Ein Virus legt die ganze Welt lahm. Und die Swinger-Szene. Einige Clubs haben den Lockdown nicht überlebt und mussten bereits schließen. Andere halten sich mit Übergangs- oder Hygienekonzepten und letzten Geld- und Energiereserven über Wasser. Entscheidend, wer was in welchem Umfang machen darf, ist das Bundesland, in dem sich der Club befindet.
Sachsen: Ein wenig Normalität in unnormalen Zeiten
Er hat fast etwas von einer gemütlichen Biergartenstimmung, dieser Außenbereich des Swingerclubs Saphir im sächsischen Schkeuditz, in dem ich an einem sonnigen Juliabend sitze. Die Gäste plaudern fröhlich miteinander – paarweise, mit Mindestabstand.
Swingerclub-Chef Willy sitzt vor mir, zeigt mir schwarz auf weiß, worum er so viele Wochen wie ein Löwe gekämpft hat: Die behördliche Bestätigung, dass sein siebenseitiges Hygienekonzept durchgewunken wurde. Willy darf das Saphir seit Anfang Juli wieder für seine Gäste öffnen. Unter strengen Hygieneauflagen, an die sich alle gewissenhaft halten müssen.
In der Bildgalerie: Auszug aus dem Hygienekonzept des Saphir
Die abschließbaren Zimmer, die nach jeder Aktivität vom Personal desinfiziert werden, dürfen maximal vier Personen aus zwei unterschiedlichen Haushalten nutzen.
Wenn sich dann schon andere Gäste auf den neuen Bettlaken tummeln, rotieren die alten bereits im virusabtötenden Waschprogramm der Gewerbewaschmaschinen. Unter den waschbaren Stofflaken befinden sich abwischbare PU-Sicherheitslaken.
Auf den Laufwegen herrscht Mund-Nasenschutz-Pflicht. Die Personalien sind vor dem Betreten des Clubs abzugeben und werden für vier Wochen aufbewahrt.
Größere, offene Spielwiesen, auf denen sich zu viele Menschen ansammeln könnten, bleiben gesperrt, ebenso der Pool.
Absperrbänder, Putzpläne und Hinweisschilder zu Hygiene und Verhalten dienen an jeder Ecke des Clubs als Orientierungs- und Erinnerungshilfe.
Aber ein bisschen Spaß darf auch noch sein.
Der Barbereich darf kurz zum Getränkeholen angesteuert werden, ist danach aber sofort wieder zu verlassen. Es herrscht Tanzverbot.
Warmes Essen wird personenweise direkt vom Chef ausgegeben. Snacks stehen einzeln portioniert unter Spuckschutzscheiben.
Wie empfinden die Swingerclubbesucher die Auflagen?
"Die Zeit des Lockdowns war einfach nur scheiße", sagt JOYclub-Paar BlondeNymphe, Saphir-Stammkunden seit zwölf Jahren. "Man gewöhnt sich an die Auflagen. Besser allemal als nichts." Auch Anne und Jörg, Mittwochs-Stammkunden seit vier Jahren, bestätigen mir: "Das ist völlig in Ordnung. Wir sind so froh, dass es wieder offen hat. Wir wollen doch alle nicht, dass das Saphir schließen muss." Und sie fügen hinzu:
Zusatzkosten, die nicht jeder Club stemmen kann
Hinter den Kulissen ist weit mehr zu organisieren, als die Gäste sehen, insbesondere der finanzielle Mehraufwand ist enorm: Unmengen Liter an Desinfektionsmittel (Kostenpunkt: 2.500 Euro pro Monat), die Aufrüstung mit sensorgesteuerten Desinfektionsmittelspendern, Gewerbewaschmaschinen mit virusabtötendem Waschprogramm, ein Heißspüler für Getränkegläser statt der oftmals üblichen Schnellspüler, die Reduzierung der Gästeanzahl auf eine überschaubare und hinsichtlich der Einhaltung der Hygieneregeln kontrollierbaren Menge (im Saphir dürfen derzeit maximal 100 Gäste statt 180 eingelassen werden).
Sogar an den DSGVO-konformen und entsprechend kostspieligen Aktenvernichter, der nach vier Wochen die gesammelten Daten der Gäste ordnungsgemäß vernichtet, muss in diesen Zeiten gedacht werden. Und an so vieles andere mehr.
Ausufernde Zusatzkosten also, die nach monatelangen Einnahmeausfällen für viele Swingerclubbetreiber nicht stemmbar sind. Willys Glück: Er hatte in den achtzehn Jahren des Clubbestehens schon in viele dieser Maßnahmen investiert.
Als der Lockdown kam, kontaktierte Willy sofort Vermieter und Energieversorger, führte lange Gespräche und Verhandlungen, suchte gemeinsam mit ihnen nach Lösungen, um die Zeit finanziell zu überstehen. Beantragte staatliche Hilfe und das Corona-Darlehen. Fremdmittel, die bei einem 1.000 qm großen Club nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Zapfte Ersparnisse an, die im Zuge eines Clubausbaus sechs Wochen vor dem Lockdown schon angeknabbert waren.
Damit hätte das Saphir bis maximal Ende August überlebt.
