehlen. Diese sollten einordnen, dass Sex nicht immer so aussieht und Pornos wie Actionfilme sind, gestellte Szenen inklusive. Oder dass zum echten Sex viel mehr Kommunikation gehört.

Gute Pornos? Hier entlang

Hat eine Person die richtige Hilfestellungen innerhalb der sexuellen Entwicklung bekommen, kann sie Pornofilme in der Regel richtig einordnen. Pornos sind so wie alles andere: Sie können zur Sucht werden, müssen es aber nicht. Am Ende kommt es immer auf das Maß an.

Wer generell lieber zu Pornos masturbiert, für den ist es vielleicht auch spannend, die eigene Fantasie wieder einzuschalten. Fallen gewohnte Bilder weg, stellt das Flexibilität her. Was nicht bedeutet, dass diese Menschen nie wieder Pornos schauen dürfen. Privat achte ich auch hier auf die Signale meines Körpers. Manchmal passen Pornos zu meinem Mischpult, manchmal ist es die eigene Fantasie.

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