Kurz aufatmen. Die Angst bleibt.
Ausgelaugt vom tagtäglichen Überlebenskampf hätte Willy beinahe gar nicht mitbekommen, dass im Juni eine alles entscheidende Passage aus der sächsischen Corona-Schutzverordnung wegfiel. Eigentlich waren es nur die drei Worte "... und artverwandte Geschäfte" im Zusammenhang mit dem weiterhin bestehenden Öffnungsverbot für Bordelle, die gestrichen wurden. Unter "artverwandte Geschäfte" fallen Swingerclubs. Ein Bekannter wies ihn darauf hin.
Das Problem: Den Genehmigern war der Unterschied zwischen einem Bordell und einem Swingerclub nicht geläufig. Erst nachdem sich jemand den Club vor Ort angeschaut und vom Saphir-Hygienekonzept überzeugt hatte, durfte Willy endlich öffnen.
Jetzt ist eine kurze Zeit des Durchatmens. Kostendeckend arbeiten, mehr ist nicht drin. Und hoffen, dass kein zweiter Lockdown kommt. Und wenn es doch passiert? "Es gibt keinen Plan B", sagt Willy. "Dann sind wir zu. Für immer."
Seine Botschaft ist klar:
"Wir müssen darüber reden. In den Medien. In der Politik. Deshalb gebe ich euch dieses Interview. Permanent darüber reden, dass ein jeder Einzelne von uns Verantwortung übernimmt. Die Problematik muss in die Köpfe: Es ist eben nicht in Ordnung, zu denken, die Zahlen sind niedrig und nun stürz' ich mich wieder ins Nachtleben. Der Schaden ist danach viel größer. Da hängen Existenzen dran ohne Ende."
Bayern: Wenn der Swingerclub zum Gastronomiebetrieb wird
Am nächsten Tag telefoniere ich mit Sina Völkle vom Swingerclub Lillith im bayerischen Puchheim. Hier sieht die Lage ganz anders aus, an einen Swingerclub-Betrieb unter strengen Hygieneregelungen ist nicht zu denken. Die bayerischen Corona- und Infektionsschutzverordnungen lassen es nicht zu.
"Unser Glück und das einiger anderer bayrischer Swingerclubs ist, dass wir einen gesonderten Gastronomiebereich haben", sagt sie. Das Lillith hat im Erdgeschoss ein eigenständiges Restaurant, erst eine Verbindungstreppe führt hinauf in den eigentlichen Swingerclub. Unter Einhaltung der Hygieneregeln wie Mindestabstand, Maskenpflicht (wenn man nicht am Tisch sitzt), regelmäßiger Handdesinfektion etc. ist es ihr seit 14. Juli 2020 möglich, ein "Frivoles Paare-Dinner" anzubieten. "Ein Übergangskonzept", sagt sie, "um irgendwie zu überleben."
Das neue Angebot findet nur allmählich Anklang. "Du gibst da deine ganze Energie rein und freust dich darauf, deine Gäste wiederzusehen. Und dann kommt kaum jemand." Insbesondere die Stammgäste haben sich noch nicht so richtig zu Tisch getraut.
Dafür freut sich Sina über neue Gäste, die diese Gelegenheit nutzen, ihre frivole Seite in einem geschützten Raum mit Gleichgesinnten auszuleben. Die Wert auf stilvolle, niveauvolle und sexy Kleidung legen, die prickelnde-erotische Atmosphäre in sich aufsaugen und sich zum ersten Mal trauen, einen Swingerclub von innen kennenzulernen. Sie führt sie dann auch gern im Club herum und zeigt die verwaisten Zimmer, die wie im Museum hinter Absperrungen liegen.
Den Lockdown hat sie u.a. nur durch Herunterschrauben der laufenden Kosten und Beantragung staatlicher Soforthilfe überleben können. Der Antrag auf eine zweite Soforthilfe ist gestellt. "Wenn die nicht kommt, wird’s uns zerreißen", sagt Sina.
Ein wichtiger, nächster Schritt wäre für sie, dass sie die abschließbaren Zimmer in der oberen Etage an Einzelpaare ihres frivolen Dinners vermieten darf. Dann müsste man nach diesem aufheizenden Abendessen nicht erst heimfahren, um den Nachtisch zu genießen. Ihre Hoffnung: Ein Behördenmensch schaut sich den Club und ihr Konzept an. Vor Ort. Um Missverständnisse und Vorurteile zu beseitigen, an denen Existenzen hängen.
"Mir schweben noch viele verschiedene Konzepte vor" verrät sie. Und trotzdem: Es ermüdet. Solange sich an den Corona-Regelungen in Bayern nichts ändert, wird es auch für das Lillith immer dunkler.
"Was denkst du, wie geht es weiter?" frage ich Sina am Ende unseres Telefonats. Die sonst so quirlige Powerfrau atmet tief durch, bevor sie leise weiterspricht.
"Ich weiß es nicht. Aber ich habe noch ein bisschen Hoffnung."
Auch wenn inzwischen einige Lockerungen eingetreten sind, so bleibt der Appell der Clubbetreiber und Veranstalter in unserem Video vom Mai 2020 nach wie vor aktuell:
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